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# taz.de -- Kolumne Wirtschaftsweisen: Im Swingerclub der Zukunft
> Sexpositiv statt pornös: Clubbesitzer suchen neuen Spaß für
> easy-jettenden Amüsiertross – und blicken neidisch auf Prager Partys mit
> nackten Männern.
Bild: Sex sells immer: Frauenbeine auf der Erotik-Messe „Venus“ in Berlin.
Die Stadt hat sich nicht nur damit abgefunden, dass vor allem junge, aber
arme „Easy-Jetter“ hier einfallen, sondern lockt diese auch mit immer neuen
Amüsierkonzepten: Nach der Technomusik, den Designerdrogen und den
verschämten Darkrooms werben nun immer mehr Clubs mit „Sex im digitalen
Strobolight“.
„Berlin hat hier europaweit eine Vorreiterstellung“, schrieb der Tip und
meinte, dass diese „sexpositiven Partys eine logische Konsequenz“ aus der
bisherigen Clubentwicklung seien; dazu listete das Magazin fünf „Locations“
auf – Tendenz steigend. Zur Forcierung der „Pornofizierung des Sozialen“
(Georg Seeßlen) gehört das erfolgreiche PornFilmFestival, die Förderung
von Stripteasekursen in einem Frauenzentrum durch die
Wirtschaftssenatorin mit 80.000 Euro und die Förderung von SM-Kursen mit
100.000 Euro durch den Kultursenator.
Einige Monate nach der 19. Sexmesse im Jahr 2015 war in Berlin die
französische Pornografin Catherine Millet „Stargast“. Sie hatte gerade ihr
zweites autobiografisches Buch – über Zwerge als die größten Ficker –
veröffentlicht und diskutierte nun mit Theologen über den „Kampf ums
Glück“. Dazu las ein Pfarrer ein Kapitel aus ihrem ersten Buch „Das
sexuelle Leben der Catherine M.“ vor: „Jacques’ Eier klatschten gegen
meinen Arsch. Nachdem er in mir abgespritzt hatte, zuckte er noch drei
Mal.“ Donnernder Applaus des Publikums im Messe-Sommergarten.
Jahre zuvor hatte bereits die erste Berliner Pornodisco KitKatClub
eröffnet. Die Geschäftsführung kommt aus der 1974 in Freiburg gegründeten
„marxistisch-reichistischen Initiative“. Die „Sex-Partys“ im Club besch…
u. a. der DJ „Clark Kent“. Im KitKatClub tritt „DramaNui“ als Sängerin…
Daneben wurde dort noch die halb inszenierte Pornofilmserie „Live aus dem
KitKatClub“ gedreht und vertrieben.
Sie war eine misslungene Kopie dessen, was ein „Producer“ aus dem San
Fernando Pornvalley seit 1998 allmonatlich in Prag veranstaltet: „Party
Hardcore“. Dazu werden rund 80 junge Tschechinnen in den Club Davida
eingeladen, wo sie von ganz schlechten aber gut gebauten Strippern
(Viagra-„Stehern“) erwartet werden, die sie mit Alkohol und wohl noch
anderen Drogen versorgen und ihnen dreist an die Wäsche gehen.
## Vögeln und tanzen
Damit es immer zum Äußersten kommt, werden dazu eine Reihe wie „Amateure“
aussehende Prostituierte angeheuert, die den fünf Strippern beim Warm-up zu
Diensten sind: Schwanz lutschen, von vorne und hinten vögeln und in den
Mund abspritzen lassen. Währenddessen wird ringsum fröhlich getanzt.
Dadurch wird nach einigen Stunden eine sexuell aufgeladene Swingerclub-Atmo
(allerdings mit viel mehr Frauen als Männer) hergestellt, sodass, wenn
alles gut läuft, schließlich mehr Mädchen mit den fünf Stehern ficken
wollen, als die das schaffen können. Sie sind dabei nackt, die Frauen
bleiben meist angezogen, weswegen die Partys auch „CFNM“ heißen: „Clothed
Female Nude Male“. Bisher gab es diese Partys bereits 190-mal. Es ist der
bisher größte Pornofilmerfolg weltweit.
Viele Prager Clubs versuchen das „CNFM“-Konzept mit angemieteten
Prostituierten zu kopieren – so wie auch einige Berliner Swingerclubs, die
man inzwischen laut Tip-Sexpartyreporterin getrost als fade und teure
Locations des einheimischen Prekariats vergessen kann. Eine in Karlshorst
wirbt mit dem sinnigen Spruch: „Wir haben Verständnis für Toleranz“.
Einige Berliner Clubs wollen sich angeblich nach Prager Vorbild
umpositionieren. Seine hiesige Kopie KitKatClub leidet jedoch nach Meinung
einer Betreiberin unter demselben „Akzeptanzproblem“ wie die Swingerclubs:
„Wenn zwei oder drei sich trauen zu vögeln, werden sie sofort von einem
Dutzend wichsender Männer umzingelt, da hört dann für die meisten Frauen
der Spaß auf. In Prag werden die mit den Strippern vögelnden Mädchen
dagegen von anderen Mädchen umringt, geküsst und gedrückt . . . Also wir
warten erst mal ab, wie sich der Clubsextrend entwickelt.“
29 Jan 2017
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Kolumne Wirtschaftsweisen
sexuelle Selbstbestimmung
Kiez
Cuvrybrache
Zoo Berlin
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