# taz.de -- Krankheitssymptome: Diagnose von Dr. Google | |
> Wer krank ist, fragt oft zuerst die Suchmaschine. Das kann helfen – oder | |
> alles noch schlimmer machen. Vier Erfahrungen. | |
Bild: Lieber untersuchen lassen, warum man immer so müde ist. Sonst erzählt G… | |
## Der Hausarzt | |
Es stört mich nicht, wenn sich ein Patient vorher im Netz schlau macht und | |
mir sagt: „Ich hab Fußpilz!“ Dann schaue ich eben nach, ob er Fußpilz hat. | |
Bloß, wenn er mir den Fuß nicht mal zeigen möchte und einfach nur die Salbe | |
haben will, muss er sie sich selbst holen. Im Internet steht ja nicht nur | |
Richtiges. | |
Es ist immer gut, wenn einem Patienten neue Impulse geben. Aber man sollte | |
als Arzt die Wissenshoheit behalten. Manche Patienten sind enttäuscht, wenn | |
sie nicht das bekommen, was sie möchten. Ein Arzt muss aber Regeln und | |
Budgets beachten. | |
Durch Selbstdiagnosen werden Bagatellen überbewertet. Oft nehmen Patienten | |
große ärztliche Leistungen in Anspruch, die nicht immer erforderlich sind. | |
Nicht jeder Rücken- oder Knieschmerz muss ins MRT. Das ist ein | |
kostentreibender Faktor. | |
Auch ich recherchiere durchaus mal im Internet. Die Foren von Patienten | |
schaue ich mir aber selten an. Die Diskussionen bewegen sich da in einem | |
eher emotionalen Bereich. Das sind für mich keine Diagnosekriterien. | |
Jemand, der von einer Krankheit betroffen ist, argumentiert natürlich | |
anders. | |
Wichtig ist, dass man nicht annimmt, der Arzt sei inkompetent, nur weil man | |
in seiner Vermutung nicht bestätigt wird. Man sollte nicht gleich zu einem | |
anderen rennen, der einem zum 25. Mal den Kopf röntgt, um noch einmal zu | |
bestätigen, dass man nichts hat. | |
## Wolf Lüsebrink ist Hausarzt in der Nähe von Lüneburg | |
************* | |
## Der Hypochonder | |
Das erste Mal habe ich nach Stichen in der Brust gesucht. Laut Internet | |
konnten die von Verspannungen herrühren, aber auch Vorboten eines | |
Herzinfarktes sein. Ich hatte schon vorher Angst, aber die Informationen | |
verstärkten sie noch. Man blendet harmlose Erklärungen einfach aus. Allein | |
die Möglichkeit einer ernsten Erkrankung reichte, um mich verrückt zu | |
machen. | |
Ich litt lange an Angststörungen, Panikattacken und Hypochondrie. Ständig | |
recherchierte ich zu meinen Symptomen im Internet. Dann nahm ich die Liste | |
möglicher Krankheiten mit zum Arzt und schlug Tests vor. | |
Es war nicht so, dass ich damals bewusst nach schlechten Diagnosen gesucht | |
hätte. Da war vor allem eine Sehnsucht nach Kontrolle in einer Welt, in der | |
man nicht viel kontrollieren kann. Außerdem lenkt das Befassen mit | |
Krankheiten von unangenehmen Dingen ab, mit denen man sich beschäftigen | |
müsste. Von Entscheidungen etwa. | |
Viele Stammgäste in Foren sind Hypochonder und tatsächlich erkrankte | |
Menschen, sodass man den Eindruck gewinnt, eine Erkrankung sei viel | |
wahrscheinlicher, als sie es tatsächlich ist. | |
Ich bin die Hypochondrie in einer psychosomatischen Reha-Klinik | |
losgeworden. Ich würde gern mal den Hypochonder sehen, den eine Recherche | |
beruhigt hat. Im Netz kann einem niemand die Sicherheit geben, die man als | |
Hypochonder sucht. | |
## Sebastian D. Kraemer, ist Autor des Buchs „Exfreundin Angst“ und bloggt | |
auf | |
************* | |
## Die Selbstheilerin | |
Ich hatte ständig Infekte, Schlafstörungen, schwitzte immer stärker, bekam | |
Akne und vieles mehr. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, aber laut den | |
Ärzten war ich kerngesund. Sie sagten, ich sei Hypochonder, das alles sei | |
psychisch. Oder sie verschrieben mir Antibiotika, die mich noch kränker | |
machten. | |
Dann begann ich, total überfordert, im Internet zu recherchieren, und stieß | |
zufällig auf eine Symptomliste von Histaminintoleranz. Ich konnte fast | |
neben jedes Symptom ein Häkchen machen. Als ich mich weiter informierte und | |
daraufhin meine Ernährung umstellte, ging es mir schnell sehr viel besser. | |
Das Schweizer Forum [1][symptome.ch] wurde für mich zur wichtigsten | |
Informationsquelle. Die Texte waren teils schwer verständlich und wurden | |
komplexer, je tiefer ich in die Materie eindrang. Mit meinen Erkenntnissen | |
suchte ich wieder Ärzte auf und musste mir Kommentare anhören wie: | |
„Histaminintoleranz ist eine Modeerscheinung.“ Da gab ich wieder auf und | |
vertraute auf meinen Instinkt. | |
Ich habe teilweise über meine Kräfte hinaus am PC gesessen. Es wurde fast | |
zu einer Art Sucht. Irgendwann dachte ich: So geht das nicht mehr. Da habe | |
ich endlich wieder angefangen zu leben. | |
Aber durch mein eigenes Engagement sind viele Symptome verschwunden. Ich | |
bin auf dem richtigen Weg. Die Liste, die ich damals im Netz fand, war der | |
Beginn meiner Gesundung. | |
## Cecilia Wetzel lebt in Berlin und bloggt auf | |
************* | |
## Die Psychologin | |
Es existieren keine Studien darüber, ob das Internet die Krankheitsangst | |
verstärkt. Erst einmal ist nichts Schlimmes daran, wenn man seine Symptome | |
dort recherchiert. Heutzutage hat man häufig einfach keine Zeit, lange beim | |
Arzt im Wartezimmer zu sitzen. Dann fängt man eben zunächst an zu googeln. | |
Wenn ich aber nach einem Symptom oder einer Kombination suche, muss ich | |
vorher wissen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, auf irgendeine fiese | |
Krankheit zu stoßen. Viele unserer Hypochondrie-Patienten berichten, dass | |
sie durch das Netz stärker verunsichert werden. Oft recherchieren sie aber | |
nicht richtig oder geben zu schnell auf. Es verbringt auch nicht jeder | |
Hypochondrie-Patient Jahre mit solchen Suchen, viele lassen wieder die | |
Finger davon. | |
Bestenfalls gerät man bei der Recherche an medizinische | |
Informationssysteme, die ich nicht schlecht finde. Schlimmer ist es, wenn | |
man in Foren landet, in denen sich vermeintlich Betroffene über schlimme | |
Krankheiten austauschen. Da ist die Anfälligkeit sehr viel größer zu | |
denken: „Oh ja, das ist genauso wie bei mir!“ Hier gibt es leider eine | |
Häufung von Informationen, die Angst machen. Auch deshalb, weil gesunde | |
Menschen meist Besseres zu tun haben, als in solchen Foren zu schreiben. | |
## Gaby Bleichhardt arbeitet in der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und | |
Psychotherapie der Philipps-Universität Marburg | |
12 Oct 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://symptome.ch/ | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |