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# taz.de -- IEA-Chef über Energie in Afrika: „Ein grüner Kontinent“
> Riesige Potenziale sieht Fatih Birol, Exekutivdirektor der
> Internationalen Energieagentur, in Afrika, aber auch große Probleme: Es
> fehle Sicherheit für Investitionen.
Bild: Elektro-Montagearbeiten in Lagos, Nigeria
taz: Herr Birol, Sie betonen die enge Verbindung von Energieversorgung und
Entwicklung. Aber sind viele Länder in Afrika nicht in einem Teufelskreis:
Ohne Energie keine Entwicklung, aber ohne stabile politische Strukturen
kein Fortschritt bei der Energie?
Fatih Birol: In meinen Augen ist Energiearmut das größte Problem in
Energiefragen. In Afrika südlich der Sahara ist der Entwicklungsstand so
gering, dass hier 400 Millionen Menschen in extremer Armut leben – das
heißt, von weniger als 1,90 Dollar am Tag. Und mehr als 630 Millionen
Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität. Das ist nicht trivial. Da
geht es nicht nur darum, dass sie kein Licht haben, sondern auch um
Gesundheit. Tausende von Krankenhäusern in Afrika haben keinen Strom, sie
können keine Instrumente nutzen, wie wir sie kennen. Die Menschen haben zu
Hause keine Kühlschränke für Medikamente. Unter diesen Bedingungen können
sich Krankheiten wie etwa Ebola schneller ausbreiten. Deshalb hängt die
soziale und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas untrennbar mit dem Zugang
zur Stromversorgung zusammen.
Sie sagen, Afrika hat große Potenziale, aber gleichzeitig große Probleme.
Wo sehen Sie da eine Lösung?
Afrika hat riesige Vorräte an Gas, Öl und erneuerbaren Energien. Die Sonne
scheint 300 bis 320 Tag im Jahr, sehr gute Voraussetzung für Solarenergie.
Und trotzdem gibt es diese Energiearmut. Denn es fehlt die Verbindung
zwischen diesem Potenzial und der großen Nachfrage: die Investitionen.
Geldgeber scheuen das Investitionsklima in vielen afrikanischen Staaten,
auch wenn sich das langsam ändert. Dann gibt es zweitens als großes Problem
die Regierungsführung in manchen Ländern.
Wohin fließen die Investitionen im Energiesektor Afrikas?
Das ist ein großes Problem bisher. Von drei Dollar, die dort investiert
werden, fließen zwei in die Infrastruktur für den Export. Und nur ein
Dollar, um damit Kraftwerke für die Afrikaner zu bauen. Diesen Wert müssen
wir erhöhen. Das passiert langsam. Südafrika, Ghana, Kenia, Ruanda,
Tansania oder Mosambik öffnen sich und ziehen auswärtiges Kapital an.
Gerade in Afrika spricht man oft vom „Ressourcenfluch“. Länder mit großen
Ressourcen geraten öfter in Konflikte, weil es etwas zu verteilen gibt. Wie
wollen Sie die verhindern?
Das größte Problem hier ist Nigeria. Es ist eines der reichsten Länder und
hat viel Öl, Gas und Mineralien. Aber von mehr als 170 Millionen Einwohnern
haben 95 Millionen keinen Zugang zu Strom. Ich finde das eine der
schockierendsten Zahlen in der Welt. Dazu kommt: Jeden Tag werden dort am
helllichten Tag und vor aller Augen große Mengen Öl aus den Pipelines
gestohlen.
Selbst wenn das Investment kommt: Wie stellen Sie sicher, dass der Strom zu
den Menschen auf dem Land kommt, wo er am dringendsten gebraucht wird?
Investoren müssen schauen, wie ihre Investitionen genutzt werden. Wenn mehr
Geld in die Infrastruktur der Städte fließt, hilft das der Entwicklung auf
dem Land nicht. Einige Regierungen lösen das, indem sie Anreize für kleine
Netze bei Erneuerbaren setzen, die der ländlichen Bevölkerung zugutekommen.
Liegt die Zukunft Afrika eher bei den erneuerbaren oder den fossilen
Energien?
Afrika kann etwas Einmaliges in der Geschichte der Energiewirtschaft
realisieren. Unsere reifen Volkswirtschaften in Amerika, Europa und Asien
haben sich entwickelt, indem sie viel Kohle verbrannt haben. Wenn wir uns
die Zahlen anschauen, dann sagen wir: Afrika kann seine Entwicklung auf der
Basis erneuerbarer Energien vorantreiben. Sie werden immer noch fossile
Brennstoffe nutzen – vor allem Erdgas, das es in großen Mengen gibt. Aber
es wird das erste Mal in der Geschichte sein, dass sich eine ganze Region,
ein ganzer Kontinent auf der Basis erneuerbarer Energien entwickelt. Afrika
kann der grüne Kontinent werden, mit guten Resultaten bei der
wirtschaftlichen Entwicklung. Und kann ein sehr gutes Beispiel für den Rest
der Welt geben.
Manche Leute sagen: Mit Afrika betritt das nächste China die Bühne der
Energiepolitik. Für das Klima wäre das ein Desaster.
Das ist absolut falsch. Afrika hat bisher historisch zu den globalen
CO2-Emissionen 2 Prozent beigetragen. Selbst wenn dort eine Milliarde
Menschen Strom bekommt, werden sich die nur auf 3 Prozent erhöhen. Afrika
ist nicht schuld am Klimawandel – im Gegenteil: Afrika ist ein Opfer des
Klimawandels, denn es wird am meisten betroffen sein, etwa durch Dürren.
Die IEA warnt davor, jetzt noch fossile Kraftwerke zu bauen, die
jahrzehntelang am Netz bleiben. Außerdem sagen Sie, dass für effektiven
Klimaschutz zwei Drittel der fossilen Ressourcen im Boden bleiben müssen.
Stört das nicht Ihre Entwicklungsstrategie für Afrika?
Nein, denn die Entwicklung der Erneuerbaren im großen Maßstab würde Afrika
auf eine völlig anderen Entwicklungspfad bringen als Europa oder die USA.
Sonne, Wind und die Wasserkraft, die auch ein riesiges Potenzial hat,
können zusammen mit Erdgas den Kontinent auf einen Pfad der nachhaltigen
Entwicklung bringen. Europa und die USA haben eine riesige Infrastruktur
für Kohle aufgebaut und versuchen jetzt, das wieder zurückzudrehen. Mit
allen wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten, die das mit sich
bringt.
Welche Bedeutung hat die deutsche Energiewende für Afrika?
Deutschland ist einer der Weltmeister bei den Erneuerbaren. Es wäre deshalb
für Afrikas wirtschaftliche Entwicklung sehr gut, diese Erfahrungen mit den
afrikanischen Ländern geteilt würde. Deutschland hat da eine ganz wichtige
Rolle.
19 Nov 2016
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Afrika
Energie
Energiewende
Schwerpunkt Klimawandel
Energiekrise
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Ghana
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Afrika
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