| # taz.de -- Selbstständige bei der ARD: Manchmal wie Sachmittel | |
| > Die Öffentlich-Rechtlichen halten ihre Freien klein. Oft haben sie keine | |
| > Mitarbeitervertretung. Jetzt haben sie einen eigenen Rat gegründet. | |
| Bild: „Ich bin bei der Abrechnung das Gleiche wie eine Klopapierrolle“, sag… | |
| Berlin taz | Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der | |
| Bundesrepublik Deutschland sind zwiespältige Arbeitgeber. | |
| Da sind einerseits die Festangestellten, die regulär durch den Personalrat | |
| vertreten und deren Personalkosten auch ordentlich gegenüber den | |
| Finanzkontrolleuren der KEF ausgewiesen werden. Und dann gibt es eine | |
| zunehmende Zahl von Kollegen, die oft die gleiche Arbeit verrichten wie die | |
| Festangestellten. Sie sind Kameraleute, Cutter, Tontechniker, | |
| MAZ-Ingenieure, Redakteure, Autoren und Realisatoren. Zunehmend werden | |
| sogenannte arbeitnehmerähnliche feste Freie sogar in der Verwaltung | |
| eingesetzt. | |
| Aber im Haushaltsplan tauchen sie dann als Sachmittel auf, um die wahren | |
| Kosten für das Programm zu kaschieren. „Ich bin bei der Abrechnung das | |
| Gleiche wie eine Klopapierrolle“, meinte dazu lakonisch eine freie | |
| Nachrichtenredakteurin auf dem 2. ARD-Freienkongress am vergangenen | |
| Wochenende. | |
| Unter den Freien gibt es beispielsweise Promis und Moderatoren, die | |
| Spitzenhonorare verhandeln können. Daneben aber entsteht ein immer größer | |
| werdendes Medienpräkariat. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht | |
| derzeit immens unter Spardruck, und diejenigen, die drohen, bei diesem | |
| Spardruck als Erste ihre Aufträge zu verlieren oder Einbußen hinnehmen zu | |
| müssen, das sind die Freien“, warnt Stefan Tiyavorabun aus dem | |
| SWR-Personalrat. Er ist selbst betroffen. | |
| In manchen Sendern stellen die Arbeitnehmerähnlichen schon die Hälfte des | |
| Personals. Derzeit sind es bundesweit rund 18.000, und viele von ihnen | |
| werden in den Sendern kleingehalten. Sie bekommen zum Beispiel nach zwei | |
| bis sechs Arbeitsjahren eine Sperre. Oder sie arbeiten auf Prognose 90 oder | |
| 120 Tage im Jahr. In der übrigen Zeit müssen sie sehen, wo sie bleiben. | |
| Andere Sender haben eine niedrige Jahres-Honorargrenze eingeführt – zu viel | |
| zum Sterben, zu wenig zum Leben, könnte man zusammenfassen. | |
| Konsequenterweise können Freie bei Konfliktfällen oft nicht zu einer | |
| Mitarbeitervertretung gehen. Während ihre Interessen beispielsweise im SWR, | |
| WDR oder Radio Bremen immerhin vom Personalrat wahrgenommen werden, dürfen | |
| die Freien beim RBB nur eine separate Freienvertretung wählen. Die hat aber | |
| so gut wie keine Mitbestimmungsrechte. Im NDR gibt es gleich überhaupt | |
| keine offizielle Vertretung für die Freien. | |
| Grund genug, auf dem gerade in Stuttgart zu Ende gegangenen | |
| ARD-Freienkongress erstmals einen bundesweiten ARD-Freienrat zu gründen. | |
| Ein Kurztitel, wird sich doch auch um die Freien beim ZDF, Deutschlandradio | |
| und der Deutschen Welle gekümmert. Mit dem neuen Freienrat will man mehr | |
| Aufmerksamkeit bei Medien und Politikern, gerade auch denen in den | |
| Rundfunk- und Verwaltungsräten, erreichen. | |
| „Wichtig ist auch, dass sich die Freien in den verschiedenen Sendern mehr | |
| untereinander austauschen“, sagt der frisch gewählte ARD-Freiensprecher | |
| Christoph Reinhardt. | |
| Der nächste wichtige Termin ist die anstehende ARD-Strukturreform, die im | |
| September verhandelt wird. „Die ARD soll effizienter werden, und das kann | |
| nur gelingen, wenn wir Freien unser Know-how dort einbringen können“, sagt | |
| Reinhardt. Und Stefan Tiyavorabun vom SWR, der jetzt auch zum | |
| ARD-Freiensprecher gewählt wurde, ergänzt: „Die Freien müssen immer mehr | |
| leisten für Hörfunk, Fernsehen und jetzt Multimedia. Es ist ein immenser | |
| Arbeitsdruck, der sich allerdings nicht in angemessenen Honoraren | |
| widerspiegelt. Als Gruppe sind wir bisher nicht so in Erscheinung getreten, | |
| das wollen wir jetzt ändern.“ Die ARD hat den neuen ARD-Freienrat zur | |
| Kenntnis genommen, aber nicht weiter kommentiert. | |
| 27 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Klatt | |
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