# taz.de -- Diskriminierung der Rohingya in Birma: Ohne Zuflucht | |
> Sie gelten als die am stärksten verfolgte Minderheit der Welt. Birmas | |
> Militär tötet sie, Zehntausende sind auf der Flucht. Woher kommt der | |
> Hass? | |
Bild: Der Fischer Mohammed Enus sitzt in Haft | |
Sittwe taz | Das Smartphone, das die Welt mit dem Unheil im Westen Birmas | |
verbindet, steckt in einer giftgrünen Plastikhülle. Es gehört Kyaw Hla | |
Aung. Jeden Tag erhält der 70-jährige Aktivist Berichte aus dem Gebiet, in | |
dem sich in den vergangenen Monaten womöglich ein Genozid vollzogen hat. | |
Das Telefon klingelt andauernd. Mal ist es die Nothilfekoordination der | |
Vereinten Nationen. Mal Amnesty International. Mal sind es besorgte | |
Angehörige. „Keine Sorge“, beschwichtigt Aung am Telefon, „der Ehemann i… | |
im Gefängnis in Sittwe. Sag ihr das. Ich habe das gerade eben erfahren. Er | |
lebt.“ | |
Kyaw Hla Aung gibt jeden Monat für Telefonkarten etwa 50 Euro aus, das ist | |
viel Geld in Birma. Unterstützt wird er dabei von | |
Menschenrechtsorganisationen, sein Tablet hat er von Amnesty | |
International bekommen. | |
Das birmesische Militär wird beschuldigt, Angehörige der muslimischen | |
Minderheit der Rohingya vergewaltigt, ermordet und ihre Häuser in Brand | |
gesteckt zu haben. Die Vereinten Nationen berichten von Frauen, die vor den | |
Augen ihrer Kinder von Soldaten vergewaltigt wurden, und von Kindern, die | |
sie erstachen, weil sie im Weg standen. Neben den Vereinten Nationen und | |
Menschenrechtsgruppen wiesen auch Friedensnobelpreisträger und zuletzt der | |
Papst darauf hin, dass sich in den vergangenen Monaten in dem Krisengebiet | |
eine „ethnische Säuberung“ vollzogen haben könnte. | |
Ein solcher Ausbruch von Gewalt ist selbst hier beispiellos, obwohl es in | |
Birmas Westen, im Teilstaat Rakhaing, seit Jahrzehnten Spannungen zwischen | |
Buddhisten und Muslimen gibt. Während im restlichen Teil Birmas nur etwa 3 | |
Prozent der Bevölkerung Muslime sind, sind es hier in Rakhaing 43 Prozent. | |
Die Birmesen haben Angst davor, von den Muslimen unterwandert zu werden. | |
Sie halten die Rohingya, die seit Generationen in Birma leben, für illegale | |
Einwanderer aus Bangladesch. Dokumente, die viele Rohingya noch immer | |
besitzen und die belegen, dass sie Staatsbürger waren, bis die | |
Militärregierung 1982 ein umstrittenes Einwanderungsgesetz verabschiedete, | |
werden ignoriert. | |
## Kein Zutritt für Journalisten | |
Woher kommt der Hass? Um dieser Frage nachzugehen, reise ich nach Sittwe, | |
in die Hauptstadt des Rakhaing-Staats, südlich des Konfliktgebiets. Das | |
Konfliktgebiet selbst ist seit Monaten für Journalisten unzugänglich – der | |
birmesische Staat erteilt keine Genehmigungen, um dorthin zu reisen. | |
Und selbst eine Reise nach Sittwe ist nicht ganz einfach zu organisieren. | |
Wir müssen Genehmigungen kaufen, um die Checkpoints passieren zu dürfen. | |
Ein Mittelsmann lässt sich seine verwandtschaftlichen Beziehungen in die | |
genehmigende Behörde von den Journalisten bezahlen. Er lächelt freundlich | |
und zeigt mir die Passkopien anderer Reporter, die in den kommenden Tagen | |
in Sittwe aufkreuzen werden. Längst sind die Camps ein Geschäft. | |
Den Aktivisten Kyaw Hla Aung treffen wir im Restaurant Peace, ein sozialer | |
Treffpunkt für Muslime in Sittwe. Er ist ein hochgewachsener Mann mit | |
grauem Haar und weißem Hemd. Vor dem Bretterverschlag, in dem sich die | |
Küche des Restaurants befindet, erstreckt sich eine weite Terrasse mit | |
blauen Plastikstühlen. | |
Der Aktivist ist einer der prominentesten Vertreter der Rohingya in Birma. | |
Mit Hilfe des giftgrünen Telefons setzt er seine Informationen zusammen wie | |
ein Puzzle. So dokumentiert er das Grauen und rekonstruiert Schicksale im | |
Krisengebiet, in das er nicht reisen darf – und zu dem lange Zeit auch | |
Hilfsorganisationen keinen Zutritt hatten. Ohnehin ist der Weg dorthin | |
beschwerlich, Straßen gibt es keine: Von Sittwe aus wäre man einen Tag mit | |
dem Boot unterwegs. | |
Aung ist Informationsknotenpunkt in einem Konflikt, von dem die Welt wenig | |
mitbekommt – und ohne ihn noch viel weniger wüsste. Seine Quellen sitzen | |
überall: in der Konfliktzone, in den Gefängnissen oder im Nachbarland | |
Bangladesch, wohin seit Oktober mindestens 70.000 Muslime geflohen sind. | |
## Einige sterben im Gefängnis | |
Dieser jüngste Exodus begann, nachdem muslimische Angreifer Anfang Oktober | |
neun birmesische Grenzschutzpolizisten getötet hatten, die an der Grenze zu | |
Bangladesch stationiert waren. Die birmesischen Behörden machen dafür | |
Rohingya-Rebellen verantwortlich und erklären, diese würden mit | |
Unterstützung arabischer Staaten im Ausland ausgebildet. Fast täglich | |
druckte die Regierungszeitung daraufhin Fotos von festgenommenen Muslimen | |
mit durchlöcherten Lumpen am Körper. Schätzungen zufolge harren derzeit | |
fast 600 von ihnen in den Gefängnissen in Rakhaing aus. Einige sind dort | |
gestorben – an Krankheiten, sagt die Regierung. | |
Die Regierung leugnet alle Menschenrechtsverletzungen. Der Vorsitzende | |
einer staatlichen Untersuchungskommission sagte in einem Interview mit der | |
BBC, Soldaten hätten gar kein Interesse daran, Rohingya-Frauen zu | |
vergewaltigen. Sie seien zu schmutzig. | |
Während Rohingya-Aktivisten wie Kyaw Hla Aung von Birmas Srebrenica | |
sprechen, berichtet etwa die Staatszeitung Global New Light of Myanmar von | |
den fröhlichen Menschen und der „ausgelassenen Stimmung“ in dem | |
Konfliktgebiet. | |
Min Min seufzt. Der nachdenkliche 27-Jährige ist Journalist, ein Buddhist | |
aus Sittwe. Ein dünner Haarreif hält ihm seine nackenlange schwarze Mähne | |
aus dem Gesicht. Er schreibt über das Leben der Menschen in den Lagern, | |
stellt Gerüchte klar und bringt in allen seine Geschichten sowohl die Sicht | |
der Buddhisten als auch die Sicht der Muslime ein. Mit seinen Artikeln will | |
er zwischen beiden Gruppen vermitteln. | |
Das war nicht immer so. Er hielt die Muslime für gefährlich. „Ich dachte, | |
die bringen mich um“, erzählt er bei einem Bier im River Valley, einem mit | |
bunten Laternen geschmückten Terrassenrestaurant in Sittwe. Auf der anderen | |
Straßenseite rollen die Wellen an den unerschlossenen Strand. Lange Zeit | |
habe er sich nicht zu den Muslimen in die Camps getraut, erzählt Min Min. | |
Dann begegnete er in Sittwes Krankenhaus einer hochschwangeren Rohingya, | |
die ihren Ehemann anrufen wollte. Er lieh ihr sein Handy. „Im Krankenhaus | |
wollten sie, dass die Frau mich dafür bezahlt. Sogar für eingehende | |
Anrufe.“ | |
Der Vorfall löste etwas in Min Min aus, der zuvor einige Jahre im Ausland | |
verbracht hatte. Er stellte eigene Nachforschungen in den Camps an und | |
änderte seine Ansichten. Das hat ihn einsam gemacht. „Meine Freunde | |
verstehen mich nicht mehr. Sie verstehen nicht, wieso ich mich mit den | |
Muslimen abgebe“, erzählt er. Am Nebentisch gießen sich Entwicklungshelfer | |
Whiskey nach. | |
Vor zwei Jahren berichtete der Journalist kritisch über die bewaffneten | |
buddhistischen Rebellen im Rakhaing-Staat. Radikale Buddhisten warfen | |
daraufhin eine Bombe auf sein Haus in Sittwe. Min Min zog mit seiner | |
Familie in Birmas größte Stadt Rangun. Noch immer sind von Unbekannten im | |
Internet 25.000 Dollar Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Er habe keine Angst, | |
sagt Min Min. Aber er fürchte sich davor, dass sein Sohn später in der | |
Schule für einen Vater gehänselt wird, der sich für Muslime einsetzt. | |
Dabei tut er das gar nicht. Alles was Min Min will, ist vermitteln. Das, | |
was ein guter Journalist seiner Meinung nach tun sollte. Sich nicht auf | |
eine Seite schlagen. | |
## Propaganda nährte den Rassismus | |
Birma ist ein Vielvölkerstaat. Die Vielfalt wird von der buddhistischen | |
Mehrheitsbevölkerung, den Bamar, mehr als Bedrohung denn als Reichtum | |
betrachtet. Andere Sprachen, Traditionen und Religionen passten nicht in | |
die Diktatur, die Birma fast ein halbes Jahrhundert lang war. Jahrzehnte | |
der Anti-Minderheiten-Propaganda durch die Militärjunta haben die Birmesen | |
fremdenfeindlich gemacht. | |
Wie die meisten Muslime in Rakhaing wohnt Kyaw Hla Aung, der Aktivist mit | |
dem grünen Smartphone, in einem abgesperrten Areal in Sittwe, das er nicht | |
ohne Weiteres verlassen darf. Wer von den Muslimen kein Glück hatte, lebt | |
seit 2012 unter noch trostloseren Bedingungen – in Flüchtlingslagern. | |
Damals, im Jahr 2012, als Birma sich gerade vorsichtig öffnete, führte das | |
Gerücht, eine Buddhistin sei von Muslimen vergewaltigt worden, zu einer bis | |
dahin beispiellosen Gewalteskalation. Menschen beider Religionsgruppen | |
brachten einander um, fast 200 Menschen starben. Ganze Stadtviertel wurden | |
abgebrannt. Die obdachlos gewordenen Menschen endeten in Lagern, wo über | |
hunderttausend von ihnen, die meisten Muslime, viele aber auch Buddhisten, | |
noch immer leben. | |
Normalerweise empfängt Kyaw Hla Aung Gäste bei sich zu Hause, in einer | |
Bambushütte in Sittwes muslimischer Zone. Das ist inzwischen zu gefährlich | |
geworden. „Die Polizei“, sagt er und winkt bedeutsam. Es wird nichts | |
helfen. Auch nach unserem Gespräch werden ihm Mitarbeiter des | |
Geheimdienstes einen Besuch abstatten. | |
Einer von ihnen schneidet unser Interview im Peace auf seinem Smartphone | |
mit. Ich entdecke ihn bald, nachdem ich mich zu Kyaw Hla Aung gesetzt habe. | |
Wenig dezent sitzt er schräg hinter uns am Nebentisch und richtet mit | |
verschränkten Armen sein Telefon auffällig unbeteiligt in unsere Richtung. | |
## Staaten- und rechtlos | |
Die Überwachung habe zugenommen, erzählt Kyaw Hla Aung. In den | |
Shuttlebussen, die zwischen den Flüchtlingslagern verkehren, fahren | |
inzwischen doppelt so viele Aufpasser mit, manche auch bewaffnet. Sein | |
Allerheiligstes hat der Aktivist deshalb nicht mit ins Peace gebracht: | |
vergilbte Dokumente, die belegen, dass seine Vorfahren einmal Staatsbürger | |
Birmas waren. Er ist es nicht mehr. 1982 wurde ihm mit dem | |
Einwanderungsgesetz der Militärregierung die Staatsbürgerschaft entzogen. | |
Die meisten der rund eine Million Rohingya in Rakhaing sind staaten- und | |
damit rechtlos. Schule, Job, Krankenhaus: Das alles ist für sie nur über | |
Genehmigungen erreichbar, für die sie Geld bezahlen müssen. Das haben die | |
meisten von ihnen nicht. | |
Der Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen in Rakhaing schwelt seit | |
Jahrzehnten und lähmt jede Entwicklung in dem Teilstaat. Mit seinen | |
Traumstränden und den Ölvorkommen könnte er einer der reichsten des Landes | |
sein. Stattdessen sind die Menschen hier so arm wie nirgendwo sonst in | |
Birma. | |
„Und zwar nicht nur die Muslime“, sagt David Mathieson. Der Schotte war bis | |
vor Kurzem Birma-Experte bei Human Rights Watch. Anfang des Jahres ließ er | |
die Aktivistenszene hinter sich und scheint darüber sehr glücklich zu sein. | |
Vieles von der Berichterstattung über die Rohingya nervt ihn. „Mit unserem | |
Fokus auf das Leid der Muslime schüren wir bei den Buddhisten nur noch mehr | |
Ablehnung.“ | |
## Die Birmesen fühlen sich bloßgestellt | |
Je länger die Regierung untätig blieb, desto deutlicher wurden in der | |
Vergangenheit die Menschenrechtsaktivisten in ihrer Rhetorik. Begriffe wie | |
Genozid, Konzentrationslager oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben | |
sich fast schon abgenutzt. Gleichzeitig wiegeln sie die buddhistische | |
Bevölkerung weiter auf. Der Rohingya wegen, so empfinden es die | |
buddhistischen Birmesen, sind sie wieder einmal vor der internationalen | |
Gemeinschaft bloßgestellt. | |
An der aussichtslosen Situation der Muslime und insbesondere der Rohingya | |
in Rakhaing hat auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi bislang | |
nichts geändert, die inzwischen Regierungschefin Birmas ist. Vor knapp | |
einem Jahr übernahm ihre Partei, die Nationale Liga für Demokratie, die | |
Regierungsgeschäfte. Die Partei stellte keinen einzigen muslimischen | |
Kandidaten auf. Beobachter vermuten dahinter Druck vonseiten | |
nationalistischer Mönche. | |
Während Aung San Suu Kyi in Zentralbirma wie eine Heilige verehrt wird, | |
gilt die 71-Jährige in den Randgebieten des Landes, wo die Minderheiten | |
leben, als bittere Enttäuschung. „Aung San Suu Kyi hat überhaupt keine | |
Macht, irgendetwas für uns zu bewegen“, sagt Rohingya-Aktivist Kyaw Hla | |
Aung. Das Militär hat die Demokratisierung zwar auf eigene Initiative | |
eingeleitet, sich über die Verfassung aber zentrale Machtbefugnisse | |
bewahrt, an denen Aung San Suu Kyi sich nun stößt. Sie hat keine Gewalt | |
über das Innenministerium, die Polizei oder das Militär. Gleichzeitig haben | |
sich die Militärs 25 Prozent der Parlamentssitze gesichert. | |
Bei einer Pressekonferenz im November 2015, also kurz vor den Wahlen, | |
erwiderte sie auf die Frage, was unter ihrer Regierung mit den Rohingya | |
passieren sollte: „Lassen Sie mich ein birmesisches Sprichwort bemühen: | |
Mach große Probleme klein und sorge dafür, dass die kleinen Probleme | |
verschwinden.“ Aung San Suu Kyi bittet sich Zeit aus, die Krise zu lösen. | |
Kyaw Hla Aung, der Mann mit dem giftgrünen Telefon, findet das zynisch. Die | |
Rohingya haben keine Zeit, sagt er. Sie werden gerade umgebracht. | |
Im Sommer ließ Aung San Suu Kyi die Rakhaing-Kommission gründen und lud | |
ihren Nobelpreiskollegen Kofi Annan, den ehemaligen Generalsekretär der | |
Vereinen Nationen, ein, sie zu leiten. Das Ziel: Ratschläge für die | |
Regierung zu erarbeiten, wie der Konflikt gelöst und Entwicklung nach | |
Rakhaing gebracht werden könnte. Dort hat Aung San Suu Kyi sich unter den | |
Buddhisten mit ihrem diplomatischen Manöver keine Freunde gemacht. | |
## Keine Einmischung von außen | |
An einem Freitag im Dezember, als Kofi Annan und seine Kommission auf dem | |
Flughafen von Sittwe landen, warten auf der Zugangsstraße schon die | |
Demonstranten: Studenten, Bauern, nationalistische Mönche. „Keine | |
Einmischung von Ausländern in unsere Angelegenheiten!“, skandieren sie, als | |
die von der Polizei eskortierte Autokolonne mit Annan vorbeizieht. Vor | |
Kurzem präsentierte die Kommission ihre ersten Vorschläge: Die Muslime | |
sollen sich frei bewegen dürfen, sie sollen in der Zivilgesellschaft | |
repräsentiert werden und alle neugeborenen Rohingya sollen birmesische | |
Staatsbürger werden. Die birmesischen sozialen Netzwerke quollen über mit | |
Hasskommentaren. Jetzt hat der UN-Menschenrechtsrat entschieden, dass es | |
eine UN-Untersuchung in Rakhaing geben soll. | |
In einem Teeladen in einem ruhigen, grünen Wohnviertel von Sittwe treffe | |
ich einen älteren Buddhisten aus dem Rakhaing-Staat, der ein Buch über die | |
Kultur der Rakhaing geschrieben hat. Er möchte nicht, dass sein Name in der | |
Zeitung steht und mit dem Konflikt in Zusammenhang gebracht wird – zu | |
gefährlich. Deshalb nennen wir ihn Mister Mung. Mit seinem schneeweißen | |
Haar und dem runden Gesicht sieht er aus wie ein freundlicher Großvater. Es | |
gibt Tee mit süßer Kondensmilch. | |
Ob es denn nicht unfair sei, dass die Muslime in ihre Lager eingesperrt | |
seien, während die Buddhisten sich frei bewegen dürften, frage ich ihn. „Es | |
wäre zu gefährlich, die Kalaw aus den Camps zu lassen“, flüstert mir Mister | |
Mung verschwörerisch zu. Mit Kalaw – Dunkle oder Fremde – werden in Birma | |
abschätzig Muslime bezeichnet. Ich selbst bin für die Rakhine eine Kalaw | |
Pyu, eine weiße Dunkle, ein Fremdkörper. | |
Auf dem Bildschirm meines Fotoapparats zeige ich dem alten Mann ein Foto | |
von Noor. Ich habe ihn am Tag zuvor in einem der muslimischen Camps | |
entdeckt. Noor ist ein Monat alt. Seine Großmutter wiegt ihn in ihrem | |
Schoß, schützend hält sie ihre zerfurchte Hand an sein Köpfchen, das viel | |
zu groß wirkt im Vergleich zu dem ausgemergelten Körper des Säuglings. An | |
seiner Schläfe zeichnen sich dicke Adern ab. Er atmet schwer, kann seine | |
Augen kaum öffnen. | |
## Angst vor medizinischer Hilfe | |
Krankenhäuser befinden sich jenseits der Checkpoints und sind daher für | |
viele Rohingya nur mit Genehmigungen zu erreichen. Die Schmiergelder dafür | |
können sich die wenigsten leisten. Viele haben außerdem Angst vor | |
medizinischer Hilfe. Immer wieder kursieren in den Lagern Gerüchte darüber, | |
wie Muslime in Sittwes Krankenhaus auf mysteriöse Art ums Leben kommen. | |
Viele Muslime lehnen Impfungen ab, aus Angst, es könnte sich um | |
Giftspritzen von Buddhisten handeln. | |
Mister Mung wirft einen Blick auf meinen Kamerabildschirm, dann schiebt er | |
den Apparat weg. „Haben die Muslime keine Menschenrechte?“, frage ich. | |
„Bevor wir über Menschenrechte reden, müssen wir unsere Rasse beschützen�… | |
sagt er. | |
Auch mein Übersetzer ist Muslim. Er kommt allerdings aus einem anderen Teil | |
Birmas, aus der Stadt Rangun. Sein Name ist Cape, er ist Anfang 20, Typ | |
Sonnyboy. Ich habe ihn im Vorfeld der Recherche mehrfach gefragt, ob er | |
wirklich mitkommen möchte nach Rakhaing. Ein muslimischer Kollege von uns | |
wird seit seiner Reise in den Teilstaat auf Facebook regelmäßig bedroht. | |
„Wir wollen Frieden“, erklärt mir Mister Mung. Aber mit den Muslimen, | |
diesen notorischen Störenfrieden, gehe das nicht. Seit der Gewalt von 2012 | |
habe er mit keinem Einzigen von ihnen mehr gesprochen. Es sei ihm auch | |
nicht danach, erzählt er und lächelt Cape dabei freundlich an. | |
28 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Verena Hölzl | |
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