# taz.de -- Politisches Gerichtsurteil: Kein Asyl für syrische Bürgerkriegsfl… | |
> Schleswiger Oberverwaltungsgericht entscheidet: Syrische Flüchtlinge, die | |
> keine politische Verfolgung nachweisen können, bekommen nur begrenztes | |
> Bleiberecht | |
Bild: Kein dauerhaftes Asyl für alle Syrer, befand das Gericht in Schleswig | |
SCHLESWIG taz | Aus Syrien geflohen zu sein ist allein kein Grund, in | |
Deutschland Politisches Asyl zu bekommen. Das entschied am Mittwoch der 3. | |
Senat des Schleswiger Oberverwaltungsgerichts (OVG). Die Vorsitzende | |
Richterin Uta Strzyz begründete den Beschluss damit, dass es keine | |
gesicherten Anhaltspunkte dafür gebe, dass nach Syrien zurückkehrenden | |
Flüchtlingen, die zuvor politisch nicht verfolgt wurden, Repressionen | |
drohten. | |
Nur Schutzsuchende, die politische Verfolgung nachweisen können oder denen | |
sie bei Rückkehr droht, könnten als Asylbewerber anerkannt werden, ein | |
dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten und ihre Familie nachholen. | |
Alle anderen Geflüchteten genössen nur ein zeitlich begrenztes Bleiberecht | |
als Bürgerkriegsflüchtlinge und könnten auch ihre Familie zunächst nicht | |
nachholen. „Keiner hat vor, einen Syrer jetzt abzuschieben, darum geht es | |
in diesem Verfahren nicht“, stellte Strzyz klar. | |
Konkret verhandelte das Gericht am Mittwoch den Fall einer 33-jährigen | |
Syrerin. Sie hatte einen Asylantrag gestellt, vom Bundesamt für Migration | |
und Flüchtlinge (BAMF) aber lediglich einen „subsidiären“, und damit | |
zeitlich begrenzten Schutzstatus zuerkannt bekommen – für ein Jahr und ohne | |
die Chance, ihre vier Kinder nachzuholen. Während bis März dieses Jahres | |
fast alle aus Syrien Geflüchteten vom BAMF als Flüchtlinge im Sinne der | |
Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, gab es danach einen | |
politisch motivierten Kurswechsel – vor allem, um die Familiennachzüge zu | |
begrenzen. | |
In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Schleswig der Frau den | |
vollen Schutzstatus zuerkannt. Schon eine Flucht, so begründete das Gericht | |
seine Entscheidung, werde in Syrien „als Ausdruck einer | |
regierungsfeindlichen Gesinnung“ bewertet. Zurückgeschobene Flüchtlinge | |
müssten deshalb „mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen“. Das BAMF war gegen | |
diese Entscheidung in Berufung gegangen. | |
Das Schleswiger OVG hatte nun zur Beweisaufnahme Gutachten des Auswärtigen | |
Amts und des Orient-Instituts eingeholt. Die Fragestellung: „Wie hoch ist | |
die Gefahr, dass jemand, der vor seiner Flucht nicht politisch verfolgt | |
wurde, nach seiner Rückkehr allein aufgrund seiner Flucht nun | |
Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt ist?“ Dass das regelmäßige Praxis in Syrien | |
sei, konnten weder das Amt noch das Institut bestätigen. | |
Dass das Urteil „präjudizierende Wirkung“ für die deutsche Rechtssprechung | |
haben dürfte, bestätigt Gerichtssprecherin Birgit Voß-Güntge. Denn zum | |
ersten Mal urteilte nun ein Oberverwaltungsgericht zu dem Thema. Rund | |
113.500 Geflüchteten – darunter allein 94.000 Syrern – hat das BAMF nur | |
subsidiären Schutz zuerkannt. 32.500 von ihnen klagen derzeit. Allein in | |
Schleswig-Holstein sind derzeit noch 111 weitere Verfahren anhängig. | |
Geflohene SyrerInnen, die vor den Schrecken des Bürgerkriegs flohen, aber | |
nicht glaubhaft nachweisen können, politisch verfolgt worden zu sein, haben | |
nach der neuen OVG-Rechtssprechung nun keinen Anspruch mehr auf mindestens | |
dreijähriges Asyl und Familiennachzug. | |
Die Klägerin selbst hatte vor Gericht eine Doppelstrategie verfolgt: Sie | |
hatte nicht nur einen generellen Schutz aller syrischen Flüchtlinge – wie | |
vom Verwaltungsgericht bestätigt – angemahnt, sondern auch beansprucht, in | |
Syrien politisch verfolgt worden zu sein. Die Geschichte, welchen | |
Repressionen sie und ihre Familie in ihrer Heimat ausgesetzt waren, hatte | |
sie allerdings weder in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt noch in den | |
Schriftsätzen der bisherigen Gerichtsverfahren erwähnt. | |
Ihre Begründung, sie „sei dazu nicht gefragt worden“ und hätte zudem „A… | |
gehabt“ durch ihre Ausführungen ihre Familie in Gefahr zu bringen, fand das | |
Gericht nicht plausibel und nahm ihr deshalb ihre Verfolgungsgeschichte | |
nicht ab. So erkannte der 3. Senat auch keine individuellen Gründe für | |
einen dauerhaften Schutzstatus. | |
23 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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