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# taz.de -- Krankheitssymptome: Diagnose von Dr. Google
> Wer krank ist, fragt oft zuerst die Suchmaschine. Das kann helfen – oder
> alles noch schlimmer machen. Vier Erfahrungen.
Bild: Lieber untersuchen lassen, warum man immer so müde ist. Sonst erzählt G…
## Der Hausarzt
Es stört mich nicht, wenn sich ein Patient vorher im Netz schlau macht und
mir sagt: „Ich hab Fußpilz!“ Dann schaue ich eben nach, ob er Fußpilz hat.
Bloß, wenn er mir den Fuß nicht mal zeigen möchte und einfach nur die Salbe
haben will, muss er sie sich selbst holen. Im Internet steht ja nicht nur
Richtiges.
Es ist immer gut, wenn einem Patienten neue Impulse geben. Aber man sollte
als Arzt die Wissenshoheit behalten. Manche Patienten sind enttäuscht, wenn
sie nicht das bekommen, was sie möchten. Ein Arzt muss aber Regeln und
Budgets beachten.
Durch Selbstdiagnosen werden Bagatellen überbewertet. Oft nehmen Patienten
große ärztliche Leistungen in Anspruch, die nicht immer erforderlich sind.
Nicht jeder Rücken- oder Knieschmerz muss ins MRT. Das ist ein
kostentreibender Faktor.
Auch ich recherchiere durchaus mal im Internet. Die Foren von Patienten
schaue ich mir aber selten an. Die Diskussionen bewegen sich da in einem
eher emotionalen Bereich. Das sind für mich keine Diagnosekriterien.
Jemand, der von einer Krankheit betroffen ist, argumentiert natürlich
anders.
Wichtig ist, dass man nicht annimmt, der Arzt sei inkompetent, nur weil man
in seiner Vermutung nicht bestätigt wird. Man sollte nicht gleich zu einem
anderen rennen, der einem zum 25. Mal den Kopf röntgt, um noch einmal zu
bestätigen, dass man nichts hat.
## Wolf Lüsebrink ist Hausarzt in der Nähe von Lüneburg
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## Der Hypochonder
Das erste Mal habe ich nach Stichen in der Brust gesucht. Laut Internet
konnten die von Verspannungen herrühren, aber auch Vorboten eines
Herzinfarktes sein. Ich hatte schon vorher Angst, aber die Informationen
verstärkten sie noch. Man blendet harmlose Erklärungen einfach aus. Allein
die Möglichkeit einer ernsten Erkrankung reichte, um mich verrückt zu
machen.
Ich litt lange an Angststörungen, Panikattacken und Hypochondrie. Ständig
recherchierte ich zu meinen Symptomen im Internet. Dann nahm ich die Liste
möglicher Krankheiten mit zum Arzt und schlug Tests vor.
Es war nicht so, dass ich damals bewusst nach schlechten Diagnosen gesucht
hätte. Da war vor allem eine Sehnsucht nach Kontrolle in einer Welt, in der
man nicht viel kontrollieren kann. Außerdem lenkt das Befassen mit
Krankheiten von unangenehmen Dingen ab, mit denen man sich beschäftigen
müsste. Von Entscheidungen etwa.
Viele Stammgäste in Foren sind Hypochonder und tatsächlich erkrankte
Menschen, sodass man den Eindruck gewinnt, eine Erkrankung sei viel
wahrscheinlicher, als sie es tatsächlich ist.
Ich bin die Hypochondrie in einer psychosomatischen Reha-Klinik
losgeworden. Ich würde gern mal den Hypochonder sehen, den eine Recherche
beruhigt hat. Im Netz kann einem niemand die Sicherheit geben, die man als
Hypochonder sucht.
## Sebastian D. Kraemer, ist Autor des Buchs „Exfreundin Angst“ und bloggt
auf
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## Die Selbstheilerin
Ich hatte ständig Infekte, Schlafstörungen, schwitzte immer stärker, bekam
Akne und vieles mehr. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, aber laut den
Ärzten war ich kerngesund. Sie sagten, ich sei Hypochonder, das alles sei
psychisch. Oder sie verschrieben mir Antibiotika, die mich noch kränker
machten.
Dann begann ich, total überfordert, im Internet zu recherchieren, und stieß
zufällig auf eine Symptomliste von Histaminintoleranz. Ich konnte fast
neben jedes Symptom ein Häkchen machen. Als ich mich weiter informierte und
daraufhin meine Ernährung umstellte, ging es mir schnell sehr viel besser.
Das Schweizer Forum [1][symptome.ch] wurde für mich zur wichtigsten
Informationsquelle. Die Texte waren teils schwer verständlich und wurden
komplexer, je tiefer ich in die Materie eindrang. Mit meinen Erkenntnissen
suchte ich wieder Ärzte auf und musste mir Kommentare anhören wie:
„Histaminintoleranz ist eine Modeerscheinung.“ Da gab ich wieder auf und
vertraute auf meinen Instinkt.
Ich habe teilweise über meine Kräfte hinaus am PC gesessen. Es wurde fast
zu einer Art Sucht. Irgendwann dachte ich: So geht das nicht mehr. Da habe
ich endlich wieder angefangen zu leben.
Aber durch mein eigenes Engagement sind viele Symptome verschwunden. Ich
bin auf dem richtigen Weg. Die Liste, die ich damals im Netz fand, war der
Beginn meiner Gesundung.
## Cecilia Wetzel lebt in Berlin und bloggt auf
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## Die Psychologin
Es existieren keine Studien darüber, ob das Internet die Krankheitsangst
verstärkt. Erst einmal ist nichts Schlimmes daran, wenn man seine Symptome
dort recherchiert. Heutzutage hat man häufig einfach keine Zeit, lange beim
Arzt im Wartezimmer zu sitzen. Dann fängt man eben zunächst an zu googeln.
Wenn ich aber nach einem Symptom oder einer Kombination suche, muss ich
vorher wissen, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, auf irgendeine fiese
Krankheit zu stoßen. Viele unserer Hypochondrie-Patienten berichten, dass
sie durch das Netz stärker verunsichert werden. Oft recherchieren sie aber
nicht richtig oder geben zu schnell auf. Es verbringt auch nicht jeder
Hypochondrie-Patient Jahre mit solchen Suchen, viele lassen wieder die
Finger davon.
Bestenfalls gerät man bei der Recherche an medizinische
Informationssysteme, die ich nicht schlecht finde. Schlimmer ist es, wenn
man in Foren landet, in denen sich vermeintlich Betroffene über schlimme
Krankheiten austauschen. Da ist die Anfälligkeit sehr viel größer zu
denken: „Oh ja, das ist genauso wie bei mir!“ Hier gibt es leider eine
Häufung von Informationen, die Angst machen. Auch deshalb, weil gesunde
Menschen meist Besseres zu tun haben, als in solchen Foren zu schreiben.
## Gaby Bleichhardt arbeitet in der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und
Psychotherapie der Philipps-Universität Marburg
12 Oct 2012
## LINKS
[1] http://symptome.ch/
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