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# taz.de -- Aussteiger in Dänemark: Exitprogramm für Dschihadisten
> Die Stadt Aarhus geht mit „Aufmerksamkeit und Angeboten“ gegen
> Radikalisierte vor. Das Programm ist bislang recht erfolgreich.
Bild: Blick auf de zweitgrößte dänische Stadt Aarhus, die als eine Hochburg …
Stockholm taz | Es passiert vermutlich nicht alle Tage, dass der
US-Präsident einen europäischen Kommunalpolitiker ins Weiße Haus einlädt,
um sich von ihm etwas über den Kampf gegen den Terrorismus erzählen zu
lassen. Jacob Bundsgaard, sozialdemokratischer Bürgermeister von Dänemarks
zweitgrösster Stadt Aarhus, wurde im vergangen Jahr diese Ehre zuteil.
Der Ruf des „Aarhus-Modells“ war offensichtlich bis zu Barack Obama
gedrungen. Der 40-jährige dänische Sozialdemokrat wollte das in einem
anschließenden Interview mit dem dänischen Rundfunk als „große Anerkennung
für die Arbeit, die unsere vielen Mitarbeiter zusammen mit der Polizei
leisten,“ verstanden wissen.
Statt sich auf übliche staatsanwaltschaftliche Verfahren für die Männer und
Frauen zu beschränken, die nach Syrien und den Irak gereist waren, um auf
Seiten des IS zu kämpfen und Monate später desilussioniert oder
radikalisiert zurückzukehren, glaubt man in Aarhus an einen anderen Ansatz:
Psychologische Betreuung, Hilfe bei der Wohnungssuche, Ausbildungs- und
Arbeitsangebote. Wolle man vermeiden, dass solche Heimkehrer Anschläge in
der Heimat planten oder erneut ausreisten, müsse man „ihnen helfen sich in
die Gesellschaft einzugliedern und ihr Leben in den Griff zu bekommen“,
sagt Preben Bertelsen.
## Mit Psychologie gegen den IS
Der Psychologie-Professor an der Universität Aarhus ist verantwortlich für
den psychologischen Teil eines Programms zur Vorbeugung gegen Extremismus
und Radikalisierung, das die Stadt Aarhus zusammen mit der regionalen
Polizei seit 2007 betreibt. [1][Das „Aarhus-Modell“] kümmert sich in
Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz PET und der muslimischen Gemeinde
von Aarhus nun auch um „IS-Kämpfer“.
Nicht nur um solche, die von dort zurückkommen, sondern auch um die, die
sich dorthin aufmachen könnten. Denen, die man in Verdacht hat, in den
„heiligen Krieg“ zu ziehen, „einfach die Ausreise zu verbieten und den Pa…
wegzunehmen, entfaltet allenfalls eine kurzfristige Wirkung“, betont
Bertelsen: „Das einzige, was man damit erreicht, ist doch das Gefühl
ausgeschlossen zu werden. Ein weiteres Element einer Diskriminierung, die
ja gerade eine Grundlage für solche Radikalisierung ist.“
Wolle man die „eigene Gesellschaft vor lebensgefährlichen Terroristen mit
effektiver Militärausbildung schützen“, müsse man langfristiger denken, als
nur über mehr Überwachung und strengere Gesetze nachzudenken, sagt auch
Bürgermeister Bundsgaard im Interview mit dem Zeitung Aarhus-Stiftstidende.
Das „Aarhus-Modell“ sei gerade aus der Erkenntnis entsprungen, es sei „na…
zu glauben, dass Gesetze Haltungen und Motive ändern können“. Bei der
Umsetzung eines alternativen Ansatzes habe man sich „erst einmal voran
tasten“ müssen, berichtet er. Man habe sich auch von Erfahrungen mit
Exit-Programmen für das Rocker-Milieu inspirieren lassen.
## Hilfsangebote werden gerne angenommen
Wenn von Streetworkern, LehrerInnen, Eltern oder Geschwistern Hinweise auf
eine Radikalisierung eingingen, setze sich ein Team von einem Dutzend
Leuten – vom Jugendamt bis zur Polizei – zusammen und überlege, wie man mit
dieser Person ins Gespräch kommen könnte. Ähnliches gelte für Kontakte zu
Syrienrückkehrern.
Spezielle Mentoren böten Hilfe an, vom alltäglichen Papierkram bis zur
Wohnungs- oder Ausbildungsplatzsuche, bei Schulproblemen oder der möglichen
Vermittlung in psychologische Betreuung. „Die meisten nehmen Hilfsangebote
gerne an“, erklärt Bundsgaard gegenüber dem Rundfunk: „Und wer sie ablehnt
– auf den werfen dann eben eventuell die Sicherheitsbehörden ein spezielles
Augenmerk.“
Während die rechtspopulistische Dänische Volkspartei von dem, was sie als
„positive Sonderbehandlung von Islamisten“ ansieht, nicht viel hält, an
nachhaltigen Erfolgen zweifelt und lieber „fragwürdige Moscheen“ und andere
„islamistische Brutstätten“ schließen möchte, fordert die linksliberale
Oppositionspartei Radikale Venstre eine Antiradikalisierungsstrategie für
alle dänischen Kommunen.
Eine erste Bilanz scheint für das „Aarhus-Modell“ zu sprechen: Seit Beginn
des Programms soll nur ein einziger Syrienrückkehrer wieder ausgereist
sein. Vorher stand Aarhus gleich hinter Kopenhagen in Dänemark an der
Spitze dieser Personengruppe.
27 Dec 2016
## LINKS
[1] http://www.aarhus.dk/sitecore/content/Subsites/Antiradikaliseringsindsats/H…
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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