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# taz.de -- Zu wenige Mediziner auf dem Land: Flächendeckende Anreize
> Das Versorgungsstrukturgesetz soll den Ärztemangel in Randlagen beheben.
> Krankenkassen und Gewerkschaften kritisieren es als "Zeugnis
> beispielloser Klientelpolitik".
Bild: Brandenburgs Landvolk ist froh, wenn es dieses Schild entdecken kann.
BERLIN taz | In den Städten gibt es zu viele, auf dem Land zu wenig Ärzte.
Um das zu ändern, hat die Bundesregierung am Mittwoch das sogenannte
Versorgungsstrukturgesetz beschlossen. Das sieht unter anderem finanzielle
und praktische Vergünstigungen für Medizinerinnen und Mediziner vor, die
sich künftig in ländlichen Regionen niederlassen.
Bislang werden die Arzthonorare ab einer bestimmten Anzahl von behandelten
Patienten gekappt. Diese Regelung soll künftig bei Fachkräften auf dem Land
nicht mehr gelten. Landärzte sollen für alle Patienten gleich viel Geld
bekommen. Darüber hinaus sollen sie weitere "Zuschläge" erhalten,
beispielsweise für Arzneimittel. Denn auch bei der Verschreibung von
Medikamenten gibt es eine Obergrenze. Wer mehr verordnet, als das Budget
vorgibt, zahlt drauf. Darüber hinaus ist die "Residenzpflicht" aufgehoben:
Junge Ärzte können auf dem Land arbeiten und in der Stadt wohnen.
Das neue Honorarsystem soll "Anreize schaffen, damit sich junge Mediziner
in der Fläche niederlassen", sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr
(FDP). Wie hoch die künftigen Landarzthonorare sein sollen, regelt das
Gesetz nicht. "Das wird mit den Kassenärztlichen Vereinigungen im
Einzelfall verhandelt", sagte Bahr.
In den kommenden Jahren werden nach Schätzung der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung 7.000 Ärzte fehlen, 3.600 Stellen auf dem Land könnten
schon jetzt sofort besetzt werden. Die liegen in der Regel in
strukturschwachen Gegenden wie dem niedersächsischen Wendland oder in
dünnbesiedelten Regionen, die zudem eine hohe Arbeitslosigkeit haben. Im
oberbayerischen Landkreis Starnberg hingegen gibt es mehr Ärzte, als
gebraucht werden.
Das Land Brandenburg, wo die Not am größten ist, hat schon vor längerer
Zeit reagiert. Um junge Fachkräfte anzulocken, sponsert beispielsweise der
Elbe-Elster-Kreis Medizinstudenten mit monatlich jeweils 500 Euro. Im
Gegenzug müssen die sich dazu verpflichten, nach ihrem Studium und der
fünfjährigen Facharztausbildung für mindestens vier Jahre im Landkreis zu
arbeiten. Ähnliche Programme gibt es auch in Sachsen und in Sachsen-Anhalt.
## Höhere Kosten für Patienten erwartet
Das Gesundheitsministerium schätzt, dass die Maßnahmen zusätzlich 200
Millionen Euro kosten. Außerdem sollen auch Zahnärzte mit 120 Millionen
Euro bedacht werden. Die Ärzte in den Ballungsgebieten haben nicht mit
Kürzungen zu rechnen. Der Medizinerüberschuss dort werde durch "natürlichen
Abbau" geregelt: Kassenärztliche Vereinigungen erhalten ein Vorkaufsrecht,
wenn ein Arzt seine Praxis verkaufen will.
Daniel Bahr hatte sein "Versorgungsstrukturgesetz" kaum verkündet, da wurde
es massiv kritisiert, vor allem von Krankenkassen und Gewerkschaften. Als
ein "Zeugnis beispielloser Klientelpolitik" bezeichnete Annelie Buntenbach,
Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds, das Papier: "Statt die
Gesundheitsversorgung für die Patienten zu verbessern, will die Koalition
die Ärzte und Zahnärzte mit höheren Honoraren versorgen." Andere Kritiker
erwarten höhere Kosten für Patienten. Minister Bahr versicherte zwar, dass
sowohl die Kassenbeiträge als auch der Sozialausgleich "unberührt bleiben".
Er räumte aber ein, dass sich "Zusatzkosten über die Zusatzbeiträge
regeln".
Das Gesetz wird nach der Sommerpause in Bundestag und Bundesrat behandelt.
Ob es überhaupt wirkt, soll 2014 überprüft werden. Darüber hinaus hatte
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) darauf bestanden, dass im Gesetz ein
Passus verankert wird, wonach Bahr eventuelle Mehrkosten durch Einschnitte
im Gesundheitssystem ausgleichen muss.
3 Aug 2011
## AUTOREN
Simone Schmollack
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