# taz.de -- Kommentar Landärztemangel: Placebo mit Nebenwirkungen | |
> Der Vorstoß des Gesundheitsministers ist erneut saubere Klientelpolitik: | |
> Die ohnehin schon gut verdienenden Ärzte bekommen noch mehr Geld. | |
Der Landärztemangel in vielen Regionen ist seit Langem bekannt, er wird von | |
Jahr zu Jahr dramatischer. Es muss sich schleunigst etwas ändern. Aber | |
hilft das "Versorgungsstrukturgesetz", an dem vor Daniel Bahr schon andere | |
GesundheitsministerInnen herumgedoktert haben, das Problem zu lösen? | |
Sicher werden so ein paar Ärzte ermuntert, aufs Land zu ziehen - vor allem | |
solche, die dort geboren sind und in ihre Heimat zurückwollen. Manche | |
Regionen locken junge Medizinstudenten bereits mit Sonderstipendien und | |
anderen Vergünstigungen. Aber die Masse wird sich nach wie vor in Städten | |
nach freien Stellen und Praxen umsehen. | |
Denn junge Ärztinnen und Ärzte haben häufig eine Familie, mit Kindern und | |
vielen Wünschen - nach umfassender Kinderbetreuung, einem sozialen Umfeld | |
(auch für die Kinder), guten Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und kulturellem | |
Leben. All das gibt es in vielen ländlichen Gegenden zu wenig oder gar | |
nicht. | |
Das neue Gesetz erlaubt den jungen Ärzten nun zwar, in der Stadt zu wohnen | |
und auf dem Land zu arbeiten. Das aber bedeutet lange Fahrtwege und weniger | |
Zeit für die Familie. Und welche junge Frau oder welcher junge Mann möchte | |
heute mit aufs Land ziehen, wenn der Partner Arbeit hat, man selber dort | |
aber keinen Job findet? Das Landarztproblem ist im weitesten Sinne ein | |
Landstrukturproblem. Und das wird ein Gesetz wie dieses kaum lösen können. | |
Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass der Vorstoß des | |
Gesundheitsministers erneut saubere Klientelpolitik ist: Die ohnehin schon | |
gut verdienenden Ärzte bekommen noch mehr Geld. Und die Kosten, die das | |
Gesetz verursacht, tragen die Patienten - über höhere Krankenkassenbeiträge | |
und höhere Zusatzversicherungen. | |
3 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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