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# taz.de -- Klage gegen Lohnungleichheit beim ZDF: Formal gesehen war da nichts
> Lohnungerechtigkeit beim ZDF? Ein Berliner Gericht weist eine Klage der
> Reporterin Birte Meier zurück. Doch das könnte erst der Anfang sein.
Bild: Auch beim Fernsehen machen Angestellte und freie Mitarbeiter oft dieselbe…
Um 8.50 Uhr beugt sich der Arbeitsrichter Michael Ernst über ein Mikro vor
ihm auf dem Tisch und macht eine Durchsage für das gesamte Gebäude. „Im
Fall Meier gegen das ZDF werden Beteiligte in den Saal 513 gebeten.“ Dann
blickt er lustvoll in dem kleinen, kargen Raum des Berliner Arbeitsgerichts
umher. Die mit den Schildern „Kläger(in)“ und „Beklagte(r)“ reserviert…
Plätze sind leer. Dahinter sitzen ein paar JournalistInnen.
Es geht um viel an diesem Mittwochmorgen, um das Recht auf gleiche
Bezahlung von Frauen und Männer für gleichwertige Arbeit. Konkret: um den
Vorwurf der ZDF-Reporterin Birte Meier, ihr Arbeitgeber würde sie
schlechter bezahlen als einen männlichen Kollegen, der die gleiche Arbeit
mache wie sie.
Und das nur, weil sie eine Frau sei. 128.756,79 Euro zu wenig habe das ZDF
ihr bezahlt, bemängelt Meier, so hoch ist der Streitwert. Es ist der erste
Prozess einer ZDF-Mitarbeiterin in einer solchen Sache gegen den Sender.
## Formal fair
Fünf Minuten später verliest Richter Ernst das Urteil: Das Gericht weist
die Klage der Reporterin des Magazins „Frontal 21“ ab. Damit hat die
preisgekrönte Investigativjournalistin den Prozess gegen den Fernsehsender
nicht nur verloren, sondern muss auch die Kosten des Verfahrens tragen.
Es geht ein Raunen durch den Gerichtssaal. Die Frauen blicken sich
ungläubig an. Haben sie richtig gehört? Frauen dürfen auch 2017 noch
schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kollegen? Draußen auf dem
Flur werden sie das Ende dieses wochenlangen Prozesses kommentieren mit
Worten wie „bitter“ und „ungerecht“. Aber so richtig können sie dem Sp…
des Gerichts nichts entgegensetzen.
Denn das Arbeitsgericht argumentierte formal: Birte Meier sei eine
sogenannte [1][feste freie Mitarbeiterin], damit unterliege sie keinen
„Weisungen durch Vorgesetzte“, ebenso wenig sei sie in Dienstplänen
eingeteilt. „Eine ständig erwartete Dienstbereitschaft war nicht gegeben“,
las Ernst vor.
Unabhängig davon sei der Kollege (mittlerweile Rentner), mit dessen Gehalt
Meier ihr Honorar verglichen habe, länger beim ZDF angestellt gewesen als
sie. Allein das rechtfertige einen höheren Verdienst. Eine Diskriminierung
aufgrund des Geschlechts sei nicht erkennbar.
## Die freien Unterschiede
Um das zu verstehen, muss man wissen, dass „feste Freie“, ohne die fast
kein Medienhaus auskommt, nahezu genauso arbeiten wie Festangestellte. Auch
Meier hat eine 40-Stunden-Woche. „Feste Freie“ haben meist die gleichen
Urlaubsansprüche wie ihre fest angestellten KollegInnen. Und sie bekommen
eine Lohnfortzahlung, wenn sie krank sind. Der Unterschied ist: „Feste
Freie“ bekommen ein Honorar, Festangestellte ein Festgehalt.
Richter Ernst, ein Mann mit gelichtetem Haupthaar und nerdiger
Pilotenbrille, macht nicht den Eindruck, als sei er sonderlich traurig über
das Ergebnis, das er verkündet. An einem Verhandlungstag im Dezember hatte
er argumentiert, Männer verdienten möglicherweise besser, weil sie besser
verhandelten. Außerdem bekämen Frauen Kinder, was ein Grund für ein
geringeres Einkommen sein könnte.
„Willkommen im Mittelalter“, hatte eine Zuschauerin damals empört in den
Saal gerufen und damit ein Ordnungsgeld riskiert.
Das ZDF fühlt sich nun in seiner Auffassung bestätigt, Meier korrekt
bezahlt zu haben. Der Sender hatte ihr einen Vergleich angeboten: Geld
gegen Rückzug aus dem ZDF. Aber Meier, die unter anderem den SPD-Skandal
„Rent a Sozi“ aufdeckte, will weder arbeitslos werden noch so ohne Weiteres
das Feld räumen. Ihr Anwalt kündigte Berufung beim Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg an.
## Der Kampf geht weiter
Es geht also weiter. Meier will kämpfen und geht damit einen Weg, auf den
sich bislang nicht viele Frauen gewagt haben. Arbeitsrechtliche Prozesse,
unabhängig vom Verhandlungsgegenstand, führen in der Regel zu einem
vergifteten Verhältnis zwischen Angestellten und Unternehmen. Am Ende steht
meist eine Abfindung für die Person, die die Firma verlässt. Davor
schrecken Frauen eher zurück als Männer, sie denken an die Miete und die
Kinder, die was zu essen brauchen. Besser nicht mehr über die schlechtere
Bezahlung aufregen und dafür den Job behalten.
Kann sein, dass sich das jetzt ändert und mehr Frauen eine Klage wagen.
Meier hat vorgemacht, wie es geht. Und das Gericht hat erklärt, was nicht
geht. Das ist in jedem Fall ein Anfang.
1 Feb 2017
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## AUTOREN
Simone Schmollack
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