| # taz.de -- Krise der Bremer Landesbank: Banker mit zu viel Bodenhaftung | |
| > Das kleine Bundesland Bremen kann seine Landesbank nicht retten und | |
| > verliert damit auch an Bedeutung als Schifffahrts-Standort. | |
| Bild: Nicht die einzige Baustelle: Neubau der Bremer Landesbank | |
| Bremen taz | Dass Banken und insbesondere Landesbanken mit | |
| Milliarden-Beträgen gerettet werden müssen und dabei insbesondere in | |
| Norddeutschland [1][die Schiffsbeteiligungen eine große Rolle spielen], ist | |
| seit der Finanzkrise nichts Besonderes mehr. Dass es nun die Bremer | |
| Landesbank (BLB) im Jahr 133 ihrer Traditionsgeschichte trifft, ist dennoch | |
| überraschend. In den vergangenen Jahren schien das Bremer Bankinstitut wie | |
| durch ein Wunder von der Bankenkrise verschont. | |
| Für die Stabilität der Bremer Bank gab es gute Begründungen: Man habe | |
| besondere Kompetenz im Bereich der Schiffsfinanzierung, lobte die Bremer | |
| Landesbank sich selbst immer wieder, und man kenne die regionalen, meist im | |
| niedersächsischen Umland angesiedelten Unternehmen, deren Schiffe über die | |
| BLB finanziert werden. | |
| Im Jahr 2008 hat die BLB noch 28 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet und | |
| 38 Millionen Euro Zinsen für „stille Einlagen“, die zum großen Teil an das | |
| Land Bremen gingen. Bis 2011 hat die Bremer Bank noch gut verdient und über | |
| vierhundert Millionen Euro an ihre Träger ausgezahlt. Seit dem Beginn der | |
| Krise 2008 hat sie vorsorglich keine Schiffs-Neubauten mehr finanziert. | |
| Das ist einer der Gründe, warum die [2][Bremer Schwergut-Reederei Beluga] | |
| des Nils Stolberg sich im Jahre 2009 in die Arme des US-amerikanischen | |
| Investors Oaktree flüchtete. Die Zahl der Schiffe im „Portfolio“ der BLB | |
| ging von über 1.000 im Jahr 2008 auf rund 650 Schiffe zurück. | |
| ## Noch vor vier Jahren half Bremen der NordLB | |
| 2012 halfen die Bremer ihrem Hauptträger, der niedersächsischen Nord LB, | |
| als diese ihr Stammkapital um 3,3 Milliarden Euro aufstocken musste: Auch | |
| die Bremer „stillen Einlagen“ wurden in voll haftendes | |
| Gesellschafterkapital (41,2 Prozent) umgewandelt. Seit 2013 wurden dann | |
| Überschüsse nicht mehr als Dividende ausgezahlt, sondern als Risikoreserve | |
| zurückgelegt. Noch im März 2016, als die Bilanz für das Jahr 2015 | |
| vorgestellt wurde, ging die Bremer Landesbank davon aus, dass die | |
| bisherigen Wertberichtigungen und Rücklagen ausreichen müssten. | |
| Und dann kam eine Einladung nach Frankfurt zur Europäischen Zentralbank | |
| (EZB), der Bankenaufsicht. „Wie aus heiterem Himmel“, so erklärte Bank-Chef | |
| Stephan-Andreas Kaulvers, habe ihn da die Forderung der EZB getroffen, die | |
| Risikovorsorge um 700 Millionen Euro zu erhöhen und die „Parameter“ für d… | |
| Bewertung der Schiffskredite grundsätzlich zu ändern. Die Mutterbank, die | |
| Nord LB, hat doppelt so viele Schiffsbeteiligungen in ihrem Portfolio und | |
| nach eigenen Angaben keine vergleichbare Ansage der EZB erhalten. | |
| „Ich weiß nicht, wie die EZB auf 700 Millionen Euro gekommen ist“, | |
| plauderte Kaulvers aus. Wie die Parameter der neuen Bewertung sein sollen, | |
| verriet die EZB nicht – nur welche Summe unter dem Strich dabei | |
| herauskommen soll. Das war der Todesstoß für die BLB als eigenständiger | |
| Bremer Landesbank. | |
| ## Bremen wollte kämpfen, aber Niedersachsen zog nicht mit | |
| Kaulvers war offenbar bereit zu kämpfen und die Vorgaben der EZB infrage zu | |
| stellen, aber Niedersachsen machte nicht mit. Zwei Monate hat er intern mit | |
| den Gesellschaftern, der niedersächsischen Nord LB und dem Land Bremen | |
| darum gerungen, eine Lösung zu finden, in der „seine“ Bank bremisch bleiben | |
| kann – die niedersächsische Mehrheitsgesellschafterin wollte das Bremer | |
| Bankinstitut schlicht schlucken. Am 2. Juni 2016 trat die BLB dann mit | |
| einer „Ad-hoc-Meldung“ die Flucht nach vorn an und teilt öffentlich mit: | |
| Bis Ende des Jahres müssen rund 400 Millionen Euro Eigenkapital her, wie | |
| auch immer. | |
| Ein solches öffentliches Läuten der Krisenglocke ist für eine Bank immer | |
| nur eine Lösung in großer Not. Die Nord LB habe schon von 15 Jahren | |
| versucht, die Bremer Landesbank zu übernehmen, so erklärte Kaulvers die | |
| Dimension des Streites hinter den Kulissen, und Bremens Finanzsenatorin | |
| Karoline Linnert (Grüne) versicherte, Bremen wolle seine Bank nicht | |
| „kampflos“ aufgeben. | |
| Aber die Niedersachsen wollen ihre Bremer Tochter offenbar nur dann retten, | |
| wenn das Land Bremen auf seinen Einfluss verzichtet. Auch die Nord LB ist | |
| eine Staatsbank, Defizite gehen zu Lasten des Staatshaushaltes, aber das | |
| sind eben keine Bremer Staatsschulden. Geld bekommt an der Landesgrenze | |
| doch ein Fähnchen. | |
| Wer auf der Internetseite der Bremer Landesbank nach einer Antwort auf die | |
| Frage sucht, warum die Bremer das Schiffs-Risiko anders einschätzen als die | |
| Frankfurter Bankenaufsicht, der findet in der Sparte „Schiffsbeteiligungen“ | |
| so schöne Sätze wie: „Wir halten auch in stürmischen Zeiten den Kurs.“ Da | |
| gibt es Interviews des Leiters der Schiffsfinanzierungen, Ulrich Kropp, mit | |
| der Überschrift: „Gemeinsam durch die Krise der Schifffahrtsbranche“, oder, | |
| noch schöner: „Die Krise der Schifffahrt als Chance nutzen.“ | |
| Kropp hatte dort im März 2016 angemerkt, dass die Schifffahrtskrise | |
| andauert, und was rät der Banker? Kooperationen oder Fusionen seien „eine | |
| Chance für Firmen“, erklärt Kropp, und setzt auf das Prinzip Hoffnung: | |
| „Schifffahrt war schon immer zyklisch.“ Und Jürgen Lange, Gruppenleiter f�… | |
| Schiffsfinanzierungen bei der Bank, philosophierte: „Wir haben gute und | |
| schlechte Zeiten erlebt. Wir stehen unseren Kunden auch jetzt zur Seite.“ | |
| Denn wo es bergab geht, ist das Bergauf in Sicht: „Jetzt stecken wir in der | |
| Krise. Aber wir gehen davon aus, dass die Krise irgendwann vorbei ist.“ | |
| Mit diesem verzweifelten Optimismus hat auch der Schwergut-Reeder Niels | |
| Stolberg, Bremens Vorzeige-Unternehmer der Jahre bis zur Schifffahrtskrise | |
| und Shooting-Star unter den Reedern, sein Unternehmen an die Wand gefahren. | |
| Gerade ihre guten Beziehungen zu den regionalen Kunden wurden der BLB am | |
| Ende zum Verhängnis: Man habe versucht, die Problemschiffe der regionalen | |
| Reeder zu stützen, erklärte Kaulvers. Nach den Vorgaben der EZB gehe das | |
| nun nicht mehr. Die Schiffe, die von den Reedern in | |
| „Einschiffsgesellschaften“ geführt werden, müssen dann in den Konkurs | |
| geschickt werden. | |
| ## Attacke auf die Finanzsenatorin | |
| Die Bremer CDU-Opposition nutzte die Krise der Landesbank zu einem Angriff | |
| auf die Bremer Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne). Linnert ist seit | |
| 2007 Aufsichtsratsvorsitzende der Landesbank, eines von ihren sechs | |
| Aufsichtsrats-Mandaten. „Es sieht aus, als habe sie bei ihrer | |
| Kontrollfunktion versagt“, meinte der finanzpolitische Sprecher der | |
| CDU-Fraktion im Bremer Landtag, Jens Eckhoff. | |
| Linnert wies die Verantwortung von sich: „In dieser Situation zwanghaft | |
| nach Schuldigen zu suchen, hilft nicht“, erklärte sie. Sie finde es gut, | |
| dass die Bank ihren Kunden die Treue gehalten habe – alles andere hätte | |
| „hier im Nordwesten eine riesige Pleitewelle von Reedereien ausgelöst und | |
| Tausende Arbeitsplätze bedroht“. Am Freitag scheiterte ein Misstrauensvotum | |
| gegen Linnert, das die CDU gemeinsam mit den „Bürgern in Wut“ in die | |
| Bürgerschaft eingebracht hatte: 45 Abgeordnete stimmten für die Senatorin, | |
| zwei mehr, als die rot-grüne Regierung Stimmen hat, 35 stimmten gegen | |
| Linnert. | |
| Käme die Übernahme zustande, würde die Nord LB mit gestärktem Eigenkapital | |
| daraus hervorgehen, hätte also einen Vorteil. Bremen dagegen müsste einen | |
| guten Teil der 480 Millionen Euro, die das Land in die BLB gesteckt hat, | |
| abschreiben. Die Frage ist noch offen, ob bei den Verhandlungen wenigstens | |
| Bremen als Steuersitz für das bremische Geldinstitut gesichert werden kann. | |
| Sogar im Krisenjahr 2015 flossen noch 15 Millionen Euro | |
| Unternehmenssteuern. | |
| Einmal mehr ist Bremen als Schifffahrts-Standort geschwächt, nachdem die | |
| Schwergut-Frachter der Beluga aus der Konkursmasse herausgekauft und dann | |
| von Hamburg aus bereedert werden. Aus Sonder-Abschöpfungen der BLB wollte | |
| die Finanzsenatorin zudem ein großes Offshore-Windenergie-Terminal in | |
| Bremerhaven finanzieren. Auch das ist mit der Krise der BLB noch weiter ins | |
| Land der Träume gerutscht. | |
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| 24 Jun 2016 | |
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