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# taz.de -- Ärztliche Behandlung online: Wenn der Teledoktor therapiert
> Vor allem der Landbevölkerung könnten Sprechstunden via Internet helfen,
> sagen Politiker und Krankenkassen. Datenschützer sind skeptisch.
Bild: Teledoktor bei der Arbeit
BERLIN taz | Rechner an, Kamera läuft, ein paar Klicks und die Verbindung
zum Hausarzt steht. Die Online-Sprechstunde, die digitale medizinische
Beratung ist technisch längst möglich und keine Zukunftsutopie mehr. Doch
die Teledoktor*innen sind bisher nicht flächendeckend im Einsatz. Dahinter
steckt ein Passus im Berufsrecht der Ärzteschaft, der die Fernbehandlung
stark einschränkt. Denn: Ärzt*innen müssen Patient*innen persönlich
untersucht haben, bevor sie in Ausnahmefällen Videosprechstunden anbieten
können.
Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hat nun eine Änderung der Vorgaben
gefordert – als Ergänzung zur „realen“ Patientenversorgung. Diese Änder…
sieht eine Beratung und Behandlung ausschließlich über elektronische
Kommunikationswege vor. Erlaubt werden soll dieser Weg „im Einzelfall“,
wenn es ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt
gewahrt bleibt, heißt es in der Vorlage.
Noch bis Freitag tagt der Ärztetag in Münster. Die Teilnehmer*innen werden
nun über den Antrag beraten und ihn verabschieden. Danach müssen die
Landesärztekammern die Online-Sprechstunde über verbindliche
Berufsordnungen umsetzen.
Was die Krankenkassen als unausweichlich in Zeiten der Digitalisierung
jeglicher Lebensbereiche bezeichnen und auch Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) gut findet, stößt bei Datenschützer*innen auf Skepsis. Informationen
zu den Patient*innen sind vermutlich nicht vor dem Zugriff Außenstehender
geschützt. „Die Politik hat es bisher nicht geschafft, ein Internet zu
gestalten, dem wir Vertrauen können“, sagte Friedemann Ebelt vom
Expertennetzwerk Digitalcourage der taz. Er sieht neben der Politik auch
die Ärzt*innen in der Pflicht, die vertrauliche Kommunikation mit
Patient*innen und die Schweigepflicht zu „verteidigen“.
Warnung vor Digitalisierung sensibler Bereiche
„Solange wirtschaftlich und politisch versucht wird Überwachung zur
Grundlage der Kommunikation im Internet zu machen, ist es gefährlich
sensible Bereiche und kritische Infrastrukturen leichtfertig zu
digitalisieren“, sagt Ebelt. Da die Geschäftsmodelle der großen Anbieter
sozialer Medien auf dem Austausch von Daten beruhen, machen sie vermutlich
auch nicht vor Patienteninformationen Halt.
Der Datenschützer rechnet gar mit einer Kommerzialisierung der digitalen
ärztlichen Versorgung. Diagnosen per Facebook-Chat oder Therapieanfragen
über Whatsapp: Das alles klingt nach einer Entfremdung medizinischer
Beratung vom Menschen. Für die Anbieter sind sie ein lukratives Geschäft.
Der digitale Hausbesuch wirft zwar datenschutztechnische Fragen auf. Doch
vor allem in ländlichen Regionen, in denen Ärzt*innen und vor allem
Fachmediziner*innen fehlen, könnte der Online-Doktor Abhilfe schaffen. Das
sieht auch Ebelt so. Aber: „Ärztlicher Rat via Telefon, App oder Videochat
kann sozial und, oft auch medizinisch, ärztliche Präsenz vor Ort nicht
ersetzen“, sagt der Datenschützer.
Das sieht auch Maria Klein-Schmeink so. Die Sprecherin für
Gesundheitspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion sieht die digitalen
Angebote als Ergänzung, zum Hausbesuch vor allem für pflegebedürftige
Menschen oder für Patient*innen, die nicht in der Lage sind weite Strecken
zu bewältigen. „Die Online-Sprechstunde darf aber nicht zur einzigen
Versorgungsform werden“, sagte Klein-Schmeink der taz. Sie sieht zudem den
Gesetzgeber in der Pflicht bei den Ärzten für die entsprechende Ausrüstung
zu sorgen. Auch das Personal müsse geschult werden, um mit den neuen
Technologien umzugehen.
Montgomery: Direkter Kontakt ist „Goldstandard“
Ärztepräsident Montgomery bezeichnete den flächendeckenden direkten Kontakt
zwischen Arzt und Patient als „Goldstandard“. Die Fernbehandlung müsse
Patientensicherheit, Datenschutz und Rechtssicherheit der Ärzt*innen
gewährleisten.
Noch ist der Teledoktor selten im Einsatz. Beispielsweise in
Baden-Württemberg. Dort änderte die zuständige Landesärztekammer bereits
2016 die Berufsordnung, um den Weg für die Fernbehandlung frei zu machen.
Angewendet wird die Methode etwa bei Modellprojekten, die die medizinische
Versorgung von Gefangenen beleuchten.
8 May 2018
## AUTOREN
Tanja Tricarico
## TAGS
psychische Gesundheit
Gesundheit
Digitalisierung
Internet
Ärztemangel
Netzneutralität
Roboter
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