# taz.de -- Russland und die USA: Im Tandem mit Donald Trump | |
> Der Kreml hofft auf einen Neubeginn mit dem US-Präsidenten. Sollte dieser | |
> außenpolitisch kürzertreten, wäre das für Moskau ein Geschenk. | |
Bild: Ein mögliches Szenario: Graffiti mit Wladimir Putin und Donald Trump in … | |
Moskau taz | Russlands Chefpropagandist Dmitri Kisseljow ließ es noch | |
einmal richtig krachen. In der letzten Nachrichtensendung „Vesti nidelii“, | |
die noch in die Ära Barack Obamas fiel, rechnete der Agitator mit dem Chef | |
des Weißen Hauses so ab wie nie zuvor. Zimperlich war er indes noch nie | |
gewesen. Obamas Präsidentschaft sei eine Zeit der „Schande“ gewesen. Er | |
fühlte sich an die bleierne Stagnationszeit unter dem senilen | |
Generalsekretär der KPdSU, Leonid Breschnew, erinnert. | |
Obama hätte die US-Medien zu Opfern gemacht, heute seien sie „verkommen“ | |
und nur noch in der Lage „fake news“, – erfundene Nachrichten – zu | |
produzieren. Wo der Moderator auch hinschaute, überall sah er „Zerstörung“ | |
und „Blut“. Zu guter Letzt wünschte er dem scheidenden Präsidenten Erfolg | |
als „Dozent für abstrakte Themen“ wie „Gefahren für die US-Diplomatie d… | |
russische Hacker“. Die Häme war bodenlos. | |
Auch Moskaus Außenminister beteiligte sich an der Austreibung der | |
Obama-Administration. Auf der Jahrespressekonferenz des Ministeriums | |
erzählte Sergej Lawrow ausführlich über als Frauen verkleidete US-Agenten, | |
die sich mithilfe von Travestie Zugang zu russischen Behörden verschaffen | |
wollen. Dem Außenminister brachte dies im Radio Echo Moskau bereits den | |
Titel Cheftroll des Außenministeriums ein. | |
Nun hofft Russland auf einen Neubeginn mit Donald Trump. Allerdings ist | |
noch nicht geklärt, wer und was den Antiamerikanismus im Falle eines guten | |
Auskommens mit dem Milliardär ersetzen könnte. | |
## Nächster Sündenbock | |
Der Antiamerikanismus ist Treibstoff russischer Politik seit einem | |
Jahrhundert. Für innenpolitische Versäumnisse müssen andere herhalten. Wer | |
aber wird der nächste Sündenbock? | |
Russland freute sich über den Sieg Donald Trumps. Monatelang war der | |
Öffentlichkeit suggeriert worden, ein Sieg Trumps sei auch ein Triumph | |
Russlands. Allerdings waren die Menschen auch darauf vorbereitet worden, | |
dass die US-Elite den Sieg des Außenseiters wohl zu verhindern wisse. | |
Ihm würde der Sieg geraubt, obwohl das Volk ihn gewählt hat. Damit ließ | |
sich westliche Kritik an russischen Wahlen neutralisieren und Mängel des | |
Wahlsystems als weit verbreitet hinstellen. Der Kreml wollte die westliche | |
Demokratie als Mogelpackung entlarven, die keinen Deut besser sei als die | |
heimische. | |
Diese Taktik scheiterte mit Trumps Sieg. Der Kreml musste umschalten. Und | |
Trump muss nun einlösen, was vor allem russische Propagandisten dem | |
Wahlkämpfer in den Mund legten. Nähe zu Wladimir Putin, Verständnis für | |
Russlands Positionen. Aufhebung der wegen des Ukrainekriegs verhängten | |
Sanktionen. Dazu äußerte sich Trump sogar und regte an, dies mit einem | |
unverbindlichen Junktim zu verknüpfen: Sanktionen gegen nukleare Abrüstung. | |
Doch das war alles noch unverbindlich daher gesprochen. | |
## Glaube an ein Nullsummenspiel | |
Moskau setzt zurzeit auf Trumps Ankündigung, er wolle das internationale | |
Engagement der USA zurückfahren. Mit Nato-Kritik rennt er in Moskau ohnehin | |
offene Türen ein. Sollte sich der US-Präsident auf heimische Politik | |
konzentrieren, wäre dies ein Geschenk für den Kreml. Der glaubt an ein | |
Nullsummenspiel: Moskaus Großmachtstatus sei nur auf Kosten der USA wieder | |
zu erlangen. Voraussetzung dafür sei Washingtons Rückzug aus Europa und dem | |
Mittleren Osten. | |
Mangelnde Erfahrung und Unbedarftheit des Neuen, so das Kremlkalkül, | |
dürften die internationale Rolle der USA weiter schwächen. Noch ist Moskau | |
unsicher, welche Haltung sich gegenüber Russland im Trumpteam durchsetzen | |
wird. Die des neuen Außenministers, Rex Tillerson, oder James Mattis’ | |
Position. | |
Der designierte Verteidigungsminister stuft Russland als größte Gefahr für | |
US-Interessen ein, bei Tillerson steht es auf Platz drei. Er plädiert für | |
einen „offenen und freimütigen Dialog“ und hat Verständnis für Moskaus | |
Anspruch auf Weltgeltung als Atommacht. Mattis sieht den Versuch, die Nato | |
zu zerschlagen als Bedrohung und Russlands außenpolitisches Auftreten als | |
Herausforderung für dieNachkriegsordnung. | |
Kann sich Russland mit den USA vielleicht doch auf eine partnerschaftliche | |
Rolle einigen, gar Verantwortung übernehmen, sollte Washington sich | |
zurückziehen? Oder wird Putin Trumps Fehler nutzen, um geopolitisch an | |
Boden zu gewinnen? Ob Partner oder Gegner, der Kremlchef kann das allein | |
und auf der Stelle entscheiden. Nichts bindet ihn. | |
## Gleichbehandlung auf Augenhöhe | |
Zunächst böte sich für eine Zusammenarbeit ein gemeinsames Vorgehen gegen | |
den IS an. Würde Trump im Interesse eigener Entlastung Russland militärisch | |
den Vortritt lassen? Könnte Moskau diese Kooperation dann nutzen, um die | |
Rolle der USA weiter zu schwächen und Zwist zwischen den Verbündeten zu | |
schüren? | |
Fest steht: Putin will die westliche Ordnung aus den Angeln heben. Ob in | |
der EU oder in der Nato. Moskau geht es nicht mehr um Gleichbehandlung auf | |
Augenhöhe und bloße Zugeständnisse von Einflusszonen. Auch nicht um den | |
Verzicht des Westens auf neue EU- und Natomitglieder. Der Kreml möchte | |
mehr: zurück zu einem neuen Jalta, wo es die Welt mit den USA aufs neue | |
verteilt. Ohne Nato und ohne EU, die auch das alte Jalta noch nicht kannte. | |
22 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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