# taz.de -- Sozialdemokraten und Freihandel: SPD im postfaktischen Zeitalter | |
> Die Partei bricht zentrale Zusagen aus ihrem Konventsbeschluss. Damit | |
> konfrontiert, verbreiten Abgeordnete schlicht die Unwahrheit. | |
Bild: War da was? Die SPD nimmt es bei Ceta nicht so genau | |
Berlin taz | Um grünes Licht für Ceta zu bekommen, hatte die SPD-Führung | |
vor dem kleinen Parteitag im September weitreichende Versprechen gemacht: | |
„Wir erwarten, dass zunächst das Europäische Parlament umfassend berät und | |
wo erforderlich, Klarstellungen erwirkt“, hieß es im Beschluss des | |
SPD-Konvents zum umstrittenen Ceta-Freihandelsabkommen zwischen der EU und | |
Kanada. | |
Die Beratungen sollten „unter Einschluss der Zivilgesellschaft“ erfolgen | |
und es solle eine „gemeinsamen Anhörung von Vertretern des Europäischen | |
Parlaments und der nationalen Parlamente“ zu Ceta geben. | |
Davon ist in der Realität nicht viel zu spüren. Das umstrittene Abkommen | |
soll unter großem Zeitdruck noch in diesem Jahr durchs EU-Parlament | |
gebracht werden – [1][ohne Beteiligung wichtiger Ausschüsse.] | |
Doch was sagen die Sozialdemokraten zu diesem Widerspruch? Das wollten auch | |
Aktivisten der Ceta-kritischen Kampagnenorganisation Campact wissen – und | |
schrieben an diverse SPD-Bundestagsabgeordnete, darunter Fraktionschef | |
Thomas Oppermann. Als Antwort kamen aus deren Büros weitgehend identische | |
[2][Schreiben], die der taz vorliegen. | |
Darin wird jeder Widerspruch zwischen den Konventsbeschlüssen und der | |
Realität bestritten. „In einer außerordentlichen Plenarsitzung im November | |
wird sich das Plenum des Europäischen Parlaments mit Ceta beschäftigen“, | |
heißt es in dem Schreiben. In Brüssel weiß allerdings niemand etwas von | |
einer solchen Sondersitzung – und die Pressestelle der Fraktion räumt denn | |
auch ein: „Das war ein Missverständnis.“ | |
Auch die versprochene Einbindung der nationalen Parlamente werde umgesetzt, | |
schreibt die SPD: Es werde „eine Ausschusssitzung des zuständigen | |
Inta-Ausschusses im EP gemeinsam mit Vertretern nationaler Parlamente | |
geben“; an dieser würden auch „Abgeordnete des Deutschen Bundestags | |
teilnehmen“. | |
## „Wenig Illusionen“ | |
Tatsächlich ist am 29. November ein Treffen in Brüssel geplant. Doch dabei | |
handelt es sich laut [3][Einladung] nicht um eine formale Ausschusssitzung, | |
sondern um eine „informelle Diskussion“ im Rahmen eines Mittagessens. Und | |
teilnehmen werden auch nicht „Abgeordnete“ des Bundestags, sondern genau | |
einer. | |
Eingeladen sind nämlich jeweils nur die Vorsitzenden der Handelsausschüsse | |
der nationalen Parlamente. Das ist in Deutschland der CSU-Abgeordnete Peter | |
Ramsauer. Weil er verhindert ist, wird voraussichtlich der SPD-Linke Klaus | |
Barthel teilnehmen. Der macht sich wenig Illusionen über seinen Einfluss | |
bei diesem Termin. „Ich habe die starke Befürchtung, dass es nur darum | |
geht, das Pflichtprogramm zu absolvieren, um Ceta dann schnell | |
durchzuziehen“, sagte er der taz. Er will das Treffen aber nutzen, um unter | |
Verweis auf eine entsprechende Resolution des Bundestags deutlich zu | |
machen, „dass wir noch eine Reihe von Fragen haben“. | |
Die haben viele andere SPD-Abgeordnete nicht mehr. Sie sehen auch die | |
inhaltlichen Forderungen des Parteitags zur Nachbesserung bereits als | |
erfüllt an. „Die SPD hat dafür gesorgt, dass die in Ceta enthaltenen | |
europäischen Standards für Verbraucher- und Umweltschutz, | |
Arbeitnehmerrechte und der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge gewahrt | |
bleiben“, heißt es im Schreiben an die Campact-AktivistInnen. | |
Das sehen nicht nur Expertinnen wie die ehemalige SPD-Justizministerin | |
Herta Däubler-Gmelin anders. Sie hatte in einem Gutachten erläutert, dass | |
die beschlossenen Zusatzerklärungen zu Ceta keine Rechtssicherheit bieten. | |
Auch Matthias Miersch, der als Sprecher der SPD-Linken den Ceta-Beschluss | |
mitgetragen hat, hält dessen Bedingungen noch nicht vollständig für | |
erfüllt. „Es gibt weiterhin große Fragezeichen beim Investitionsschutz und | |
der Sanktionierung von Verletzungen der Arbeitnehmerrechte“, sagte er der | |
taz – und warnt vor einem „Durchwinken“ des Abkommens: „Das Prinzip ‚… | |
zu und durch‘ wird bei Ceta nicht funktionieren“, meint Miersch. | |
Auch Campact-Sprecher Jörg Haas hofft, dass die Partei das Verfahren noch | |
überdenkt: „Die SPD steht bei den Bürgern und ihrer Basis im Wort.“ | |
23 Nov 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Wut-auf-EU-Parlamentspraesident-Schulz/!5356413 | |
[2] /fileadmin/static/pdf/spd-brief.pdf | |
[3] /fileadmin/static/pdf/Invitationletter_lunchdebateonCETA.pdf | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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