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# taz.de -- Expertin über alkoholfreie Getränke: „Tschüss, Apfelschorle“
> Genuss ohne Alkohol? Das geht, sagt Getränkeexpertin Nicole Klauß. Mehr
> und mehr Lokale werden dabei sehr erfinderisch.
Bild: Sortenreine Säfte sind nur eine Möglichkeit, sagt Klauß. Kennen Sie Wa…
taz.am wochenende: Frau Klauß, wie kommt man auf die Idee, dass es zum
Essen nicht immer nur alkoholische Getränke sein müssen?
Nicole Klauß: Ganz einfach: Es gibt Menschen, die wollen auch was anderes.
Ich habe eine Weinausbildung hinter mir und da sagten die weiteren
Teilnehmer: Wie, was anderes? Solche Gäste bekommen dann Wasser – oder eine
Apfelschorle. Die wurde mir auch schon angeboten, sogar im
Sternerestaurant.
Sie wollten keinen Wein trinken?
Ich bin Halbjapanerin und vertrage Alkohol, wie viele Asiaten, nicht so
gut. Damals war ich auch noch schwanger. Ich kam mir in dieser Zeit im
Restaurant manchmal wie gemobbt vor. Und es gibt ja auch noch andere
Gründe, warum man beim Essen nüchtern bleiben will. Geschäftsleute, die
sich nachmittags nach dem Lunch noch an den Schreibtisch setzen wollen,
Kinder, Ältere, manche haben auch religiöse Gründe.
Also Muslime.
In Dubai hat Tim Raue gerade das „Dragon Fly“ aufgemacht. Dort werden nur
alkoholfreie Getränke serviert, auf Saftbasis. Die nennen sich „Jine“, eine
Wortschöpfung aus „Juice“ und „Vine“. Der Begriff ist sogar patentiert
worden.
Aber die Alternative zu Wein heißt nicht nur Saft?
Bei weitem nicht. Wasser, Brühen, Tee, fermentierte Getränke wie
Wasserkefir oder Kombucha: Alles ist möglich.
Ich habe in Deutschland noch nicht oft eine Getränkebegleitung ohne Alkohol
auf der Speisekarte gefunden.
Aber es wird mehr. Und vor allem die Sternegastronomie probiert sich daran
aus. Denn auch die normale Weinbegleitung ist vielen Leuten zu viel. Da hat
man nach acht Gängen oder mehr eine Flasche Wein intus. Deswegen wird auch
viel gemischt angeboten. Das [1][Restaurant Horvath] ist da ein Pionier
gewesen. Aber auch das [2][Einsunternull] bietet das an.
Beide sind Berliner Sternerestaurants.
Man kann sich zum Hauptgang einen Wein bringen lassen und sonst auch
beschwingt mischen, wie man möchte. Die nichtalkoholischen Getränke sind
auf die jeweiligen Gänge abgestimmt.
Tschüs, Apfelschorle.
In Restaurants auf solchem Niveau zahlt man mindestens hundert Euro, und da
möchte ich nicht nur die Geschichte vom Winzer, den Namen seiner Frau, von
den Reben und der Erde unter ihnen erzählt bekommen. Ich finde, der Gast
hat ein Recht auf eine vernünftige Begleitung ohne Alkohol. Es geht doch am
Ende darum, ihn glücklich zu machen. Wenn man von der Apfelschorle weggeht,
ist das eine erwachsene Begleitung.
Gibt es Länder, in denen das, was Sie neue Trinkkultur nennen, schon weiter
ist?
In Amerika, Australien, auch in Großbritannien. Aber bitte, verstehen Sie
mich nicht falsch. Es geht hier nicht um Verzicht oder Gesundheit. Ich
trinke gern Wein. Aber nicht immer. Und auch dann soll der Genuss nicht zu
kurz kommen.
Was heißt, die Getränke sind auf die jeweiligen Gänge abgestimmt?
Sie sind so kreiert, dass das Aroma mit dem Essen korrespondiert. Simples
Beispiel: Kommt in einem Gericht Koriander vor, püriert man Koriander und
mischt ihn in den Apfelsaft. Wegen der Ähnlichkeit passt das dann. Aber wir
haben beim Food-Pairing in den letzten Jahrzehnten noch eine ganze Menge
mehr gelernt.
Das ist fast eine eigene Wissenschaft.
Ja, das geht bis ins Labor, um die Zutaten in ihre Aromabestandteile zu
zerlegen. Und dann sucht man Übereinstimmungen. Das ist nicht so platt wie
in dem Beispiel mit dem Koriander. Pfeffer enthält neben Piperin, der ihn
scharf macht, auch ein ätherisches Öl mit einer Substanz, die Limonen
heißt. Und Limonen findet sich auch als Aromaträger in Zitrusfrüchten.
Das erklärt, warum es in den USA schon sehr lange Zitronenpfeffer zum
Grillen gibt.
Pfeffer und Zitrone sind einfach ein gutes Paar, sie machen mit dem Fleisch
was Tolles. Und etwas Zitrisches ist dann auch ein gutes Getränk, wenn ein
Gericht viel Pfeffer enthält.
Kommen wir noch einmal zurück zum Saft.
Auch der hat seinen Platz. Es gibt inzwischen auch Saftsommeliers. Anfangs
wurde versucht, Weine mit Säften nachzubauen, etwa aus Trauben- und
Birnensaft ein Chardonnay-ähnliches Getränk zu kreieren. Das Problem ist:
Obstsäfte sind sehr süß und oft sättigend, manchmal wie ein Nachtisch. Man
steht also vor der Aufgabe, Säfte zu entsüßen. Da kommt dann entsaftetes
Gemüse ins Spiel … Aber kennen Sie Wasserkefir noch nicht?
Nein.
Wasserkefir folgt dem gleichen Prinzip wie Kombucha. Für Kombucha liegt ein
Wabbelpilz in einer Zuckerlösung und verwandelt den Zucker in Alkohol. Je
länger man ihn drin lässt, desto trockener wird das Getränk – und auch
saurer. Bei Wasserkefir verwendet man sogenannte Kefirkristalle für die
Fermentation. Es entstehen dabei Essigsäuren und auch ein geringer Anteil
an Alkohol, höchstens zwei Prozent. Anschließend kommt die Flaschengärung,
dabei entwickelt das Getränk Kohlensäure. Und man kann nun genau steuern,
wo der Geschmack hingeht. Man kann Saft dazugeben oder Sirup.
Klingt jetzt doch nach Limo.
Ja, aber nicht so süß, mit einer feinen Säure und leicht moussierend. Köche
finden das super, sie können das Getränk nun in minimalen Abstufungen auf
das Gericht abstimmen.
Wie fange ich zu Hause an, wenn ich nicht gleich blubbernde Kefirflaschen
in der Küche stehen haben will.
Ich bin begeistert von Teebegleitung, denn es gibt da unheimlich viele
Sorten. Ich bin ein großer Fan von Käse mit Tee. Probieren Sie mal
Jasmintee mit Brie oder grünen Tee mit Manchego: Das ist super. Der warme
Tee geht ganz toll mit dem Käse um. Er löst das Fett und die Aromen besser
als ein kalter Weißwein. Lieblicher Birnensaft zu einem kräftigen Roquefort
finde ich auch ein sehr gute Kombination.
29 Jan 2017
## LINKS
[1] http://www.restaurant-horvath.de/alkoholfreie-getraenkebegleitung
[2] http://einsunternull.com/
## AUTOREN
Jörn Kabisch
## TAGS
Getränke
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Ariane Sommer
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