# taz.de -- Weltwirtschaftsforum in Davos: Hauptsorge Nationalismus | |
> Weltwirtschaftsforums-Chef Klaus Schwab fragt, was passiert, wenn | |
> Internet, künstliche Intelligenz und Roboter immer mehr Jobs vernichten. | |
Bild: Die Maschinen zum Wegräumen von Schnee bedienen in Davos Menschen. Bishe… | |
Davos taz | Appelliert hat er schon immer – aber seine Warnungen klingen | |
heute drängender. „In der Marktwirtschaft gibt es immer Gewinner und | |
Verlierer“, sagt Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums. „Erstere | |
müssen aber mit Letzteren solidarisch sein – sonst kündigen die Verlierer | |
den Konsens der Gesellschaft auf.“ | |
Am Montagabend beginnt er wieder, der alljährliche Kongress der Unternehmer | |
und Konzernvorstände, den Schwab zum 47. Mal organisiert. Rund 3.000 | |
Teilnehmer werden sich im Schweizer Bergstädtchen Davos zum World Economic | |
Forum treffen (WEF). | |
Geplant wird der Gipfel der Wirtschafts- und Politikelite in Cologny am | |
Genfer See. Von seinem Büroschreibtisch dort blickt der 78-jährige Schwab | |
durch die meterbreite Glasfront auf die Villen der Milliardäre am sanft | |
Richtung Wasser abfallenden Hang. Und macht sich Sorgen. | |
„Das jetzige System ist so nicht aufrechtzuerhalten“, sagt er. „Ein | |
Beispiel: In den USA könnten in den kommenden Jahren Millionen Busfahrer | |
und Kassiererinnen ihre Jobs verlieren, weil sie durch die Digitalisierung | |
überflüssig werden.“ | |
Was passiert, wenn verstärkt internetbasierte Produktionsverfahren, | |
künstliche Intelligenz und Roboter eingesetzt werden? Das ist eines von | |
Schwabs Lieblingsthemen. 2016 hat er ein Buch über „Die vierte industrielle | |
Revolution“ veröffentlicht. | |
## Soziale Marktwirtschaft | |
Als promovierter Ingenieur und Ökonom interessiert sich Schwab für | |
technische Innovationen – aber nicht nur: Sein Anliegen ist die soziale | |
Marktwirtschaft. Deswegen sagt er Sätze wie: „Angesichts solcher | |
Veränderungen ist die Höhe von Managergehältern auch ein Gradmesser für das | |
Maß der Solidarität mit den Verlierern.“ Als die Schweizer Bürger 2013 üb… | |
die Begrenzung hoher Verdienste abstimmten, sprach sich Schwab für strenge | |
Regeln aus. | |
Der Organisator des Kapitalisten-Kongresses kritisiert den Kapitalismus – | |
für Schwab ist das kein Widerspruch. Klar kommen die Vertreter der | |
Unternehmen, die Ökonomen und Lobbyisten nach Davos, um Kollegen zu treffen | |
und Geschäfte zu machen. Zudem aber absolvieren sie vier Tage | |
Bildungsurlaub auf Luxusniveau mit rund 400 Podiumsdiskussionen, Seminaren | |
und Workshops. | |
Deutsche-Bank-Chef John Cryanetwa erklärt die Zukunft der Finanzwirtschaft; | |
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen diskutiert mit einem | |
pakistanischen General und dem Chef eines saudischen Thinktank die globale | |
Sicherheitslage; Mediziner informieren über ihre Anstrengungen, die | |
durchschnittliche menschliche Lebenserwartung über 120 Jahre hinaus zu | |
verlängern; und Menschenrechtsaktivisten warnen vor der Weiterentwicklung | |
unbemannter, eigenständig handelnder Kampfmaschinen. | |
Definitiv Thema wird auch Donald Trump, US-Präsident ab 20. Januar. Wer | |
kennt ihn, was plant er, wann beginnt das Investitionsprogramm, werden | |
wirklich neue US-Importzölle verhängt? Antworten auf diese Fragen erhoffen | |
sich Investoren und Konzernführer von Kennern der US-Politik. Trump selbst | |
wird nicht erwartet, aber ein Mitglied seines Übergangsteams soll kommen. | |
Hinzu kommt die politische Kommunikation. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat | |
zum zweiten Mal abgesagt, nachdem sie es schon 2016 Bundespräsident Joachim | |
Gauck überlassen hatte, die deutsche Flüchtlingspolitik zu erklären. | |
## Die Welt verbessern | |
Diesmal wird vielleicht Finanzminister Wolfgang Schäuble über das | |
verhaltene Wachstum in Europa, die Lage der kontinentalen Banken und das | |
Rettungsprogramm für Griechenland sprechen. Auch wird der Kongress mit | |
großer Aufmerksamkeit verfolgen, was Chinas Präsident Xi Jinping an die | |
Adresse Japans und der USA zu sagen hat. | |
Die Appelle übernehmen in Davos vor allem Schwab und seine Leute selbst. | |
Ohnehin steht das Forum wie immer unter dem Motto: „Committed to improving | |
the state of the world“ (Der Verbesserung der Welt verpflichtet). | |
Schon vergangene Woche hat das WEF seinen alljährlichen globalen | |
Risikobericht veröffentlicht. Darin wird die zunehmend ungleiche Verteilung | |
von Einkommen und Vermögen innerhalb vieler Staaten als wichtigster Trend | |
der nächsten zehn Jahre analysiert. | |
In der Studie finden sich erstaunliche Aussagen wie die, dass die bisherige | |
Strategie des Wirtschaftswachstums möglicherweise nicht mehr reicht, um | |
gesellschaftliche Brüche zu heilen. Dem Papier ist anzumerken, dass sich | |
viele Leute in den Netzwerken des WEF ernsthafte Sorgen über den | |
erstarkenden Nationalismus machen. | |
## Politische Botschaften | |
Aber: Hat dieser Schwab-Sprech irgendwelche Folgen? Grundsätzlich wird in | |
Davos zwar viel geredet – jedoch nichts beschlossen. Das WEF ist ja ein | |
Kongress ohne Mandat und Exekutivgewalt. | |
Allerdings senden die Teilnehmer auch immer mal wieder politische | |
Botschaften, die später eine gewisse Wirkung entfalten. So traf Nelson | |
Mandela, der Führer der schwarzen Südafrikaner, 1992 in Davos zum ersten | |
Mal auf den weißen Präsidenten des Landes, Frederik de Klerk. | |
Solche Auftritte funktionieren gut beim WEF, weil es einen neutralen, | |
unbelasteten Ort zur Verfügung stellt, an dem zugleich ein wesentlicher | |
Teil der Adressaten persönlich anwesend ist. Ähnlich war es 2014: Irans | |
Staatspräsident Hassan Rouhani erhielt und nutzte die Gelegenheit, sich der | |
Weltelite nach Jahren des Konflikts als freundlicher Partner zu empfehlen – | |
ein Schritt auf dem Weg zum Atomabkommen von 2015. | |
Ob Schwabs Sozialstaatsinitiative ebenfalls auf fruchtbaren Boden fällt, | |
steht dahin. Denn nicht wenigen seiner Mitgliedsunternehmen, die das Forum | |
finanzieren, geht der Organisator mit seinen sozialkritischen Reden auf die | |
Nerven. Das weiß Schwab selbst. In einem Gespräch mit den Journalisten | |
Joachim Dorfs und Claus Larass sagte er einmal, dass etwa ein Drittel der | |
Mitglieder seine Ideen teile, ein Drittel nur mitmache – und ein weiteres | |
Drittel sie ablehne. | |
16 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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