# taz.de -- Faule Schiffskredite: Norddeutsche Wertberichtigung | |
> Gescheiterte Schiffsfinanzierungen sind eine schwere Hypothek auf der HSH | |
> Nordbank. Kleine Reeder klagen, sie bluten für unsolides Wirtschaften der | |
> Großen. | |
Bild: Seit Kurzem nicht mehr Herr über das eigene Schiff: Reeder Jörg Köpping | |
HAMBURG taz | Schrott sieht anders aus. Dieses Containerschiff hat einen | |
beheizten Indoorpool, in dem sich die Mannschaft entspannen kann. Brücke, | |
Maschinenraum, Elektronik: alles bestens gewartet. Der Frachter wurde mit | |
einem modernen Treibstoffsparmodus nachgerüstet. Er kann sich einen Weg | |
durchs Eis bahnen. Und doch, sagt Reeder Jörg Köpping, liege der Wert des | |
Schiffs nur knapp über dem Schrottpreis. Drei bis vier Millionen US-Dollar | |
bekäme man jetzt dafür, wenn man es verkaufte. | |
Vor zehn Jahren erwarb Köpping die 2001 in Südkorea gebaute „Lantau Arrow“ | |
für 27 Millionen US-Dollar. Das war kurz vor dem Zusammenbruch des | |
internationalen Schiffsmarkts. Den größten Anteil an der Finanzierung | |
lieferte die HSH Nordbank, mit einem Kredit in Höhe von 15 Millionen | |
Dollar. Zurückgezahlt hat Köpping davon noch keinen Cent. „Tilgen ist nicht | |
möglich“, sagt er. „Wir decken gerade mal so die Betriebskosten und können | |
die Zinsen bedienen. Mehr ist nicht drin.“ An diesem Aprilmorgen hat die | |
„Lantau Arrow“ im Hamburger Hafen angedockt. 600 Container hat sie aus | |
Danzig gebracht. 1.050 könnte sie maximal laden. | |
Seit Kurzem hat Jörg Köpping nicht mehr die Hoheit über das Schiff. Es | |
wurde faktisch von den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein übernommen. | |
Das habe man ihm in einer E-Mail mitgeteilt. Die „Lantau Arrow“ ist also | |
eines jener 250 Pleiteschiffe, die die Nordländer in eine | |
Abwicklungsgesellschaft überführt haben. | |
Die Regierenden in Hamburg und Kiel hüten die Identität dieser Flotte wie | |
ein Staatsgeheimnis. Nicht einmal die Abgeordneten dürfen die Namen der | |
Schiffe erfahren, geschweige denn die Werte, mit denen sie in der Bilanz | |
verbucht sind. Nicht wenige Experten meinen, diese Geheimhaltung sei mit | |
der Parlamentshoheit über die Haushalte in der Demokratie nicht vereinbar. | |
## „Am Ende muss der Steuerzahler aufkommen“ | |
Spräche man im Detail über die Liste, erführe die Öffentlichkeit, dass die | |
2,4 Milliarden, die die 250 Schiffe angeblich noch wert sein sollen, zu | |
optimistisch kalkuliert sind und der Wert deutlich nach unten korrigiert | |
werden müsste. Die Badbank sagte eine ursprünglich für Mai terminierte | |
Pressekonferenz ab. Reeder Jörg Köpping dagegen hält nichts von | |
Geheimniskrämerei. In der ARD-Sendung „Panorama“ legt er die Karten auf den | |
Tisch: „Am Ende wird der Steuerzahler für die Verluste aufkommen müssen, so | |
leid es mir tut.“ | |
Die „Lantau Arrow“ und die Abwicklungsgesellschaft öffentlichen Rechts | |
stehen zwar für das Desaster der HSH Nordbank. Doch innerhalb der HSH | |
Nordbank befindet sich eine zweite Badbank, in der faule Kredite für rund | |
sechshundert weitere Schiffe liegen. Nach Recherchen von „Panorama“ klopfen | |
zurzeit Finanzinvestoren bei den Landesbankern an, um für diese | |
Schrottschiffe zu bieten. 30 Prozent vom Wert der ungetilgten Kredite wolle | |
ein ausländischer Kaufinteressent zahlen. | |
Das wäre ein durchaus interessantes Geschäft, angesichts der desolaten Lage | |
auf dem Schiffsmarkt, erläutert der Informant, ein Branchenkenner. Aber der | |
Senat in Hamburg und die Regierung in Kiel hätten abgelehnt, weil dann auf | |
einen Schlag enorme zusätzliche Verluste ans Licht kämen. | |
Die HSH Nordbank will sich zu den konkreten Angeboten nicht äußern. Wegen | |
der Zehn-Milliarden-Garantie, mit der Hamburg und Schleswig-Holstein für | |
die Bank einstehen, dürfen Kreditforderungen nach geltendem Recht nicht | |
unter Wert verkauft werden. | |
## 17 Milliarden Euro Verlust | |
Experten wie der renommierte Bonner Ökonom Martin Hellwig erwarten einen | |
Gesamtverlust für den Steuerzahler in Höhe von mindestens 17 Milliarden | |
Euro. „Die Nerven liegen blank in der Bank und in den Regierungszentralen“, | |
berichtet eine Insiderin. Der Senat und die Landesregierung in Kiel | |
bekräftigen auf Anfrage, sie seien bemüht, die Verluste für die | |
Steuerzahler zu minimieren. | |
Derweil verhandelt die Staatsbank mit den Kreditnehmern hinter den Kulissen | |
über Schuldenschnitte und Restrukturierungen. Seit dem Fall des | |
Finanzjongleurs und nebenberuflichen Reeders Bernd Kortüm vom Herbst ist | |
der Druck auf die Landesregierungen noch einmal gestiegen. Dass dem | |
Hamburger Unternehmer 547 Millionen Euro Schulden erlassen wurden, | |
empfanden viele als Ausverkauf. Kurz darauf erwarb Kortüm eine Jacht und | |
nannte das „ein Schnäppchen“. Der Reeder will sich zum Schuldenerlass nicht | |
äußern. | |
„Mit den Großreedern muss man hart verhandeln, man muss sie bei ihrer | |
Eitelkeit packen“, fordert Wolfgang Topp, der bis vor einem Jahr bei der | |
HSH Nordbank für diese Dinge zuständig war. Anfragen von „Panorama“ | |
beantworten die großen Reeder von Döhle über Kortüm bis Betram Rickmers | |
nicht. Der Politik gegenüber verkaufen sie sich als zu groß und wichtig, um | |
abgewickelt zu werden. | |
Als würden die Reeder den gesamten Hamburger Hafen mit in den Abgrund | |
ziehen. Vor allem im Senat scheinen das einige zu glauben. „Hamburg ist der | |
Hafen und der Hafen ist Hamburg“, sagte der Wirtschaftssenator Frank Horch | |
(parteilos) ganz beseelt auf der jüngsten Nationalen Maritimen Konferenz. | |
Das bedeutet, dass man auf die Hafenwirtschaft eben Rücksicht nehmen muss. | |
Keine Rücksicht scheint die HSH Nordbank hingegen für kleinere Reeder zu | |
kennen, die ihre Schiffe vergleichsweise solide finanziert haben, nicht nur | |
mit Bankdarlehen, sondern auch mit Eigenkapital. Reederin Birte Schmalfeld | |
berichtet vom Besuch eines HSH-Vertreters in ihrem Büro in Hörsten unweit | |
des Nord-Ostsee-Kanals. | |
## Die Kleinen müssen bluten | |
Der Mann aus der Shipping-Abteilung habe ihr mitgeteilt, die Bank werde den | |
Kreditvertrag für das Containerschiff „Agila“ nicht verlängern. Durch den | |
Verkauf habe sie den ausstehenden Kredit von 2,8 Millionen Euro komplett | |
zurückzahlen können. Die 1,2 Millionen Euro Eigenkapital habe ihr | |
Familienbetrieb hingegen verloren. „Die Kleinen werden gegen die Wand | |
gefahren, die Großen werden geschont,“ meint Reederin Schmalfeld bitter. | |
Mit dem Vorwurf konfrontiert, teilt die HSH mit, sie handele stets „zum | |
Wohl der Bank“. | |
Die staatliche Bank habe mit ihrer völlig enthemmten Kreditvergabepolitik | |
bis 2008 den Schiffsmarkt nachhaltig kaputtgemacht, meint Birte Schmalfeld. | |
„Es ist einfach zu viel Tonnage auf dem Meer. Deshalb sind die Charterraten | |
im Keller“, sagt sie. Viele sehen es genauso.“ „Unser Geschäftsmodell hat | |
keine Zukunft mehr“, bekennt ein Kollege aus dem Alten Land. | |
## Aufarbeitung dürftig | |
Angesichts der dramatischen Folgen scheint die Aufarbeitung des Abenteuers | |
Schiffsfinanzierung dürftig. Obwohl dieser Geschäftsbereich für mehr als 80 | |
Prozent der Gesamtverluste der HSH Nordbank verantwortlich ist, haben die | |
Abschlussberichte der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse dem Thema | |
nicht einmal ein eigenes Kapitel gewidmet. | |
Laut bankeninternen Unterlagen aus dem Krisenjahr 2009 erwarteten | |
Mitarbeiter der HSH damals schon Verluste von mehr als drei Milliarden Euro | |
wegen fauler Schiffskredite. Doch in der Bank bog man die Prognosen für den | |
Schiffsmarkt gegen besseres Wissen ins Positive. Nach außen müsse man eine | |
„Storry“ (sic) erzählen, wonach bald alles wieder besser werde. | |
Der frühere HSH-Vorstand für Schiffsfinanzierungen Peter Rieck, der die | |
Schiffskredite einem früheren Bankmanager zufolge „nach Gutsherrenart“ | |
vergab, verdient heute gut an der überflüssigen Tonnage, die auf den | |
Weltmeeren dümpelt. Als Geschäftsführer einer privaten Firma wickelt er | |
unrentable Schiffe ab, indem er zum Beispiel Insolvenzen bei Gericht | |
anmeldet. Peter Rieck will sich dazu nicht äußern. | |
„Größter Schiffsfinanzierer der Welt“ war das Etikett, das die HSH Nordba… | |
sich vor knapp 15 Jahren in stolzer Selbstgewissheit zulegte. Heute kommt | |
die Chiffre Marktteilnehmern und Beobachtern nur noch mit sarkastischem | |
Unterton über die Lippen. Das versenkte Geld wird den Bürgern von Hamburg | |
und Schleswig-Holstein für den Wohnungsbau, Kindertagesstätten und viele | |
andere dringende Bedürfnisse fehlen. | |
Die „Lantau Arrow“ fährt zurück von Hamburg nach Danzig. Der verschuldete | |
Besitzer Jörg Köpping hofft, dass die öffentlich-rechtliche Badbank ihn | |
dieses und sieben weitere Schiffe noch ein paar Jahre betreiben lässt. | |
„Panorama“: Donnerstag, 21.45 Uhr im Ersten | |
10 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Stefan Buchen | |
Nils Naber | |
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