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# taz.de -- Ärztemangel: Sprechstunde in der "Rollenden Praxis"
> Ab Januar dürfen sich bundesweit mehr Hausärzte niederlassen, trotzdem
> fehlen nach wie vor Ärzte, die auf dem Land praktizieren wollen.
> Schleswig-Holstein und Niedersachsen probieren Gegenmaßnahmen
Bild: Kein Arzt weit und breit: Junge Mediziner finden das niedersächsische La…
HAMBURG taz | Haben Sie gern einen unverbauten Blick? Joggen Sie lieber im
Wald als auf Beton? Mögen Sie lieber viel Garten und Haus als wenig Wohnung
und Balkon und ist es okay, wenn das nächste Kino 15 Autominuten entfernt
ist?
Wo der Wahl-O-Mat bei der Wahlentscheidung helfen soll, soll der Typ-O-Med
der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) junge Mediziner
fürs Landleben begeistern. Denn allein in Schleswig-Holstein ist rund ein
Drittel der Hausärzte über 60 Jahre, in den nächsten Jahren werden rund 900
Mediziner aufhören – ausreichend Ersatz ist bisher nicht in Sicht. „Und die
neue Bedarfsplanung schnitzt uns keine neuen Ärzte“, sagt Monika Schliffke,
KVSH-Vorstandsvorsitzende.
Die ärztliche Bedarfsplanung des Gemeinsamen Bundesausschuss der
kassenärztlichen Bundesvereinigung und Krankenkassen legt fest, wie viele
Ärzte wo ansässig sein dürfen. Und ab Januar 2013 dürfen sich nach der
neuen Planung bundesweit rund 3.000 Hausärzte zusätzlich niederlassen. So
soll für mehr Hausärzte in ländlichen Regionen gesorgt werden.
„Aber unser Problem ist, Nachwuchs für die ländlichen Regionen zu finden“,
sagt Detlef Haffke von der Kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen
(KVN). Schon jetzt könnten sich in Niedersachen 360 Hausärzte zusätzlich
niederlassen. „Aber die Hausärzte knubbeln sich in den Städten“, sagt
Haffke. Schließe ein Landarzt seine Praxis, fände sich oft kein Nachfolger.
In den nächsten zwölf Jahren werden in Niedersachsen über 4.200 Ärzte in
den Ruhestand gehen.
„Niedersachsen ist als Flächenland besonders betroffen“, sagt Martina
Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen. Es müsse ein
Maßnahmenpaket her, um für jede Region mit zu wenig Ärzten eine Lösung zu
finden. Eine dieser Maßnahmen ist das Modellprojekt „Zukunftsregionen
Gesundheit“ in den Landkreisen Emsland, Heidekreis und Wolfenbüttel.
Im Frühjahr 2013 beispielsweise soll in Wolfenbüttel eine „Rollende
Arztpraxis“ starten, ein Kleinbus, mit dem wechselnde Ärzte Hausbesuche
machen oder auch mal auf Marktplätzen Halt machen.
Mediziner, die ihr praktisches Jahr in einer Landarztpraxis absolvieren,
unterstützen das Land Niedersachsen und die KVN mit bis zu 600 Euro im
Monat. „Und wir geben jungen Ärzten, die sich in unterversorgten Regionen
niederlassen, eine Einnahmegarantie, damit sie so viel verdienen wie ihre
Kollegen in der Stadt“, sagt Detlef Haffke. In Vechta und Schneverdingen
übernehmen Krankenschwestern im Rahmen eines Modellprojekts Hausbesuche und
entlasten so die Mediziner.
Ein anderer Ansatz wird an der Uni in Oldenburg erprobt. Hier wurde das
erste Mal seit 20 Jahren in Deutschland wieder eine medizinische Fakultät
gegründet – in Kooperation mit dem niederländischen Groningen. Am 1.
Oktober haben 40 Studierende ihre Ausbildung an der European Medical School
Oldenburg-Groningen (EMS) begonnen, gut die Hälfte kommt aus der Region um
Oldenburg. Ziel ist, Allgemeinmediziner für die Region auszubilden. Ab dem
ersten Semester sind daher Praktika nicht nur in den drei städtischen
Kliniken vorgesehen, sondern auch bei niedergelassenen Hausärzten –
Hausbesuche und Betreuung von Heimpatienten inklusive.
Einige Arztpraxen haben Stipendien für die Studierenden bereitgestellt und
medizinisch unterversorgte Landkreise wie beispielsweise Wittmund
unterstützen Studierende mit 50 Euro im Monat. Außerdem stehen auf dem
Lehrplan Gespräche mit Patienten, Sozialmedizinern, Pfarrern oder
Psychologen.
Durch diese Praxisnähe hofft man, die angehenden Ärzte für die
Allgemeinmedizin auf dem Land zu motivieren. „Das ist positiv zu bewerten“,
sagt Haffke, und die Resonanz der Hausärzte, bei denen die Praktika
absolviert werden sollen, war groß. Auf einer ersten Infoveranstaltung
waren gut 200 Hausärzte aus Emden, Leer oder Vechta, mit rund 100
kooperiert die Uni Oldenburg nun.
27 Dec 2012
## AUTOREN
Ilka Kreutzträger
## TAGS
Ärztemangel
Kassenärztliche Bundesvereinigung
Ärzte
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