# taz.de -- Kommentar Videoüberwachung: Kamerafrei ist auch ein Wert | |
> Kameras in der Öffentlichkeit steigern nur bedingt das Sicherheitsgefühl. | |
> Sie animieren nicht selten auch zum Wegschauen. | |
Bild: Nicht nur in Deutschland hat die Videoüberwachung rasant zugenommen | |
Nehmen wir zum Beispiel eine Bank, da lässt sich das Problem ganz gut | |
eingrenzen: Wenn jemand einen Banküberfall begehen will, dann hier. Eine | |
Verlagerung der Tat an, sagen wir, eine Straßenkreuzung – eher | |
unwahrscheinlich. In einer Bank also könnten Kameras, nach allem, was | |
Forscher über die Wirkung von Videoüberwachung herausgefunden haben, | |
sinnvoll sein. | |
Das Problem ist: Nur weil Videoüberwachung sich an einem Ort als hilfreich | |
erwiesen hat, ist sie das noch längst nicht überall. Doch genau dorthin | |
geht die Debatte gerade wieder, nachdem sich, wie es aussieht, eine | |
ziemlich brutale Körperverletzung in einem Berliner U-Bahnhof mit Hilfe | |
einer Kameraaufzeichnung aufklären lässt. Prompt fordern die üblichen | |
Verdächtigen mehr Kameras an mehr Orten, samt längeren Speicherzeiten. | |
Dass Kameras das Sicherheitsgefühl nicht steigern, dass sie eher zum | |
Wegschauen animieren und sich Kriminalität schlichtweg verlagert, ist lange | |
bekannt. Gegen letzteres lässt sich natürlich mit noch mehr Kameras | |
vorgehen und die heute schon unauswertbar großen Datenmengen noch etwas | |
vergrößern. Und dann? Sollen Algorithmen übernehmen? Und wer erklärt denen, | |
was eine aggressive von einer euphorischen Menschenmenge unterscheidet? Und | |
wie vielleicht Jubel in anderen Kulturen aussieht? | |
Bleibt die Strafverfolgung. Da können Kameras tatsächlich helfen. Die | |
Fragen sind aber: Wäre es womöglich auch anders gegangen? Wäre es nicht | |
sinnvoll, etwas von dem, was in Aufklärung investiert wird, in die | |
Prävention zu stecken? Und was macht es mit einer Gesellschaft, wenn jeder | |
in der Öffentlichkeit ständig das Gefühl des Überwachtseins mit sich | |
herumträgt? | |
Kameras zu fordern kostet nichts. Die Anbringung nur unwesentlich mehr. Der | |
Wert einer Gesellschaft aber, ohne permanente Überwachungskulisse, ohne den | |
dazugehörigen Konformitätsdruck und der Angst, dass eine Handlung | |
verdächtigt wirkt, ist unbezahlbar. | |
19 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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