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# taz.de -- Reichsbürger in der Berliner Polizei: Staatsdiener gegen den Staat
> Gegen einen Beamten der Berliner Polizei ist ein Disziplinarverfahren
> eingeleitet worden. Er soll in die Reichsbürgerszene verstrickt sein.
Bild: Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik nicht an und erstellen teils ei…
BERLIN taz | Das Schreiben an den Gerichtsvollzieher war verdächtig: Der
Absender nannte das Amtsgericht eine Firma und zweifelte die
Grundrechtsnorm an, auf deren Basis der Justizbeamte seiner Arbeit
nachgehen wollte. Klassische Versatzstücke der Reichsbürger-Ideologie, die
staatlichen Institutionen ihre Legitimität aberkennt und damit die Arbeit
von Finanz- und Ordnungsämtern, Gerichtsvollziehern oder Polizeibeamten
torpediert. Keine Seltenheit in den deutschen Behörden, denn die Szene
gewinnt an Zulauf. Ungewöhnlich aber in diesem Fall: Der Absender des
privaten Schreibens war ein Berliner Polizist.
Gegen den Beamten läuft jetzt ein Disziplinarverfahren. Damit gibt es auch
in der Berliner Polizei einen Fall von mutmaßlicher Verstrickung in die
Reichsbürgerszene, Ähnliches war im letzten Jahr bereits aus Bayern,
Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen bekannt geworden.
Ende Oktober gab es in Berlin schon einmal das Gerücht, die Polizei habe
gegen einen mutmaßlichen Reichsbürger in ihren Reihen ein
Disziplinarverfahren eingeleitet. Damals hatte die Polizei die Information
aber dementiert. Am 24. Oktober – genau dem Tag des Dementis – soll die
behördliche Disziplinarstelle aber nun doch von einem Fall erfahren haben,
so Sprecher Thomas Neuendorf gegenüber der taz. Am 3. November sei dann ein
Disziplinarverfahren gegen den Beamten eingeleitet worden.
Damit bestätigt die Behörde die Angaben der Innenverwaltung, die in einer
Ende Dezember veröffentlichten Antwort auf eine schriftliche Anfrage der
Grünen-Abgeordneten June Tomiak von einem laufenden Disziplinarverfahren
gegen einen Polizeivollzugsbeamten spricht. Grund: „Verwendung eines
Schreibens mit reichsbürgertypischen Inhalten“.
„Wenn sich dieser Verdacht erhärtet, müssen natürlich Konsequenzen gezogen
werden“, sagt June Tomiak. Ein Polizist, der der Arbeit der Justiz die
Legitimität abspreche, sei völlig unhaltbar. Insgesamt liege das aktuelle
Personenpotenzial der Reichsbürgerszene in Berlin im unteren dreistelligen
Bereich, schreibt die Senatsverwaltung in der Antwort. Allerdings sei in
letzter Zeit eine „personelle Ausweitung“ festzustellen, die sich auch
„außerhalb des rein rechtsextremistischen Spektrums“ bewege. Im letzten
Verfassungsschutzbericht hieß es hingegen noch, die Szene finde „aufgrund
ihrer kruden Theorien und ihres speziellen Auftretens kaum positive
Resonanz“.
Seitdem ist die Reichsbürgerbewegung deutschlandweit in den öffentlichen
Fokus geraten: Erst kam es im August vergangenen Jahres bei einer
Zwangsräumung eines Reichsbürgers in Sachsen zu einer Schießerei, bei der
mehrere Polizeibeamte leicht verletzt wurden; im Oktober endete dann ein
Schusswechsel während eines SEK-Einsatzes bei einem Reichsbürger in Bayern
für einen der Beamten tödlich.
Eine „generelle Gewaltbereitschaft“ lasse sich für die Berliner
Reichsbürgerszene nicht feststellen, so die Senatsverwaltung in ihrer
Antwort. Es gebe aber die „grundsätzliche Möglichkeit einer zunehmenden
Gewaltbereitschaft der Szene bis hin zu einer Eskalation mit Waffengewalt“,
die bei der weiteren Beobachtung und Bewertung der Szene „ausdrücklich
berücksichtigt“ werde. Wie viele Berliner Reichsbürger einen Waffenschein
besitzen, lasse sich nicht sagen, weil weder bei der Berliner Waffenbehörde
noch der Polizei eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene erfasst werde.
„Dass weiterhin nicht von einer grundsätzlichen Gewaltbereitschaft in der
Reichsbürgerszene ausgegangen wird, hat mich schon überrascht“, so Tomiak.
Die Zahl der von Reichsbürgern begangenen Straftaten steigt jedenfalls auch
in Berlin: Während die Polizei im Jahr 2015 neun Delikte zählte, erhöhte
sich die Zahl 2016 auf 16. Darunter befinden sich vier Fälle von
Körperverletzung, zwei davon schwer, außerdem mehrere Propagandadelikte,
drei Fälle von Volksverhetzung sowie Sachbeschädigung, Beleidigung und
Urkundenfälschung.
11 Jan 2017
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Polizei Berlin
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Innere Sicherheit
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Nazis
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