# taz.de -- Projekte der sexpositiven Szene: Hilfreiches Pornogucken | |
> In Zeiten der Kontaktsperre verlegen auch sexpositive Theatermacher:innen | |
> und Sexshop-Betreiber:innen ihre Workshops und Performances ins Internet. | |
Bild: Feministische Bilder für das eigene Begehren: Die Performance „Oh My�… | |
HAMBURG taz | Sex kann eine soziale Sache sein, muss er aber nicht. Zum | |
Glück, denn soziale Sachen sind dieser Tage eher schwierig. Außer sie haben | |
mit dem Internet zu tun: [1][Das feministische Sexshop-Kollektiv „Fuck | |
Yeah“] aus Hamburg etwa verkauft seine Dildos, Analplugs oder Harnesse | |
normalerweise im Hamburger Gängeviertel – und jetzt eben nur online. | |
Beraten werden Kund:innen etwa [2][über Instagram]. | |
Fuck Yeah veranstaltet auch Workshops: von Einführungen zu Sextoys über | |
„Dildos gegen das Patriarchat“ bis hin zu ganzen Gesprächswochenenden. Aus | |
„Fuck Yeah!“ ist erst mal „stay the fuck at home“ geworden. „Wir übe… | |
jetzt, wie wir die Workshops auch digital anbieten können“, sagt Zarah | |
Henschen vom Kollektiv. Vertreten ist das Kollektiv auch auf den anderen | |
großen Social-media-Plattformen [3][Facebook] und [4][Twitter]. | |
[5][Über Sex reden]: Das wollte man dieses Frühjahr auch in der [6][Bremer | |
Schwankhalle]. Körper, Alter, Essen, Porno: Um all das geht es – sollte es | |
gehen – im Schwerpunkt „Unverschämt“, der immerhin zur Hälfte stattfind… | |
konnte, bevor das Coronavirus die Kulturbranche zumindest live völlig | |
ausgeknockt hat. „Abgeknickt“: So nennt Janna Schmidt von der Schwankhalle, | |
was mit der Spielzeit passiert ist. | |
Auch Pornos sollten da vom Netz auf die Bühne geholt werden, Sex sollte | |
thematisiert werden und mit anderen diskutiert. Stattdessen: Abbruch und | |
viel Ratlosigkeit. „Unverschämt“ sind jetzt also nicht die Frauen*, die | |
sich Macht über ihren Körper zurückholen. Unverschämt ist ein Virus, das, | |
na ja, eben diese Macht beansprucht. Um dieser unvorhergesehenen Lage zu | |
trotzen, braucht es jetzt quasi eine Rolle rückwärts: Von der | |
Zwischenmenschlichkeit zurück in die Digitalität. „Das kann bei Porno doch | |
nicht so schwierig sein“, werden jetzt einige sagen. Ist es aber eben doch. | |
## Austausch über persönliche Erfahrungen | |
Sex ist politisch, Porno ist politisch. Ums Politische soll es aber nicht | |
gehen in den Gesprächsreihen des Projekts „letstalk“, Teil des havarierten | |
„Unverschämt“-Programmschwerpunkts der Schwankhalle. In kleinen Gruppen | |
sollen sich stattdessen Teilnehmer:innen über persönliche Erfahrungen | |
austauschen. Wichtig dabei: Niemand muss über Dinge reden, die unangenehm | |
sind. Stattdessen ist es explizit erwünscht, „Impulsen“ zu folgen – also | |
auch rauszugehen, wenn das gerade nötig ist. Teil eins, über „Sex und | |
Arbeit“, kam noch zustande, „Sex und Porno“ sowie „Sex und Alter“ fal… | |
erst mal flach. | |
Und nun? Den Initiatorinnen Klara Landwehr und Frauke Schussmann ist ein | |
Austausch über Sex auch außerhalb des Theaters wichtig: „Für viele ist es | |
erleichternd, über Sexualität zu sprechen“, sagt Landwehr. „Deswegen haben | |
wir die Veranstaltung überhaupt erst gegründet.“ Per Mail | |
([7][[email protected]]) lassen sich die Fragen, die sonst in den Gruppen | |
diskutiert werden, jetzt auch nach Hause bestellen. Warum also nicht | |
einfach mal in der WG sprechen – über Sexualität und die eigenen | |
Pornovorlieben? Das auch mal außerhalb der Beziehung oder enger | |
Freundschaften zu tun, hat System: „Für manche ist es gerade dann | |
erleichternd“, sagt Landwehr, „wenn sie mit Fremden darüber sprechen.“ | |
Mit Fremdheit spielt auch das [8][Theaterkollektiv Henrike Iglesias] aus | |
Berlin in [9][„Oh My“, einem theatralen Live-Porno], der neben der | |
Performance „Fressen“ Teil von „Unverschämt“ hätte sein sollen: Dabei… | |
die Zuschauer:*innen durch Kopfhörer zumindest räumlich voneinander | |
getrennt. Auf der Bühne experimentieren die Performer:innen währenddessen | |
mit Pornografie als Empowerment-Strategie und machen sich selbst daran, | |
erotische Bilder zu produzieren. | |
Nicht nur Nacktheit spielt dabei eine Rolle, auch ästhetische Abstraktion. | |
Den Bildern aus der Mainstream-Produktion soll gezielt etwas | |
entgegengesetzt werden. „Die Pornolandschaft muss diverser werden“, sagt | |
Marielle Schavan von Henrike Iglesias. „Wir sind auf einem guten Weg dahin, | |
aber gerade der Mainstream-Bereich ist immer noch viel von Sexismen und | |
Rassismen geprägt.“ | |
Um Tabus zu brechen, hilft Reden. Geht es um das Tabuthema Sexualität, | |
hilft neben Reden auch gemeinsames Pornogucken – um überhaupt etwas zum | |
Reden zu haben. Porno ist aber natürlich nicht gleich Porno. Und | |
feministische Pornos sind keine winzige Nische mehr. | |
Lexi Venus vom Team des Berliner „[10][PorYes Awards“] hatte die drei Filme | |
für das Feminist Porn Watching in der Schwankhalle schon rausgesucht. „Ich | |
wähle die Filme so aus, dass sie zum Reden bringen, egal ob die Leute am | |
Ende begeistert, erregt oder irritiert sind.“ Bei feministischen Pornos ist | |
das Wie wichtig, es geht um die Produktionsbedingungen vor und hinter der | |
Kamera, um diverse Körper und diverse Sexualität abseits von Gendernormen. | |
„Wir wollen Lust sehen, safer Sex, Kommunikation“, sagt Lexi Venus – „u… | |
vor allem wollen wir Konsens sehen.“ Ob totaler Trash oder hoch | |
künstlerisch, die Form sei da nicht die Frage. | |
## Zeit für Onanie | |
Nachdem es in Deutschland lange ein Zugangsproblem zu feministischen Pornos | |
gab, gibt es etwa mit [11][Pink Label TV] mittlerweile auch | |
Streaming-Plattformen. „Die hätte ich den Leuten jetzt sowieso empfohlen“, | |
sagt Lexi Venus. „Jetzt können sie eben die Praxis vor der Theorie machen.“ | |
Onanie sei gerade jetzt in der physischen Isolation besonders wichtig. | |
„Feministische Pornos können da eine tolle Inspiration sein.“ | |
Pornos gucken und über Sex reden: Das passiert in der Bremer Schwankhalle | |
in nächster Zeit also nicht. Auch wenn es richtiger Ersatz ist: Beides | |
lässt sich auch zu Hause machen. „Oh My“ stößt bei einer möglichen | |
Onlineversion aber an Widersprüche: „Unsere Performance lebt von der | |
leiblichen Ko-Präsenz von Zuschauer:innen und Performer:innen“, sagt | |
Marielle Schavan, „und davon, dass sie ein Medium, das sonst kaum live | |
konsumiert wird, auf diese Weise konsumierbar und zugänglich macht.“ | |
Wie geht es weiter? „Wenn das noch länger geht, werden wir uns darüber aber | |
Gedanken machen.“ Das hänge aber auch davon ab, ob für etwaige | |
Uminszenierungen finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Schavan macht | |
sich darüber hinaus aber Sorgen um die sexpositive Szene insgesamt: „Wir | |
waren da zumindest in Berlin an einem guten Punkt.“ Die Szene lebe | |
allerdings auch von der Live-Begegnung und davon, Berührungsängste und | |
Schamgefühle abzubauen. „Ich habe Angst, dass die Rhetorik um das | |
Coronavirus diese Fortschritte wieder einfriert“, sagt die Performerin, | |
„und uns auch nach der Ausnahmesituation noch lange begleiten wird.“ | |
17 Apr 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Sexshopkollektiv-ueber-Sexshop-Gruendung/!5522575 | |
[2] https://www.instagram.com/FuckYeah_Sexshop/ | |
[3] http://www.facebook.com/fxckyeahhamburg | |
[4] https://twitter.com/FuckYeahSexshop | |
[5] https://youtu.be/tPUchVgTxm8 | |
[6] https://schwankhalle.de/ | |
[7] /[email protected] | |
[8] https://henrikeiglesias.com/about-henrike/ | |
[9] https://vimeo.com/297928901 | |
[10] /!s=PorYes/ | |
[11] http://PinkLabel.tv | |
## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
## TAGS | |
sexuelle Selbstbestimmung | |
sex-positiv | |
Sexuelle Freiheit | |
Sexualität | |
Pornografie | |
Pornografie | |
Porno | |
Porno | |
sex-positiv | |
Freies Theater | |
Lesestück Interview | |
sex-positiv | |
Porno | |
Kolumne Wirtschaftsweisen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Erotikmesse Venus in Berlin: Starrende Männer | |
Die Venus, Deutschlands größte Erotikmesse, ist zurück. Nach zwei Jahren, | |
in denen sich die Welt verändert hat. Die Pornoindustrie auch? | |
Film über das Pornofilmgeschäft: Das Geschäft ohne Vergnügen | |
Regisseurin Ninja Thyberg seziert in ihrem Langfilmdebüt die | |
Pornoindustrie. Mit dokumentarischer Präzision zeigt sie misogyne | |
Mechanismen. | |
Pornografie bei Onlineplattform OnlyFans: Mehr Strenge für sexy Inhalte | |
Auf OnlyFans soll Pornografie doch weiterhin zugänglich sein, bei | |
veränderten Bezahlstandards. Wie das genau laufen soll, bleibt erstmal | |
unklar. | |
Alternativer Sexshop in Leipzig: Dildos shoppen ohne Scham | |
Die Voegelei ist der erste alternative Sexladen Leipzigs. Hier werden neben | |
Sextoys auch Kommunikationsworkshops angeboten. | |
Bremen-Quote für Bremer Theater: „Wir wollen uns nicht abschotten“ | |
Die freie Theaterszene Bremens fordert angesichts der Corona-Pandemie eine | |
70-Prozent-Quote für bremische Produktionen in der örtlichen Schwankhalle. | |
Sexpertin über Public Pussy Power: „Ich empfehle allen zu cruisen!“ | |
Laura Méritt betreibt den ältesten feministischen Sexshop Europas und | |
organisiert lesbische Sextreffen an öffentlichen Orten. | |
Sexshopkollektiv über Sexshop-Gründung: „Sex ist immer politisch“ | |
Im Hamburger Gängeviertel eröffnet mit „Fuck Yeah“ ein ausdrücklich | |
feministischer Sexshop. Ein Gespräch über die Besonderheiten des Ladens, | |
Aufklärung und politischen Sex. | |
Aktivistin über feministische Pornos: „Interessant und vielfältig“ | |
Die Berliner SPD will eine Filmförderung für feministische Pornos. Sie | |
sollen gebührenfrei zur Verfügung gestellt werden. Gute Idee, findet Laura | |
Méritt. | |
Kolumne Wirtschaftsweisen: Im Swingerclub der Zukunft | |
Sexpositiv statt pornös: Clubbesitzer suchen neuen Spaß für easy-jettenden | |
Amüsiertross – und blicken neidisch auf Prager Partys mit nackten Männern. |