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# taz.de -- CSU-Klausurtagung in Seeon: Es grummelt im Kloster
> Während Seehofer weiter den Streit sucht, hat die CSU im Bund davon
> zunehmend die Nase voll. In kleiner Runde fallen auch mal deutliche
> Worte.
Bild: Auch vor Ort: Gerda Hasselfeld (CSU) und Norbert Lammert (CDU)
Seeon taz | „Wir sind bestens drauf.“ Horst Seehofer sprüht geradezu vor
guter Laune. „Es war eine sehr gute Klausur, eine der besten, wirklich“,
sagt er zu einem Pulk von Journalisten. „Es bleibt mir nur die Botschaft:
Ich kann euch nicht beglücken, es gibt keinen Streit.“ Präziser, wenn auch
nicht in Seehofers Sinne, wäre die Botschaft von der Klausurtagung der
CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon sicherlich, wenn man sie um zwei Wörter
erweiterte: Es gibt noch keinen offenen Streit.
Denn selbst in Teilen der CSU wächst inzwischen Unbehagen: Wie soll man
einen geschlossenen Unionswahlkampf führen, wenn jederzeit eine neue
Attacke gegen die Kanzlerin aus München zu befürchten ist? Hört man sich
auf den Klostergängen um, merkt man schnell, dass es nicht nur die CDU ist,
mit der es noch „ein bisschen Gesprächsbedarf“ gibt, wie es
Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt so nett formuliert.
In kleiner Runde fallen da auch mal deutliche Worte – mit denen ihre
Urheber natürlich auf keinen Fall zitiert werden möchten. „Zum Kotzen“ sei
die Situation, hört man. Oder: Das sei doch kein Streit zwischen Parteien,
sondern zwischen zwei alten Eheleuten. Und der werde jetzt auf dem Rücken
vor allem der Landesgruppe ausgetragen.
Der Frust, man merkt es, steckt tief. Besonders bei den jungen
Parlamentariern scheint die Verärgerung groß zu sein. Was verständlich ist,
denn natürlich haben die noch aufstrebenden Kandidaten auf den hinteren
Listenplätzen bei der Bundestagswahl am meisten zu verlieren.
Ganz anders dagegen ist die Situation im bayerischen Landtag. Da gibt es in
der CSU-Fraktion manche, für die ist Seehofers Gangart noch nicht hart
genug. Das höre sich dann manchmal an wie „AfD pur“, sagt einer in Seeon
und nennt im selben Atemzug einen prominenten Landtagsabgeordneten, der
auch in der Staatsregierung sitzt. Fragt sich also, wo tatsächlich die
unüberwindbaren Gräben verlaufen.
## Streit um Obergrenze
Immerhin gibt es mittlerweile verstärkte Anstrengungen in der Landesgruppe,
die hohen Wellen, die Seehofer geschlagen hat, zumindest ein wenig zu
glätten. Stefan Mayer etwa, Innenexperte der Landesgruppe, erzählt, dass er
schon am 30. September gemeinsam mit seinem CDU-Kollegen Armin Schuster den
beiden Parteivorsitzenden einen Brief zum Thema Obergrenze geschrieben
habe.
Darin konstatierten die beiden: „Ein Ringen um den besten Kurs ist
demokratisch sinnvoll. Es muss aber zu einem gewissen Zeitpunkt beendet
werden, soll nicht das Gesamtprojekt Schaden nehmen. Diesen Zeitpunkt sehen
wir in der Flüchtlingspolitik erreicht.“ Und: „Wer in schwierigen Zeiten
Orientierung sucht, wendet sich ab, wenn das Führungsduo in vermeintlich
verschiedene Richtungen strebt.“
Konkret schlagen Mayer und Schuster eine variable Obergrenze vor. Mayer
bemüht dafür die etwas unglückliche Metapher eines „atmenden Deckels“.
Dieser sieht vor, die genaue Zahl der Obergrenze jedes Jahr nach bestimmten
Kriterien neu zu justieren. Dazu zählen die humanitäre Krisenlage weltweit,
aber auch die Aufnahmefähigkeit Deutschlands.
In Seeon stößt der Vorschlag bei vielen auf Sympathie. Er zeige, dass es
Lösungen gebe, heißt es. Sie persönlich glaube zwar nicht, dass dies die
Lösung sein werde, sagt Hasselfeldt. „Aber über alles wird diskutiert
werden. Es gibt da keine Denkverbote.“
Seehofer will von solchen Lösungen freilich nichts wissen. [1][Dem
Bayerischen Rundfunk zufolge] hat er schon durchblicken lassen, dass für
ihn nur eine starre Obergrenze in Frage kommt. Die Zahl 200.000 sei „fix“.
Und sein Innenminister Joachim Herrmann, der am Donnerstag ebenfalls zu
Gast in Seeon ist, sagt nur: „In meinem Leben habe ich leider noch nie
einen atmenden Deckel erlebt, sodass ich mir das nicht vorstellen kann.“
Dabei täuscht die Hartnäckigkeit, mit der über eine bloße Zahl gestritten
wird, darüber hinweg, dass noch überhaupt kein wirkliches Konzept zur
Obergrenze und ihrer Umsetzung existiert. So gibt es selbst innerhalb der
CSU unterschiedliche Auffassungen darüber, für wen die Obergrenze gelten
soll. [2][In einem Interview mit der taz] betonte der stellvertretende
Parteichef Manfred Weber jüngst, Asylbewerber seien davon nicht betroffen,
Seehofer zufolge sind sie jedoch ausdrücklich eingeschlossen.
Eine klare Mahnung an die Adresse Merkels und Seehofers kommt auch von
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Eine Einigung dürfe nicht am Streit
über Begrifflichkeiten scheitern. Er kenne keinen CDU-Politiker, der das
anders sehe.
Einen CDU-Politiker hat die Landesgruppe in Seeon auch zu Gast: Norbert
Lammert. Der Bundestagspräsident gibt sich abgeklärt. „Ich bin vielleicht
zu lange dabei, um die gegenwärtige Auseinandersetzung für so exzeptionell
zu halten.“
Und dann nimmt Lammert noch schnell Kollegin Hasselfeldt in den Arm.
„Gucken Sie uns an! Da kann an dem Zusammenhalt der Union überhaupt kein
Zweifel bestehen.“
6 Jan 2017
## LINKS
[1] http://www.br.de/nachrichten/csu-seeon-union-100.html
[2] /CSUler-Weber-ueber-EU-Fuehrungskrise/!5361652/
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
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