# taz.de -- Kommentar Politiker in der Wirtschaft: Auf dem Weg zur Lobbyslative | |
> Viele politische Entscheidungen lassen sich nur über eine große Nähe der | |
> Politik zur Wirtschaft erklären. Das tut keiner Demokratie gut. | |
Bild: Schleppende Aufklärung am Abgasskandal: Liegt das am Lobbyismus? | |
Wenn ein Lobbyverband einen frisch ausgeschiedenen Politiker einstellt, | |
dann kauft er nicht nur sein Fachwissen. Sondern auch – mitunter vor allem | |
– sein Adressbuch. Das wissen alle Beteiligten. Die Wirtschaft, die um sie | |
wirbt, und natürlich die Politiker selbst – auch wenn sie es wohl lieber | |
nicht so sehen möchten. Wer will schon für sein Netzwerk gekauft werden? | |
Das Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft ist vielerorts unangenehm | |
eng. Das zeigt nicht nur [1][die aktuelle Studie von Transparency | |
International] über die beliebte Drehtür zwischen Politik und Lobbyismus. | |
Sondern ebenso der Blick auf Parteispenden, auf gut bezahlte Nebenjobs von | |
Abgeordneten in Berlin und Brüssel, die Dichte an Büros von | |
Lobbyorganisationen – mitunter getarnt als Thinktanks oder Kanzleien – im | |
Berliner Regierungs- und im Brüsseler Europaviertel. | |
Das geht bis zur Weigerung der Bundesregierung, Gästeliste und Rechnung | |
eines Geburtstagsessens für den damaligen Deutsche-Bank-Chef Josef | |
Ackermann offenzulegen. Lieber jahrelang prozessieren und am Ende verlieren | |
als ein bisschen Transparenz zeigen. | |
Es gibt reihenweise Fälle, in denen sich politische Entscheidungen nur über | |
eine zu große Nähe zur Wirtschaft erklären lassen. Das überschaubare | |
Interesse an Aufklärung etwa, das Regierung und Behörden hierzulande beim | |
Abgasskandal zeigen. Die absehbar wirtschaftsfreundliche Umsetzung der | |
Europäischen Datenschutz-Grundverordnung in deutsches Recht. Oder, um auf | |
Europa zu blicken, Vorschläge für Gesetzestexte, die wortgleich sind mit | |
Vorschlägen der Industrie. | |
Die Einzelfälle summieren sich und tragen irgendwann zu einem | |
grundsätzlichen Misstrauen gegenüber Politikern bei. Der Lobbyismus wird | |
als eigene Gewalt wahrgenommen, als Lobbyslative. Kein Zustand, der einer | |
Demokratie guttut. Aber etwas, das Parlamente und Regierungen ändern | |
können. Wie? Die gut bezahlten Nebenjobs abschaffen. Mehr Transparenz bei | |
Treffen mit Lobbyisten. Karenzzeiten für einen Jobwechsel, die mehr sind | |
als ein Feigenblatt. | |
Das wäre ein Anfang. Und außerdem gut für das Selbstbewusstsein: Wenn eine | |
Lobbyorganisation einen Politiker fünf Jahre nach dem Ausscheiden aus der | |
Politik einstellt, macht sie das sicher wegen der Kompetenz. Und nicht | |
wegen des Adressbuchs. | |
31 Jan 2017 | |
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## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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