| # taz.de -- Kolumne „Wirtschaftsweisen“: Mehr Bürgerbeteiligung! | |
| > Nachhaltige Stadtentwicklung: Was wird aus der Cuvry-Brache in Kreuzberg? | |
| > Und was hat der Staatssekretär für Wohnen, Andrej Holm, damit zu tun? | |
| Bild: Blick in die Glaskugel: was wohl das neue Jahr in Sachen Cuvry-Brache bri… | |
| |Die Cuvry-Brache, ein großes Ufergrundstück an der Schlesischen Straße, | |
| hat eine interessante Geschichte der „Zwischennutzung“: Zunächst befand | |
| sich dort der Yaam-Club, ihm wurde „gekündigt“. Dann nutzten es Angler, | |
| Liebespaare und Nachtschwärmer. Wegen eines kurzen Baggereinsatzes entstand | |
| am Rand ein kleiner See, in dem sich bald Schilf ansiedelte und Libellen | |
| ihre Eier ablegten. Hunde, die dort von der Leine gelassen wurden, badeten | |
| darin. Dann wurde er zugeschüttet.2008 forderte der Bürgerentscheid | |
| Mediaspree eine öffentliche Nutzung von 50 Metern Uferstreifen. | |
| Zuletzt hatten Quasi-Dauernutzer das Gelände gedreiteilt: Vorne am Ufer | |
| lagerten die „Fertigen“, oft in desolatem Zustand. In der Mitte kampierten | |
| polnische Bauarbeiter, die sich auch gerne Abends betranken. Und zum großen | |
| Kastanienbaum hin – an der Ecke Cuvry-/Schlesische Straße: rumänische Roma. | |
| Sie schufen auf ihrem Grundstücksteil schnell eine aufgeräumte kleine | |
| Siedlung mit Wegen und Stegen, einige fanden Arbeitsstellen bei | |
| Innenausbauvorhaben in nächster Nähe. Von dem Sozialexperiment begeisterte | |
| Künstler nannten die Besiedlung „Free Cuvry“. | |
| Dessen ungeachtet wurde alle paar Jahre ein neues riesiges Bauschild | |
| eingegraben, auf dem jemand ankündigte, auf der Cuvry-Brache ein | |
| Einkaufscenter, ein Hotel oder ein Gewerbe und viele Wohnungen zu | |
| errichten. Der letzte Bauherr war „Wertkonzept“-Müller, dem auch der | |
| Schöneberger Gasometer gehört, wo er eine „Europäische | |
| Energie-Universität“, einen „Euref-Campus“, bauen will. | |
| Auf der Cuvry-Brache tat sich jedoch nichts, außer dass er seine | |
| Investitionsabsichten kundtat, indem er die auf dem Gelände wachsenden | |
| Akazienbäume fällen ließ – bevor sie so dick waren, dass er dafür eine | |
| Genehmigung brauchte. 2012 verkaufte er das Gelände an den Münchner | |
| Immobilienunternehmer Arthur Süßkind. Und der annoncierte sein Bauprojekt | |
| als „Cuvry-Campus“. 250 Wohnungen wollte er dort bauen. | |
| ## Bizim Kiez schaltet sich ein | |
| Dazu wurde erst einmal der Platz mit schwerem Polizeigerät geräumt und | |
| eingeebnet. Ein italienischer Künstler, der zwei riesige Bilder an die | |
| Brandmauern der Nachbarhäuser gesprayt hatte, ließ sie aus Protest schwarz | |
| übermalen. | |
| Kürzlich bekam der Bauherr einen Brief von den Anwohnern, die sich in der | |
| Bürgerinitiative Bizim Kiez zusammengefunden haben: „Wir sehen nun, dass | |
| Sie nach Beginn der Aushubarbeiten – für die unmittelbaren Anwohner/innen | |
| sehr spürbar – und dem Fällen der Kastanie – für alle Bewohner/innen des | |
| Viertels deutlich sichtbar – Pläne für die Bebauung und Nutzung des | |
| Geländes verfolgen, die exakt die gleichen sind, die 2001 der seinerzeitige | |
| Eigentümer Wertkonzept entwickelt hat.“ | |
| Weil Süßkind sich weigerte, eine Anzahl von Sozialwohnungen einzuplanen, | |
| holte er das 15 Jahre alte „Wertkonzept“ heraus und ließ schon mal | |
| Spundwände einrammen, „weil sonst die Baugenehmigung aus dem Jahr 2002 | |
| ausläuft,“ wie es in einem Flugblatt der BI heißt. Mitte November wurde das | |
| Rammgerät „abgefackelt“. | |
| Das BI-Flugblatt umriss das Geplante: zwei Bauriegel mit fünf Stockwerken | |
| und noch drei drauf gestaffelt, höher als alle umliegenden Häuser. Büros, | |
| Büros, Büros – zu überteuerten Preisen (ab 21 Euro pro Quadratmeter). | |
| Gewerbe. Ein Hotel für „gehobene Ansprüche“. | |
| ## Mit Andrej Holm solidarisiert | |
| Kritisiert wird daran: „Der Bebauungsplan entstammt einer unrühmlichen Ära | |
| der Baufilz-Senatspolitik mit Privatisierung des Gemeinnützigen | |
| Wohnungsbaus. Selbst die politisch Verantwortlichen geben zu, dass in der | |
| Vergangenheit gravierende Fehler gemacht worden seien. Sie werden hier zu | |
| überdimensionalen Klinkerklötzen.“ | |
| Im Brief fragt die BI den Bauherrn: „Ist denn seit 2002 keine Zeit | |
| vergangen? Gab es nicht eine Entwicklung hin zu neuen Beteiligungsmodellen | |
| in der Stadtpolitik? Gab es nicht seitdem sehr kompetente Diskussionen zur | |
| nachhaltigen Stadtentwicklung? Hin zu mehr Bürgerbeteiligung?“ | |
| Genau das ist es jedenfalls, was auch die 350 Wissenschaftler vermissen, | |
| die sich mit dem neuen Staatssekretär für Wohnen, Andrej Holm, | |
| solidarisiert haben. | |
| 1 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Helmut Höge | |
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