# taz.de -- Hungerstreikende Flüchtlinge in München: „Brauchst du etwas?“… | |
> Seit drei Tagen sind Flüchtlinge im Hungerstreik. Schon zweimal gab es in | |
> München ähnliche Proteste. Die Erfolgsaussichten sind gering. | |
Bild: Bleibt im Schlafsack: Adeel Ahmed | |
München taz | Während er spricht, bleibt Adeel Ahmed in seinem türkisgrünen | |
Schlafsack liegen. „Wenn ich aufstehe“, sagt der Flüchtling aus Pakistan | |
auf Englisch, „dann muss ich dauernd husten.“ Eine Bronchitis ist im | |
Anmarsch, auch hat Ahmed Fieber und fühlt sich schwach. „Aber hier“, meint | |
er, „ist es besser als im Lager.“ „Lager“ – so bezeichnen die Flücht… | |
die in München seit vier Tagen im Hungerstreik sind, durchgehend die | |
Massenunterkünfte, in denen sie untergebracht sind. | |
Es ist der dritte Hungerstreik innerhalb von vier Jahren in der bayerischen | |
Landeshauptstadt, eine ähnliche Aktion hatte es im Oktober 2013 in Berlin | |
auf dem Pariser Platz gegeben. Die Forderung der Flüchtlinge von der Gruppe | |
Refugee Struggle for Freedom lautet: „Bleiberecht für alle“. Am Sendlinger | |
Tor protestieren und hungern diejenigen der Asylbewerber, die kaum eine | |
Chance haben, dauerhaft in Deutschland zu bleiben. Meist haben sie nur eine | |
Duldung oder eine Aufenthaltsgestattung – das bedeutet, dass ihr | |
Asylverfahren noch läuft. | |
An diesem vierten Tag ist die Lage teils schon kritisch, obwohl die | |
Streikenden noch Wasser zu sich nehmen. „Fünf Leute mussten bisher ins | |
Krankenhaus gebracht werden“, berichtet Adeel Ahmed, der als Sprecher | |
fungiert. Immer wieder kommt ein den Flüchtlingen vertrauter Arzt vorbei | |
und schaut nach dem Gesundheitszustand. Insgesamt 85 Frauen und Männer sind | |
an der Aktion beteiligt. Neben Asylbewerbern aus Afghanistan und Pakistan | |
sind viele Afrikaner dabei, etwa aus dem Senegal, Mali oder Gambia. | |
Das Camp besteht aus sechs Pavillons, die laut den Auflagen des städtischen | |
Kreisverwaltungsreferates (KVR) einsehbar und zugänglich sein müssen. Auf | |
dem Boden sind Holzpaletten ausgelegt, darauf dann Isomatten und | |
Schlafsäcke. Direkt um das Lager herum fährt die Trambahn. Der Verkehr | |
dröhnt, es ist feucht und kalt. | |
## Forderungen unerfüllbar? | |
Die Politik ist sich einig, dass die Forderungen nach sicheren | |
Aufenthaltstiteln für alle Flüchtlinge unerfüllbar sind. Am Anfang des | |
Protests seien grüne Stadtpolitiker vorbeigekommen, erzählt Ahmed. Später | |
wurden sie nicht mehr gesehen. Der CSU-Stadtrat Marian Offman, der auch im | |
Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde ist, besucht das Camp regelmäßig | |
und äußert sich „traurig“ über die Lage. | |
Geht es nach der Bundesregierung, sollen immer mehr Länder, aus denen | |
Menschen flüchten, als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Obwohl | |
Pakistan bislang noch nicht auf der Liste steht, traut sich Adeel Ahmed | |
nicht zurück: „Erst letzte Woche wurden 60 Menschen bei einem Anschlag auf | |
eine Polizeischule getötet.“ | |
Seine Aufenthaltsgestattung endet im April 2017. Seit drei Jahren ist der | |
jetzt 28-Jährige schon in Deutschland, er lebt in einer Unterkunft im | |
nordrhein-westfälischen Lohmar. „Wir dürfen nicht arbeiten, wir dürfen | |
nicht lernen, wir dürfen gar nichts“, klagt er. „Fünf Männer leben in ei… | |
Zimmer, das führt dauernd zu Streit und Aggressionen.“ Oft fühle man sich | |
„wie tot“. | |
Der Verlauf des Hungerstreiks ist absehbar, denkt man an die Aktionen 2014 | |
am Sendlinger Tor und 2013 auf dem Rindermarkt zurück. Erst wenn Teilnehmer | |
in Lebensgefahr geraten, wird die Stadt die Polizei beauftragen, das Camp | |
zu räumen. Ahmed will dennoch nicht aufgeben: „Ich fühle mich stärker und | |
besser, wenn ich protestiere“, sagt er. „Und in München gibt es mehr | |
Motivation als an anderen Orten.“ Ein Helfer kommt zu ihm und fragt: | |
„Brauchst du etwas?“ „Einen Pass“, sagt der Pakistaner. | |
3 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Patrick Guyton | |
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