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# taz.de -- Verluste der deutschen Banken: Auf der Spur des verlorenen Geldes
> Ein gigantischer Teil des deutschen Auslandsvermögens hat sich in Luft
> aufgelöst. Der Grund: Es geht der Exportwirtschaft zu gut.
Bild: Kein Moos in der Hos(e)
BERLIN taz | Eine Billion Euro sind einfach weg. Verschwunden. Dieses
deutsche Vermögen gibt es nicht mehr; es ist im Ausland abhandengekommen.
Doch niemand regt sich auf. Die allermeisten Deutschen wissen nicht einmal,
dass Jahr für Jahr Milliarden verlorengehen.
Die verschwundene Billion lässt sich nämlich nur entdecken, wenn man zwei
Statistiken miteinander abgleicht, die beide – auf den ersten Blick – nicht
besonders aufregend wirken. Das erste Zahlenwerk sind die deutschen
Exportüberschüsse. Bei der zweiten Aufstellung handelt es sich um das
deutsche Auslandsvermögen, das die Bundesbank erhebt. Diese beiden
Statistiken passen nicht mehr zusammen.
Das deutsche Netto-Auslandsvermögen belief sich Ende 2015 auf 1,476
Billionen Euro. Diese Summe ergibt sich, wenn man von den deutschen
Geldanlagen die deutschen Schulden im Ausland abzieht.
1,476 Billionen Euro, das wirkt sehr stattlich. Doch eigentlich müssten die
Deutschen noch viel mehr Nettovermögen im Ausland besitzen. Denn seit 1999,
seit der Einführung des Euros, exportiert Deutschland permanent mehr Güter
und Dienstleistungen, als es importiert.
## Die perfide Logik von Exportüberschüssen
Die Exportüberschüsse summieren sich mittlerweile auf insgesamt 2,634
Billionen Euro – sie liegen somit mehr als 1 Billion Euro über dem
Auslandsvermögen. Dabei müssten beide Summen ungefähr gleich hoch sein. Wo
also ist diese Billion geblieben?
Der seltsame Schwund lässt sich am besten verstehen, wenn man sich der
perfiden Logik von Exportüberschüssen widmet. Auf den ersten Blick wirkt es
beruhigend, wenn ein Staat mehr exportiert als importiert: So nimmt das
Land ständig mehr Geld aus dem Ausland ein, als es selbst für Einfuhren
ausgibt. Man spart also und häuft Finanzmittel an. Wie gesagt: Seit 1999
summieren sich die deutschen Exportüberschüsse auf 2,634 Billionen.
Leider gibt es eine Kehrseite: Deutsche Überschüsse kann es nur geben, wenn
andere Staaten mehr importieren als exportieren. Die Bürger und Firmen
dieser Defizitländer können sich ihre Einkaufstouren in Deutschland aber
nur leisten, weil sie dafür Kredite aufnehmen. Diese Darlehen stammen
direkt oder indirekt von den deutschen Banken, denn sie ertrinken in Geld.
Schließlich sammeln sich bei ihnen all die Erlöse, die die deutschen
Exportunternehmen im Ausland erzielen.
Es gibt vielfältige Formen, wie die deutschen Banken die Bürger, Firmen und
Banken in den Importländern mit Geld versorgen können: Sie können direkt
Kredite vergeben, aber sie können auch Aktien kaufen, Staatsanleihen
erwerben, mit Derivaten handeln oder Devisen aufhäufen. All diese Posten
finden sich dann später in der Bundesbank-Statistik zum deutschen
Netto-Auslandsvermögen wieder.
## Eine außergewöhnliche Pleite
Letztlich ist es egal, wie die deutschen Banken ihr Geld im Ausland
anlegen. Denn sie verbuchen in jedem Fall Verluste, weil die ausländischen
Kreditnehmer irgendwann überschuldet sind und die Kredite nicht tilgen
können. Dann ist das Geld weg.
Typisch war die weltweite Finanzkrise ab 2007: Damals versanken Länder wie
die USA, Großbritannien, Irland oder Island im Chaos, weil ihre Banken
zuvor höchst windige Baukredite vergeben hatten. Als die heimische
Immobilienblase platzte, brach natürlich auch das Geschäftsmodell der
britischen oder amerikanischen Banken zusammen.
Doch seltsam: Auch der gesamte deutsche Bankensektor war pleite – obwohl es
in Deutschland gar keine Immobilienblase gegeben hatte. Das war weltweit
außergewöhnlich.
Wieso aber waren fast alle deutschen Banken in diesen Crash involviert, der
sich doch eigentlich im Ausland abspielte? Das wird in Deutschland
seltsamerweise fast nie gefragt. Stattdessen wird es allein der „Dummheit“
oder der „Gier“ der Banker zugeschrieben, dass sie toxische Ramschpapiere
in den USA erwarben, zu viele internationale Schiffskredite vergaben oder
marode irische Banken aufkauften.
Zwar besteht kein Zweifel, dass viele Banker nur an ihre Boni denken. Aber
jenseits dieser individuellen Verfehlungen gibt es auch einen strukturellen
Grund, warum die deutschen Banken garantiert Geld verlieren: Die deutschen
Exportüberschüsse sind nur möglich, wenn man permanent Kredite ans Ausland
gewährt.
## Unzureichender Stresstest
Auch in der Eurokrise wurde dieser Mechanismus sichtbar: Die Krisenländer
hatten sich vor allem in Deutschland und in Frankreich verschuldet. Der
Eurorettungsschirm wurde nicht etwa aufgespannt, um Griechenland zu retten
– sondern um das Überleben der deutschen Banken zu sichern.
Momentan sorgt die Deutsche Bank für Schlagzeilen, weil ihr Eigenkapital
nicht reichen könnte, um die Strafen zu stemmen, die sie wegen diverser
betrügerischer Manipulationen noch zahlen muss. Aber der Blick auf die
Deutsche Bank verstellt, dass es auch den meisten anderen Banken in
Deutschland nicht gut geht. Zwar haben sie alle den letzten Stresstest der
Europäischen Zentralbank (EZB) überstanden, aber nur, weil die Annahmen
extrem sonnig waren: Es kamen alle Banken durch, die einen
Wirtschaftseinbruch von 1,5 Prozent überstehen können. Bei der letzten
Finanzkrise sank die deutsche Wirtschaftsleistung jedoch um 5 Prozent.
Wie dramatisch die Lage der deutschen Banken ist, zeigt auch das Paradox,
dass sie derzeit kaum Gewinne machen, obwohl die Wirtschaft wächst und die
Arbeitslosigkeit sinkt. Aber die Profite werden aufgezehrt, weil jedes Jahr
Milliarden im Ausland verloren gehen.
30 Oct 2016
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Wirtschaftskrise
Bankenkrise
Kredite
Export
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