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# taz.de -- Religionspolizei in Malaysia: Zwei Gin Tonic reichen
> Ministerpräsident Najib Razak will sich mit der Stärkung des islamischen
> Rechts profilieren. Er selbst steckt seit 2015 tief in einem
> Korruptionsskandal.
Bild: Islamisten demonstrieren in Kuala Lumpur für das Hudud-Gesetz
Kuala Lumpur taz | Nazir ist genervt. „Was ich mache, ist doch meine
Privatsache“, sagt der 31-jährige malaysische Muslim in einem Café in Kuala
Lumpur. Wenige Tage zuvor war er in einer Schwulenkneipe von der
Religionspolizei festgenommen worden, weil er zwei Gin Tonic getrunken hat.
„Erfährt mein Arbeitgeber von der Festnahme, bin ich meinen Job los.“
Deshalb will er seinen wahren Namen auch nicht in der Zeitung lesen.
Malaysias Politik und Gesellschaft sind streng ethnisch und religiös
organisiert. Die Mehrheitsethnie der muslimischen Malaien genießt gegenüber
den chinesisch- und indischstämmigen Malaysiern politische, wirtschaftliche
und soziale Privilegien, muss dafür aber treu und kritiklos zur größten
Regierungspartei Umno (United Malays National Organisation) stehen. In ihr
dürfen nur ethnische Malaien Mitglied sein.
Regiert wird das Königreich seit der Unabhängigkeit 1957 von der Nationalen
Front. Wie wenig darin die kleinen chinesischen und indischen Parteien mit
ihrer buddhistischen, hinduistischen und christlichen Anhängern zu melden
haben, zeigt die Debatte um das islamische Strafrecht Hudud. Das will die
Umno mit der kleinen islamistischen Oppositionspartei PAS durchsetzen. Es
stärkt die Schariagerichte. An sie müssen sich Muslime schon jetzt in
religions- und familienrechtlichen Fragen wenden. Die Schariagerichte
könnten mittels Hudud-Gesetz drakonische Strafen für Homosexualität,
Ehebruch oder Abkehr vom Islam verhängen.
Regierungs- und Umno-Chef Najib Razak steckt seit 2015 tief im schwersten
Korruptionsskandal des Landes. Milliarden sind aus dem ihm unterstehenden
staatlichen Investitionsfonds 1MDB verschwunden. Fünf Länder ermitteln. Der
Kurs der Landeswährung Ringgit ist abgestürzt, die Preise für Lebensmittel
und Benzin sind gestiegen. Mit der Hudud-Initiative will sich Najib als
Verteidiger des zunehmend vom saudischen Wahhabismus beeinflussten Islam
profilieren und von der Korruption ablenken. Er will verhindern, dass
konservative ländliche Muslime zu der aus moderaten islamischen,
malaiischen und der chinesisch dominierten Opposition überlaufen. Das
urbane Malaysia verlor die Umno schon bei den letzten Wahlen.
Vieles deutet darauf hin, dass Najib sein Heil noch in diesem Jahr in
Neuwahlen suchen könnte. Er darf sie kurzfristig ansetzen. „Hudud ist dabei
ein weiteres Instrument zur islamischen Indoktrinierung der malaiischen
Muslime“, sagt der politische Karikaturist Zunar. „Die Gehirnwäsche fängt
schon in der Schule an. Religiöse und ethnische Minderheiten, vor allem
Chinesen, werden schlechtgeredet. Die Freitagspredigten in den Moscheen
verfasst die Islambehörde zentral“, sagt Zunar. Gegen ihn selbst sind
allein neun Anklagen wegen Volksverhetzung anhängig.
Zum Wahlkampfinstrumentarium gehört auch Hetze gegen Schwule und Lesben.
PAS-Politiker erklärten Homosexualität zum „nationalen Sicherheitsrisiko“.
Gemeint ist der Oppositionsführer Anwar Ibrahim. Bei einem Sieg der
Opposition nämlich könnte der wegen angeblicher Homosexualität zu fünf
Jahren Haft verurteilte Politiker Premierminister werden.
Mit der Umno hat Nazir nichts am Hut. Gin Tonic will er nur noch in der
Amüsiermeile Jalan Changkat Bukit Bintang trinken. „Die Religionspolizei
kommt dort nicht hin, weil jemand seine schützende Hand darüber hält.“
Gegen umgerechnet 630 Euro Kaution ist Nazir auf freiem Fuß. Bis zum
Prozess vor dem Schariagericht muss er sich alle drei Monate bei der
Religionsbehörde melden.
28 Mar 2017
## AUTOREN
Michael Lenz
## TAGS
Malaysia
Scharia-Polizei
Rechte
Najib Razak
Malaysia
Malaysia
Jean-Luc Mélenchon
Kim Jong Un
Nordkorea
Rohingya
Schwerpunkt Pressefreiheit
Malaysia
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