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# taz.de -- Reaktionen auf Atomkraft-Urteil: Missverständnisse an der Börse
> Allenfalls einen Bruchteil der Forderungen der Konzerne werden erfüllt.
> Das haben nicht alle Beobachter in Wirtschaft und Politik verstanden.
Bild: Mit dem Atomausstieg fallen zum Glück bald auch diese Agenturbilder weg
Berlin taz | Wie schwer das Urteil zum Atomausstieg zu verstehen ist,
zeigte sich am Dienstag am Börsenkurs von RWE. Nachdem die ersten
Eilmeldungen verbreiteten, dass das Bundesverfassungsgericht den
AKW-Betreibern einen Anspruch auf Entschädigung zugesprochen hatte, legte
die Aktie des Stromkonzerns um knapp 5 Prozent zu. Doch bis zum Nachmittag
war ein Großteil dieses Gewinns wieder verschwunden.
Auch die Anleger haben also gemerkt, dass die AKW-Betreiber allenfalls
einen Bruchteil ihrer Forderungen erfüllt bekommen, die ursprünglich bei 19
Milliarden Euro lagen. Wie viel es genau sein wird, dazu wollten sich am
Dienstag weder die klagenden Konzerne noch die beklagte Bundesregierung
äußern. „Vor einer genauen Analyse des Urteils kann über die Höhe von
Entschädigungsansprüchen noch keine Aussage getroffen werden“, erklärte
RWE.
Doch eine Obergrenze lässt sich aus dem Urteil bereits ablesen. Denn
entschädigt werden muss allenfalls der Strom, den die Unternehmen nach dem
alten Atomausstieg von Rot-Grün hätten produzieren dürfen, nach dem neuen
Ausstieg von Schwarz-Gelb aber nicht mehr. Dieser hat an der Börse einen
Wert von 160 Millionen Euro; abzüglich der Gestehungskosten dürfte
höchstens die Hälfte als potenzieller Gewinn übrig bleiben – und dabei ist
noch nicht einberechnet, dass der Börsenpreis geringer wäre, wenn mehr
Atomstrom im Angebot wäre.
„Die Milliardenforderungen der Konzerne sind mit dem heutigen Tage vom
Tisch“, kommentierte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Noch
geringer dürfte die Summe ausfallen, die den Unternehmen für Investitionen
zusteht, die sie nach der von Union und FDP beschlossenen
Laufzeitverlängerung getätigt haben.
## „Ihr Zickzackkurs wird Milliarden kosten“
Doch zwischen dieser Verlängerung und dem erneuten Ausstieg im März 2011
lagen nur drei Monate. „Wir gehen davon aus, dass es in dieser Zeit keine
wesentlichen Investitionen gab“, sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im
Bundesumweltministerium, der taz. Widersprüchliche Signale gab es von SPD
und Grünen: SPD-Vize Ralf Stegner ging von hohen Entschädigungen aus und
machte Kanzlerin Angela Merkel dafür verantwortlich. „Ihr Zickzackkurs wird
die Steuerzahler Milliarden kosten“, erklärte er – ohne diese Zahl auf
Nachfrage zu begründen.
Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn erklärte, Merkel habe
durch die Laufzeitverlängerung „Entschädigungsforderungen erst möglich
gemacht“. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer begrüßte das Urteil hingegen
später und erklärte, das Gericht habe „die unverschämten Ansprüche der
Konzerne in die Schranken gewiesen“.
Umweltverbände reagierten überwiegend erfreut auf das Urteil. „Heute ist
ein guter Tag für den Atomausstieg“, sagte Greenpeace-Atomexperte Heinz
Smital. Jochen Stay von der Initiative .ausgestrahlt forderte als
Konsequenz aus dem Urteil, die übrigen AKWs schneller als geplant
abzuschalten. „Der Staat hat das Recht, Laufzeiten von Atomkraftwerken zu
beschränken“, erklärte er.
6 Dec 2016
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
## TAGS
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