# taz.de -- Zweifelhafte Öko-Energie: Erdgas für Veganer | |
> Viele Ökogas-Anbieter betreiben Etikettenschwindel, sagen Experten des | |
> Vereins Grüner Strom Label. Nur wenige halten sich an dessen Kriterien. | |
Bild: Eine landwirtschaftliche Biogasanlage in Aichach-Friedberg, nahe Augsburg | |
Freiburg taz | Wie wird die Erdgasheizung zur umweltgerechten Alternative? | |
Viele Gasversorger bieten Produkte an, die sie als „ökologisch“ oder | |
„klimaneutral“ vermarkten, doch viel Produkte sind zweifelhaft. | |
Häufig wählen Anbieter den virtuellen Weg: Sie beschaffen sich schlichtes | |
Erdgas und bezahlen in fernen Ländern irgendein Klimaschutzprojekt, mit dem | |
sie dann kurzerhand das eigene Gas sauber rechnen. Von „Etikettenschwindel“ | |
und „Mogelpackung“ sprach kürzlich der Verein Grüner Strom Label (GSL), d… | |
auch Gasangebote zertifiziert – und befeuerte damit die Debatte über die | |
Definition von grünem Gas. | |
Nur vier Gasprodukte von zwei Unternehmen sind bisher vom GSL zertifiziert. | |
Anbieter sind die NaturStromHandel GmbH und die zur EnBW gehörende | |
NaturEnergie+ Deutschland GmbH. Bewertet wird das Gas nach einem | |
Punkteschema, das etwa eine ausgewogene Fruchtfolge der eingesetzten | |
Pflanzen bewertet. Ausgeschlossen wird Biogas aus gentechnisch veränderten | |
Pflanzen oder solchen, die mit dem Herbizid Glyphosat gespritzt oder mit | |
Exkrementen aus der Massentierhaltung gedüngt werden. | |
Auch auf ehemaligen Grünlandflächen angebaute Energiepflanzen dürfen nicht | |
verwendet werden, weil umgebrochenes Grünland Treibhausgase freisetzt. Die | |
Verwendung von biogenen Reststoffen wie Küchenabfällen bewertet das Label | |
positiv. | |
## Etikettenschwindel | |
Mit Naturstrom führt allerdings nur einer der vier großen unabhängigen | |
Ökoenergie-Anbieter das Gaslabel. Die Hamburger Firma Lichtblick nennt die | |
GLS-Kriterien vernünftig, scheitert aber an der geforderten Beimischung: | |
Für das Label muss das Endprodukt mindestens zehn Prozent an zertifiziertem | |
Biogas enthalten. Lichtblick mischt aus Kostengründen nur fünf Prozent bei. | |
Die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) setzen zwar zehn Prozent Biogas ein, | |
das sie von einer Aufbereitungsanlage in Altenstadt bei Kaufbeuren | |
beziehen. Diese gewinnt das Biomethan aus überlagerten Lebensmitteln, | |
Reststoffen aus Käsereien und Molkereien sowie Schlachtabfällen und | |
Biomüll. Das Ökogas-Label trägt das EWS-Produkt dennoch nicht: Die | |
Schönauer verzichten generell auf Label, die auch von Firmen aus der | |
Atomwirtschaft beantragt werden können. | |
Greenpeace Energy als der vierte Anbieter im Bunde erklärt zwar, dass es | |
durchaus eine Reihe von Substraten gebe, die eine „ökologisch akzeptable | |
Biogasproduktion“ ermöglichten: Abfälle. Reste aus der | |
Lebensmittelverarbeitung, Landschaftspflegematerial, Zwischenfrüchte oder | |
Mist und Gülle aus artgerechter Tierhaltung. | |
Für größere Kundenzahlen reicht die Menge nicht. Deshalb vertreibt | |
Greenpeace Energy kein Biogas und setzt dafür auf „vegane | |
Qualitätsstandards“: Der Anbieter mischt seinem Produkt „Windgas“ bei, | |
Wasserstoff, der aus überschüssigem Windstrom mittels Elektrolyse gewonnen | |
wird. Der Anteil liegt zwischen 0,1 und 0,8 Prozent. Ziel ist vor allem, | |
die Technik, Power-to-Gas genannt, voranzubringen. | |
Wenig innovativ ist das Konzept, die CO2-Emissionen des Erdgases | |
rechnerisch an anderer Stelle zu kompensieren. „Statt den schönfärbenden | |
Weg der Kompensation zu gehen, zeigen wir, wie Biogas naturverträglich | |
erzeugt werden kann“, sagt GSL-Vorstandsmitglied Werner Neumann. Für 100 | |
Prozent erneuerbare Energien brauche man auch Biogas. | |
21 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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