# taz.de -- Rohingya in Bangladesch: Eine Sandbank für die Flüchtlinge | |
> Tausende Rohingya sind aus Birma nach Bangladesch geflüchtet. Die | |
> Regierung will sie auf einer kleinen Insel unterbringen, die als | |
> unbewohnbar gilt. | |
Bild: Gut genug für Flüchtlinge? Sicherheitskräfte auf der Insel Thengar Char | |
BERLIN taz | Die Regierung von Bangladesch bittet um Hilfe. Sie will die | |
Lage der in den südlichen Landesteil geflohenen Menschen aus dem | |
benachbarten Birma (Myanmar) verbessern. Zumindest behauptet sie das. Dafür | |
lud Bangladeschs Außenminister am Sonntag die Vertreter von 60 Staaten und | |
Organisationen ein und forderte sie zur Unterstützung der Regierung in | |
Dhaka auf. | |
In den letzten Jahrzehnten sind mehrere Hunderttausend Angehörige des | |
muslimischen Volkes der Rohingya aus dem überwiegend buddhistischen Birma, | |
wo ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert wird, nach Bangladesch geflohen. | |
Zwischenzeitlich kehrten manche Rohingya wieder nach Birma zurück. Andere | |
flohen in die Golfstaaten oder nach Malaysia und Thailand weiter. Nachdem | |
Birmas Militär auf einen Überfall auf Grenzposten im Oktober mit einer | |
Politik der verbrannten Erde reagiert hatte, die manche auch als Genozid | |
bezeichnen, setzte eine neue Fluchtwelle ein. | |
Nach UN-Angaben sind seitdem noch einmal 66.000 Rohingya nach Bangladesch | |
geflohen, weitere 20.000 sind innerhalb Birmas auf der Flucht. In Birma | |
weigern sich die Behörden auch unter der jetzt von der | |
Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi geführten Regierung, die | |
Rohingya beim Namen zu nennen. Vielmehr pflegt auch sie die umstrittene | |
Bezeichnung „Bengali“. Das impliziert, dass es sich bei dieser | |
Bevölkerungsgruppe um illegale Einwanderer aus Bangladesch handelt. | |
Bangladesch sieht die Rohingya aber wie der überwiegende Rest der Welt als | |
Bürger Birmas an – und will sie auch nicht haben. Für die UN sind die | |
Rohingya die meistverfolgte Minderheit der Welt. Andere Stimmen nennen sie | |
„die Palästinenser Südostasiens“. Bisher lebten schon zwischen 200.0000 u… | |
400.000 Rohingya – nicht selten illegal und rechtlos – in Bangladesch, | |
rund 33.0000 in Flüchtlingslagern im Distrikt Cox Basar nahe der Grenze. | |
Die neuen Flüchtlinge stehen in Bangladesch vor dem Nichts und brauchen | |
dringend Hilfe. Doch was macht die Regierung von Bangladesch? Sie greift | |
jetzt eine Idee wieder auf, die ihr 2015 zum Glück schon einmal ausgeredet | |
werden konnte. Die Regierung in Dhaka will jetzt mehrere Zehntausend | |
Rohingya auf einer unbewohnten Insel im Golf von Bengalen unterbringen. | |
## Strategie Abschreckung | |
Die 2.430 Hektar große Insel Thengar Char gibt es erst seit rund zehn | |
Jahren. Sie ist eine Art Sandbank und galt bisher als unbewohnbar. Sie ist | |
mit dem Boot zwei Stunden von der nächsten Ansiedlung entfernt und dient | |
allenfalls Piraten als Rückzugsgebiet. Vor allem steht sie bei Stürmen und | |
in der Monsunzeit regelmäßig unter Wasser. | |
Angesichts ihres zynischen Plans ist es geradezu löblich, dass Bangladeschs | |
Regierung einsieht, dass die Insel momentan noch keine Flüchtlinge | |
aufnehmen kann. Und auch dass Bangladesch Hilfe gut gebrauchen kann, um das | |
Schicksal der Flüchtlinge zu lindern. Ansonsten zeigt der Plan aber eine | |
Intention, die auch aus der Flüchtlingspolitik manch anderer Länder und | |
auch aus Europa bekannt ist: Abschreckung, Verhinderung der Integration und | |
Flüchtlinge möglichst außer Sichtweise bringen. Als wenn das Problem so | |
gelöst würde. | |
Bangladesch will mit der geplanten Gettobildung auch seinen Standpunkt | |
unterstreichen, dass die Rohingya nach Birma gehören und deshalb gar nicht | |
integriert werden sollen. Auch werden angebliche Gefahren beschworen, die | |
von den Flüchtlingen ausgehen würden. | |
Natürlich brauchen die Rohingya in Bangladesch auch internationale Hilfe. | |
Wer den Plan der Regierung in Dhaka, die Rohingya auf der Insel | |
anzusiedeln, unterstützt, macht sich zum Komplizen einer Politik, die die | |
Rohingya am liebsten im Meer versenken würde. | |
Dabei sollte nicht nur Bangladeschs Regierung von ihrem zynischen Plan | |
abgebracht, sondern auch Birmas Regierung und Militär zu einer Änderung | |
ihrer Minderheitenpolitik bewegt werden. Aung San Suu Kyi hat mit ihrer | |
Politik gegenüber den Rohingya schon ihrem einst exzellenten Ruf als | |
Vertreterin der Menschenrechte geschadet (im Inland weiß sie damit leider | |
einen Großteil der Bevölkerung hinter sich). Trotzdem ist die Kritik an ihr | |
jenseits von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen noch viel zu | |
verhalten. | |
6 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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