# taz.de -- Nach Parlamentswahlen in Island: „Teflon-Haut“ will Regierung b… | |
> Ihre Mitte-Rechts-Regierung haben die Isländer aus dem Amt gescheucht. | |
> Die Konservativen bleiben stärkste Partei, suchen jetzt aber neue | |
> Partner. | |
Bild: Charmant und unantastbar: Islands mutmaßlicher neuer Regierungschef Bjar… | |
Reykjavík dpa | Nach [1][der Parlamentswahl in Island] will der | |
konservative Parteichef Bjarni Benediktsson eine neue Regierung bilden. | |
Dazu erteilte ihm der isländische Präsident Gudni Th. Jóhannesson am | |
Mittwoch nach einem Treffen in Reykjavík den Auftrag. Die Konservativen | |
waren aus der Wahl am Samstag mit 21 Sitzen im Parlament als stärkste | |
Partei hervorgegangen. | |
Sie können aber nicht wie bisher gemeinsam mit den Rechtsliberalen | |
regieren. Durch die Enthüllungen der „Panama Papers“ im Frühjahr war die | |
ohnehin strauchelnde Fortschrittspartei noch mehr in Bedrängnis geraten. | |
Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson musste gehen. Bei den Wahlen | |
waren die Rechtsliberalen abgestürzt. Im neuen Parlament haben sie nur noch | |
acht Sitze – einer Mitte-Rechts-Regierung fehlt deshalb die Mehrheit. | |
Er wolle jetzt mit allen Parteien reden, sagte Benediktsson am Mittwoch. | |
Doch der 46 Jahre alte bisherige Finanzminister steht vor einer schwierigen | |
Aufgabe. Neben Konservativen, Rechtsliberalen, [2][Piraten] und | |
Links-Grünen hatten es die Sozialdemokraten, die neue Partei „Vidreisn“ | |
sowie die 2013 zum ersten Mal angetretene Partei „Bright Future“ ins | |
Parlament geschafft. | |
Gewohnt sind die Isländer Mehrheits-Koalitionen aus zwei Parteien, doch das | |
ist diesmal nicht möglich. Mit den beiden zweitstärksten Parteien, den | |
Links-Grünen (10 Sitze) und Piraten (10 Sitze), kommen die Konservativen | |
jeweils nur auf 31 Abgeordnete in dem 63 Sitze starken Parlament. Die | |
Piraten, [3][die kräftig zugelegt hatten], haben eine Koalition mit den | |
Konservativen zudem schon ausgeschlossen. | |
## Nichts ist unmöglich | |
Beobachter halten eine „Regenbogen-Koalition“ aus Konservativen, | |
Links-Grünen und der neuen Partei „Vidreisn“ (7 Sitze) für möglich. | |
„Vidreisn“ besteht vor allem aus Ex-Konservativen, die eine Wiederaufnahme | |
der Gespräche über einen EU-Beitritt Islands befürworten und darüber mit | |
ihrer Partei in Konflikt geraten waren. | |
„Nichts ist unmöglich, außer, dass die Fortschrittspartei Teil einer neuen | |
Regierung wird“, sagte der Journalist Thordur Snaer Juliusson der Deutschen | |
Presse-Agentur. Ob sich Benediktsson mit anderen Parteien auf eine | |
Zusammenarbeit einigen kann, ist nicht sicher. Eine Frist dafür gibt es | |
nicht. Am Wochenende oder Anfang kommender Woche will sich Präsident | |
Jóhannesson aber erneut mit Benediktsson treffen, um sich über den Stand | |
der Koalitionsgespräche zu informieren. | |
Benediktsson, bisheriger Finanzminister, ist ein einflussreicher Politiker | |
aus einer gut vernetzten Familie, die das politische und wirtschaftliche | |
Geschehen in Island seit Jahrzehnten mitbestimmt. Für seine politischen | |
Gegner ist er ein Vertreter der Machtelite, die dem kleinen Land durch die | |
weit verbreitete Vetternwirtschaft schade. | |
Parteifreunde beschreiben Benediktsson als überdurchschnittlich fähigen | |
Politiker, der sich mit den isländischen Finanzen auskennt wie kein | |
anderer. Seine Gegner macht es wütend, dass er die Enthüllungen durch die | |
„Panama Papers“, in denen auch Benediktssons Name auftauchte, dank seiner | |
„Teflon“-Haut schadlos überstanden habe. | |
Doch selbst sie schreiben dem 46-jährigen Golfspieler und Familienvater | |
eine gewisse Star-Qualität zu: „Wenn er einen Raum betritt, beherrscht er | |
ihn. Die Leute sehen zu ihm auf“, sagt die Piratin Sara Oskarsson über ihn. | |
„Er ist sehr charmant.“ | |
2 Nov 2016 | |
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