Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pauschalisten in Hamburg: Gruner + Jahr tut sich schwer
> Der Verlag sucht nach einem neuen Umgang mit freien Mitarbeitern. Diese
> fühlen sich schlecht informiert und formulieren ihren Protest.
Bild: Das G+J-Gebäude am Hamburger Baumwall.
Die Norwegische Seemannskirche in der Nähe der Hamburger Landungsbrücken
ist selten ein ruhiger Ort: Nächste Woche feiert die Gemeinde Karneval, im
Dezember fand dort der skandinavische Weihnachtsmarkt statt, regelmäßig
trifft sich eine Trommelgruppe.
Dennoch war der Mittwochabend ein besonderer. Knapp 70 Journalisten hatten
sich dort versammelt, manche wütend, manche resigniert, um gemeinsam mit
Gewerkschaftsvertretern über einen Arbeitskampf zu beraten. Es war das
dritte Treffen dieser Art, zwei Wochen zuvor waren sogar 120 Journalisten
gekommen.
Viele von ihnen arbeiten laut Teilnehmern der Versammlung frei für Gruner +
Jahr (G+J), als sogenannte feste Freie – und sie fürchten um ihren Job.
Viele von ihnen arbeiten wie Festangestellte, stehen in Dienstplänen, haben
einen eigenen Arbeitsplatz und verdienen ihr komplettes oder einen Großteil
ihres Monatseinkommens bei G+J.
Festangestellte Mitarbeiter, Redakteure genannt, sind sie trotzdem nicht
und sind damit dem Verdacht der Scheinselbstständigkeit ausgesetzt. Die taz
hatte im Juli umfangreich über das Geschäft mit den Pauschalisten in
deutschen Verlagen berichtet. Mittlerweile bemühen sich viele Verlage
darum, das Problem zu lösen. Die SZ hat [1][mittlerweile eine Lösung
gefunden], Gruner + Jahr sucht noch.
## Keine festen Freien mehr
Seit Dezember teilen die Chefredakteure der einzelnen Publikationen ihren
festen Freien in Einzelgesprächen mit, dass ihre Beschäftigung nicht so
weitergehen wird wie bisher. Ob überhaupt und zu welchen Konditionen sie
weitergehen soll, ist noch unklar. Klar scheint nur, was mehrere Betroffene
von ihren Chefredakteuren gehört haben: Ab dem 1. April 2016 soll es bei
Gruner + Jahr keine festen Freien im Haus mehr geben. Das betrifft
Journalisten, Layouter, Schlussredakteure.
Die Verlagsgeschäftsführung selbst hielt sich den Freien gegenüber bislang
bedeckt. Das ist es, was die Freien so wütend macht. Als im Dezember die
ersten Gerüchte aufkamen, formierten sich einige von ihnen in einer
Orga-Gruppe. Ein Mailverteiler wurde eingerichtet, auf dem mittlerweile 220
Leute stehen. In einem Brief an die Gruner-Vorsitzende Julia Jäkel
schrieben sie: „Wir, rund 170 freie Mitarbeiter aller möglichen
Professionen und Redaktionen des Hauses, möchten darüber informiert und an
der Entscheidungsfindung beteiligt werden – und zwar, bevor uns Verträge
vorgelegt werden, die wir nur noch annehmen oder ablehnen können.“
Jäkel schickte den Gruner-Kommunikationschef Frank Thomsen und den
stern-Herausgeber Andreas Petzold zu einem Treffen mit den Freien. Dort
sollen Thomsen und Petzold gesagt haben, dass jeder einzelne Mitarbeiter
individuell geprüft werde. Personalentscheidungen würde aber nicht der
Verlag, sondern die einzelnen Chefredakteure treffen. Und: Vor
Dumpinglöhnen bräuchten sich die Freien nicht zu fürchten.
## Auch in Zukunft mit Freien zusammenarbeiten
Das bezweifeln sie allerdings. Viele der Betroffenen teilen sich mit ein
bis zwei freien Kollegen eine Stelle und das schon seit Jahren. Wird diese
nun durch eine feste Stelle ersetzt, womöglich durch eine schlecht bezahlte
Jungredakteursstelle, wie es einzelne Pauschalisten von ihren
Chefredakteuren gehört haben, fallen die anderen Kollegen hinten runter.
Die Freien fürchten, dass die Hälfte bis zwei Drittel der jetzigen
Pauschalisten ihren Hauptauftraggeber verlieren könnte. Abgesehen davon
wollen viele von ihnen gar nicht festangestellt sein.
Kommunikationschef Frank Thomsen sagte am Donnerstag gegenüber der taz am
Telefon: „So wie alle Verlage prüfen wir die Beschäftigungsverhältnisse der
freien Mitarbeiter. Wir sind mit den Freien im Gespräch. Die Chefredakteure
sind aufgefordert, sich mit dem Thema zu beschäftigen und gegebenenfalls
Strukturen anzupassen. Es wird ganz individuelle Lösungen geben. Gruner +
Jahr wird aber auch in Zukunft mit Freien zusammenarbeiten.“
Am nächsten Mittwoch wollen sich die Freien wieder in der Seemannskirche
treffen. Dafür haben sich auch stern-Chefredakteur Petzold und Personalchef
Stefan Waschatz angekündigt.
29 Jan 2016
## LINKS
[1] /Scheinselbststaendigkeit-im-Journalismus/!5267087/
## AUTOREN
Anne Fromm
## TAGS
Gruner + Jahr
Pauschalisten
Journalismus
Gruner + Jahr
Stadtentwicklung
ARD
Gender Pay Gap
Goethe-Institut
Gruner + Jahr
Online-Journalismus
Gruner + Jahr
Gruner + Jahr
Scheinselbstständigkeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Festangestellte in Presseverlagen: Ein entscheidendes Wörtchen
Mehrere Ex-Mitarbeiter von Gruner+Jahr klagen, weil der Verlag sie nur
befristet beschäftigt hat. Das Gericht wiegelt ab und spricht ein
wegweisendes Urteil.
Nach G + J-Umzug: Ideen für das Geisterschiff
Gruner + Jahr baut ein neues Verlagsgebäude in der Hafencity. Das alte
übernimmt die Stadt Hamburg, die aber noch nicht weiß, was sie damit machen
soll. Wir hätten da ein paar Vorschläge:
Selbstständige bei der ARD: Manchmal wie Sachmittel
Die Öffentlich-Rechtlichen halten ihre Freien klein. Oft haben sie keine
Mitarbeitervertretung. Jetzt haben sie einen eigenen Rat gegründet.
Klage gegen Lohnungleichheit beim ZDF: Formal gesehen war da nichts
Lohnungerechtigkeit beim ZDF? Ein Berliner Gericht weist eine Klage der
Reporterin Birte Meier zurück. Doch das könnte erst der Anfang sein.
Goethe-Institut entlässt Honorarkräfte: Gestern Lehrer, heute arbeitslos
Das Goethe-Institut soll Hunderte von Honorarkräften geschasst haben, denn:
Die Rentenversicherung glaubt nicht an deren freiberufliche Tätigkeit.
Freie Mitarbeiter bei Gruner + Jahr: Die einen so, die anderen so
Das Hamburger Verlagshaus Gruner und Jahr macht seinen freien Mitarbeitern
Angebote für feste Jobs. Doch nicht alle werden gleich behandelt.
Arbeitsbedingungen bei der Zeit: Online ist streikbereit
Die Redakteure von „Zeit Online“ fordern höhere Löhne und stoßen auf
heftigen Widerstand. Ihr Kampf könnte die Branche verändern.
Kolumne Die Kriegsreporterin: „Es gibt kein Gemeinschaftsgefühl“
Unsere Kolumnistin heute in einem Schlapphut-Spezial: ein Interview mit
einem Mitarbeiter von Gruner + Jahr. Stichwort Scheinselbstständigkeit.
Kolumne Die Kriegsreporterin: Kaviar- und Krimsekt-Engpass
Der WDR, die Versuchsküche der ARD-Sender, hat sich nun was total
Verrücktes ausgedacht. Wird der Kaviar knapp, ist allerdings die
Bild-Zeitung schuld.
Scheinselbstständigkeit im Journalismus: Plötzlich angestellt
Die „Süddeutsche Zeitung“ und deren Onlineredaktion stellen ihre
Pauschalisten jetzt fest an. Andere Verlagshäuser dürften nachziehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.