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# taz.de -- Nach der Parlamentswahl: Islands Regierungschef tritt zurück
> Die Isländer haben ihre Regierung abgesägt – die Bildung der neuen wird
> schwierig. Dass zwei Parteien keine Mehrheit bilden können, ist völlig
> ungewohnt.
Bild: Sigurður Ingi Jóhannsson reicht den Rücktritt ein
Reykjavík dpa/AFP | Island steht nach der Parlamentswahl vor einer
schwierigen Regierungsbildung. Die Mitte-Rechts-Regierung aus
Rechtsliberalen und Konservativen hatte ihre Mehrheit verloren. Aber auch
ein von den Piraten angestrebtes Viererbündnis mit Links-Grünen,
Sozialdemokraten und der Partei „Bright Future“ hat trotz großer Zugewinne
für die Piraten keine Mehrheit im isländischen Parlament. Wer künftig in
dem Inselstaat im Nordatlantik regiert, war deshalb am Tag nach der Wahl
noch unklar. „Wir stehen vor einer ganz neuen Situation“, sagte der
Journalist Thordur Snaer Juliusson am Sonntag. „Alles kann passieren.“
Der neuen Reform-Partei „Vidreisn“, die es als siebte Partei ins Parlament
schaffte (10,5 Prozent, 7 Sitze), kommt wohl eine Schlüsselrolle bei den
Verhandlungen in den nächsten Tagen zu. Sie besteht zu einem großen Teil
aus Ex-Konservativen, die eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen
EU-Beitritt Islands befürworten und sich deshalb mit ihrer Partei
überworfen hatten.
„Vidreisn“-Chef Benedikt Jóhannesson sagte am Sonntag, er gehe davon aus,
dass seine Partei zuerst das Mandat für eine Regierungsbildung von
Präsident Gudni Jóhannesson bekommen werde. Der Chef der Konservativen,
Bjarni Benediktsson, erklärte dagegen im öffentlichen Rundfunk, es sei „die
offensichtliche Wahl“, dass seine Partei als stärkste Kraft diese Chance
als erste erhalten sollte.
Die Wahlbeteiligung war mit 79,2 Prozent historisch gering (2013: 81,4
Prozent) – und das spielte wohl den Konservativen in die Karten, deren
Wähler älter und treuer sind als die der jüngeren Parteien. Mit 29 Prozent
der Stimmen (21 Sitze) sind sie stärkste Kraft, gefolgt von den
Links-Grünen (15,9 Prozent, 10 Sitze) und den Piraten (14,5 Prozent, 10
Sitze).
## Piratenpartei jubelt
Den rechtsliberalen Regierungspartner (11,5 Prozent, 8 Sitze) straften die
Wähler dagegen ab. Die Partei verliert 11 Sitze, was der bisherige
rechtsliberale Regierungschef Sigurdur Ingi Jóhannsson vor allem den
„Panama Papers“ zuschreibt. Am späten Nachmittag reichte Jóhannsson sein
Rücktrittsgesuch bei Präsident Jóhannesson ein, der ihn gebeten habe, bis
zur Bildung einer neuen Regierung im Amt zu bleiben, sagte Johannsson
anschließend vor Journalisten in Reykjavik.
Nach den Enthüllungen über Briefkastenfirmen in Steueroasen hatte sein
Vorgänger Sigmundur David Gunnlaugsson im April zurücktreten müssen. Er
hatte verschwiegen, dass seine Frau eine Offshore-Firma auf den Britischen
Jungferninseln besitzt. Die Enthüllungen hatten die größten Proteste in der
Geschichte Islands ausgelöst. Die Wahlen waren deshalb vorgezogen worden.
Die 2012 nach schwedischem Vorbild gegründete Piratenpartei kann die Zahl
ihrer Sitze im Parlament mehr als verdreifachen. „Die Tatsache, dass uns so
viele Isländer vertrauen, ist großartig“, jubelte die Piraten-Abgeordnete
und Mitgründerin Birgitta Jónsdóttir. Umfragen vor der Wahl hatten die
Piraten, die sich für mehr direkte Demokratie und Transparenz einsetzen,
allerdings bei 18 bis 20 Prozent gesehen.
Einen Wahlerfolg feierten die Links-Grünen. Vor der Wahl hatte die Partei
um Katrín Jakobsdóttir mit der Piratenpartei, Sozialdemokraten und der
Bright-Future-Partei die Zusammenarbeit in einem Viererbündnis vereinbart,
sollten die Parteien eine Mehrheit erreichen. Das scheiterte vor allem an
dem historisch schlechten Abschneiden der Sozialdemokraten. Die Partei
rutschte auf 5,7 Prozent ab und verliert damit sechs ihrer neun Sitze.
Im Wahlkampf hatten die Parteien unter anderem über das unterfinanzierte
Gesundheitswesen und die Besteuerung in der Fischindustrie diskutiert. Auch
die EU war ein Thema: Mehrere Parteien fordern ein Referendum darüber, ob
die nach der letzten Wahl abgebrochenen Gespräche mit der EU wieder
aufgenommen werden sollten. Die Piraten setzen sich außerdem dafür ein,
dass eine neue Verfassung übernommen wird, für die sich eine Mehrheit in
einer Volksabstimmung 2012 ausgesprochen hatte. Seitdem liegt das Projekt
auf Eis.
30 Oct 2016
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