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# taz.de -- Frauen gratulieren „Emma“ zum 40.: Konstruktive Glückwünsche
> Sieben Frauen, sieben Feministinnen. Sie alle sind irgendwie mit der
> „Emma“ großgeworden. Zu deren Geburtstag wollen sie auch was loswerden.
Bild: Nach 40 Jahren „Emma“ sieht der Feminismus ein bisschen anders aus �…
## „Das Stereotyp der Feministin“
Dass ein Magazin als Synonym für seine Gründerin und Chefredakteurin steht
– wer hat das schon geschafft außer Alice Schwarzer? Aber ist das etwas,
was feministischen Anliegen heute hilft? Das Stereotyp der Feministin hat
sich kaum geändert. Sie ist unbequem und von allem ein bisschen zu viel: zu
radikal, zu ungeduldig, zu anspruchsvoll.
Daher haben Feministinnen es nach wie vor schwer, im Diskurs als die
Expertinnen wahrgenommen zu werden, die sie sind – dabei ist es heute wie
damals bei der Gründung der Emma wichtig, dass möglichst viele
feministische Expertinnen ihr Wissen und ihre Ideen weitertragen können –
sei es in Interviews, in Talkshows, auf Konferenzen oder in sozialen
Netzwerken. Alice Schwarzer kann das Wissen, das sich in 40 Jahren Emma
angesammelt hat, nicht allein weitertragen.
Daher bedaure ich, dass Emma nicht zu einer Plattform geworden ist, die
viele Feministinnen zu einer so starken öffentlichen Person gemacht hat,
wie es Schwarzer selbst ist. Dass die Emma nicht zu einer Bühne von
intellektuellen, aktiven und mitreißenden Frauen geworden ist, die
miteinander streiten. Ich bedauere, dass das Blatt lieber junge
Feministinnen diskreditiert, die das Netz für Aktivismus nutzen, als zu
sehen, dass die Women’s Marches ohne digitale Vernetzung kaum möglich
gewesen wären.
Es gäbe viel zu gewinnen mit einer Strategie der feministischen
Vielstimmigkeit, mit der es plötzlich normal wäre, dass in den deutschen
Talkshows nicht wie jedes Mal eine Frau und vier Männer sitzen, sondern
immer öfter auch vier Frauen und ein Mann, vielleicht sogar drei davon
Feministinnen. Vielleicht erkennt die Emma ja noch, dass das Älterwerden am
schönsten in einer Großfamilie ist, in der Oma und Enkelin übereinander
denken: „Das versteh ich jetzt nicht, aber vielleicht erklärt sie es mir,
und wenn wir immer noch anderer Meinung sind, trinken wir zumindest einen
Schnaps zusammen.“
Teresa Bücker, 32, leitet das Webmagazin „Edition F“
## „Mit Streitlust viel bewegt“
Emma ist seit 40 Jahren das meinungsstarke Medium, das sich mit
feministischem Blick in gesellschaftliche Debatten einmischt – emanzipiert,
fordernd, oft unbequem, oft kontrovers. Die Gründerin und Herausgeberin
Alice Schwarzer hat mit ihrer Streitlust viel bewegt. Die Frauen in
Deutschland haben ihr viel zu verdanken. Einig sind wir uns im Ziel einer
geschlechtergerechten Gesellschaft, auch wenn wir bei den Maßnahmen nicht
immer übereinstimmen.
Elke Ferner, 58, Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen
## „ ‚Emma‘ ist nicht ‚der Feminismus‘ “
Als ich die Emma als junge Frau in den 80ern kennenlernte, tat sich mir
eine neue Welt auf. Die Radikalität, mit der Alice Schwarzer die
Geschlechterkonventionen auseinandernahm, fand ich höchst befreiend und
inspirierend. Insofern kann ich sagen, dass die Emma mich zur Feministin
gemacht hat – und dafür bin ich immer noch dankbar. Ich hatte die Emma dann
einige Jahre lang abonniert, aber mit der Zeit fingen mich die Themen zu
langweilen an. Schon damals ging es sehr häufig um Islam und Pornografie
oder Prostitution. Die Geschichten über „starke Frauen“, die sich in der
Männerwelt behaupteten, fand ich angesichts der bestehenden Verhältnisse zu
unkritisch. Und die Polemik gegen andere feministische Strömungen stieß mir
unangenehm auf.
Als ich dann ältere Feministinnen kennenlernte, die von den vielfältigen
Anfangszeiten der Frauenbewegung erzählten und entsprechende Literatur
empfahlen, hörte ich auf, die Emma zu lesen. Heute denke ich, dass der
Erfolg der Emma gleichzeitig auch ihr Dilemma ist: In den 80ern und 90er
Jahren wurde die Zeitschrift, auch durch die mediale Sichtbarkeit
Schwarzers, praktisch als das „Zentralorgan“ des Feminismus in Deutschland
wahrgenommen. Aber die Frauenbewegung kann kein Zentralorgan brauchen.
Feminismus ist inhärent pluralistisch, denn sein wesentliches Anliegen ist,
Frauen als Akteurinnen ernst zu nehmen.
Und „die Frauen“ haben nun mal keine einheitlichen Interessen und Anliegen.
Nicht nur weil sie unterschiedliche soziale Positionen haben; sondern auch
weil sie sich als politische Individuen eben so oder so entscheiden, diese
oder jene Ansicht vertreten. Eine Frauenbewegung, die politisch stark sein
will, muss diesen Differenzen und Konflikten einen Raum bieten. Inzwischen
ist die feministische Vielfalt zum Glück in der öffentlichen Wahrnehmung
angekommen. Damit wird deutlich, dass die Emma für eine bestimmte
politische Richtung steht und nicht „den Feminismus“ an sich repräsentiert.
Leider reagiert sie darauf eher unsouverän. Ich finde, das hätte sie
eigentlich nicht nötig.
Antje Schrupp, 52, Journalistin, Autorin und Bloggerin
## „Geht’s noch?“
Schon als Jugendliche habe ich die Emma gelesen. Sie ist und war ein
wichtiges Sprachrohr für Emanzipation und ein zentrales Magazin innerhalb
der Frauenbewegung. Gerade deshalb hat sie auch eine große Verantwortung,
die sie aktuell nicht genug wahrnimmt. Wie kann es sein, dass in der
Jubiläumsausgabe, die in einem Monat erschien, in dem ein sexistischer,
übergriffiger Frauenhasser als US-Präsident vereidigt wird, ein
Kampfartikel gegen junge Feministinnen erscheint? Geht’s noch?
Statt andere Feministinnen zu beleidigen, wäre es die Aufgabe, gemeinsam
gegen Antifeminist*innen wie Trump, die AfD oder den Front National
vorzugehen. Und auch die Emma-Kampagnen gegen Feministinnen, die
Prostitution nicht verbieten wollen oder Kopftuch tragen okay finden, sind
oft ausgrenzend und mit unseriösen Zahlen gespickt. Gerade von einem
feministischen Leitmedium erwarte ich aber, dass es den verschiedenen
Feminismen Raum gibt, statt sie zu verurteilen.
Sexismus und Rassismus sind oft miteinander verschränkt. Darum sollte der
Kampf für Frauenrechte auch ein Kampf gegen Rassismus sein. Das gemeinsame
Ziel muss sein, entschieden gegen Sexismus, Rassismus und Frauenverachtung
vorzugehen. Ich wünsche mir von der Emma mehr Offenheit für andere
Sichtweisen als die eigene und mehr Bemühen um Solidarität unter
Feministinnen. Nur so werden wir es schaffen, dem antifeministischen
Rollback etwas entgegenzusetzen.
Gesine Agena, 29, frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen
## „Mutig, klar, provokativ“
Emma hat immer den Mut gehabt, Positionen zu vertreten, für die sie
angegriffen wurde: Vergewaltigung in der Ehe, Paragraph 218 StGB, Gewalt
gegen Frauen, Gleichberechtigung in Familie und Beruf … Besonders
beeindruckt hat mich in den vergangenen Jahren, dass Emma es gewagt hat,
Prostitution als „moderne Sklaverei“ zu bezeichnen. Dafür musste sich die
Zeitschrift heftig kritisieren lassen, aber sie bei ihrem Standpunkt
geblieben. Chapeau!
Und weiter so! Denn in puncto Gleichberechtigung gibt es noch einiges zu
tun: Gewalt und Unterdrückung sind für viele Frauen in aller Welt Alltag;
was die Lebenswirklichkeit in Beruf und Familie angeht, divergieren
Frauenwunsch und -wirklichkeit noch enorm, etwa bei der Verteilung von
Berufs- und Hausarbeit; auch beim Anteil von Frauen in Führungspositionen
ist – trotz aller Fortschritte – noch Luft nach oben.
Zum 40. Geburtstag wünsche ich Emma und uns, dass sie so mutig und klar,
aber auch so provokativ bleibt wie bisher. Und mir, dass noch viel mehr
Männer sie lesen – manchmal bringt ein Perspektivwechsel überraschende
Erkenntnisgewinne!
Nadine Schön, 33 Jahre, Frauengruppe in der CDU-Bundestagsfraktion
## „Bitchiger Glückwunsch“
Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass die Emma und Alice Schwarzer
nicht meinem Lebensweg beeinflusst hätten. Dafür möchte ich einen bitchigen
Glückwunsch an Big Mama Schwarzer und ihre Crew aussprechen! Ich
respektiere Schwarzers bisherige Taten und Errungenschaften, vor allem fand
ich ihre Aktionen in den 70ern mutig und vorbildlich. Als sie den Stern
für seine sexistischen Darstellungen verklagte oder mit Verona Feldbusch
öffentlich diskutierte – das ist mutig, wenn eine Frau zu ihrer Haltung
steht, trotz Mainstream und Hatestorm.
Aber ich habe auch einiges zu kritisieren, Frau Schwarzer, etwa Ihre
Haltung zu Kopftuch und Islamismus. Meinen Sie etwa, dass junge Bitches,
die sich mit Frauen- und Queerthemen beschäftigen, nicht gegen
Ungerechtigkeiten, frauen- und queerfeindlichen Islamismus und Rassismus
sind? Doch, das sind wir. Aber wir sind auch gegen Pauschalisierungen, die
die muslimische Kopftuchträgerin par excellence zur „Unterdrückten“ oder
„Islamistin“ erklärt. Bei dieser Debatte haben Sie in Zeiten des
Rechtspopulismus mit dafür gesorgt, dass in Deutschland eine
undifferenzierte Sicht vorherrscht.
Sie wissen doch auch, dass nicht alle Kopftuchträgerinnen gleich sind. Und
dass frau immer differenzieren muss, ob und wie diese Frau sozialisiert
ist, welches Weltbild und religiöses Verständnis sie pflegt. Das Kopftuch
kann alles sein: Zeichen der Integration, weil es vielen jungen
demokratisch denkenden Kopftuchträgerinnen wichtig ist, dass sie als
deutsche Musliminnen in dieser Gesellschaft teilhaben. Das Kopftuch ist ein
Zeichen des Islams, und dabei sollte man genau hinschauen, was für einen
Islam die jeweilige Trägerin lebt und teilt.
Wenn islamistische Tendenzen nachweisbar sind, na klar, dann muss man
darüber sprechen, darf das nicht schönreden. Aber man sollte diesen Frauen
auch nicht emanzipatorische Haltungen und Errungenschaften absprechen, wenn
sie vorhanden sind. Ich finde Ihre Haltungen zu Kopftuch, Islam und
Islamismus immer wieder einseitig und polemisch, Frau Schwarzer, darüber
müssen wir sprechen. Und Ihre Sicht auf Frauen mit Migrationsbiografie
lässt auch zu wünschen übrig, ich fühle mich von Ihrem Feminismus oft nicht
einbezogen. So let’s talk about facts, Baby!
Lady Bitch Ray aka Dr. Reyhan Şahin, 36, Rapperin und Linguistin
## „Aktualisierung verpasst“
Die Emma war vor 40 Jahren an sich schon etwas Einzigartiges, und auch ihre
wechselnden Themen stellten Tabubrüche dar – ob es nun um
Schwangerschaftsabbrüche oder Gewalt gegen Frauen ging. Damit war sie Teil
und Ausdruck der Frauenbewegung und bereitete den Weg für viele, die nach
ihr kamen. Doch leider versäumt es die Emma, diese historische Bedeutung zu
aktualisieren. Sowohl die komplizierter werdende Welt als auch modernere
Debatten im Feminismus werden ausgespart.
Darin ist die Zeitschrift von ihrer ewig währenden Chefredakteurin Alice
Schwarzer nicht zu trennen. Heraus kommen am Ende sogar reaktionäre
Ausschläge. Das verschleierte Frauen „gerettet“ werden müssen und
offenherzigere Popstars als „Schlampen“ bezeichnet werden ist für die
meisten Feministinnen eine überkommene Position, weil wir wissen, dass sich
keine Frau aus den täglichen Widersprüchen herausnehmen kann. Dabei geht es
weniger um Generation als um eine voranschreitende Frauenbewegung, die
statt auf Ängste, Verbote und Ausgrenzung auf Mut, Selbstbestimmung und
Solidarität setzt.
Cornelia Möhring, 57, frauenpolitische Sprecherin der Linkspartei
26 Jan 2017
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