# taz.de -- Deutschlands verrückter Klimaplan: Regierung hofft auf Wirtschafts… | |
> Eine Studie zeigt: Das deutsche Klimaziel für 2020 ist nur erreichbar, | |
> wenn die Ökonomie schwächelt und sonst alles gutgeht. Und was jetzt? | |
Bild: Kein Spaziergang, nein, zu den unentbehrlichen Maßnahmen gehört auch di… | |
BERLIN taz | Deutschland kann sein Klimaziel erreichen – aber nur, wenn | |
alle geplanten Maßnahmen zu Klimaschutz und Energieeffizienz voll umgesetzt | |
werden, wenn der Export von Kohlestrom sinkt und wenn die Wirtschaft | |
schwächelt. Das ist die Essenz des „Projektionsberichts“, den die | |
Bundesregierung vergangene Woche der EU-Kommission zugeleitet hat. | |
Der Bericht beschreibt, wie Deutschland sein selbst gesetztes Ziel von | |
minus 40 Prozent Treibhausgase bis 2020 erreichen will: Wenn alles richtig | |
gut geht und die Konjunktur richtig schlecht läuft, könnte der Ausstoß | |
binnen vier Jahren um 40,4 Prozent sinken. | |
Das Problem: 2015 steht das Ergebnis bei minus 27,5 Prozent gegenüber 1990. | |
Die Spanne von 12,5 Prozentpunkten will die Regierung durch zwei große | |
Pakete mit Maßnahmen erreichen. | |
Das letzte wurde im Dezember 2014 verabschiedet und beinhaltet Aktionspläne | |
für Klimaschutz und Energieeffizienz. Diese sehen in Dutzenden Maßnahmen | |
vor, dass die Industrie Energie spart, Autos effizienter fahren, Gebäude | |
gedämmt werden, dass Kraftwerke und die Landwirtschaft weniger | |
Treibhausgase ausstoßen. Nur wenn jedes dieser Projekte erfolgreich ist – | |
und nicht auf alle hat die Politik direkten Zugriff –, erreicht Deutschland | |
bis 2020 ein Minus von 37,4 Prozent. | |
## Jede Maßnahme ist zum Erfolg verdammt | |
Wenn dann auch noch „niedrigeres Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig | |
niedrigerem Stromexportsaldo“ dazukomme, liegt das obere Ende eines | |
„möglichen Korridors der Emissionsminderung in 2020“ bei 40,4 Prozent, | |
heißt es in dem Papier. Die Regierung mache sich „die Ergebnisse der | |
Szenarien nicht zu Eigen“, sie werde sie aber „in künftige Überlegungen | |
einbeziehen“. | |
Es sei „faszinierend, mit welcher Gelassenheit die Bundesregierung ihr | |
eigenes 40-Prozent-Ziel kassiert“, sagt dazu Klimaexperte Tobias Pforte von | |
Randow von der Umweltorganisation Germanwatch. Das Konzept sei „halbwegs | |
ehrlich, weil es alle möglichen Maßnahmen mit einrechnet“. Aber es sei | |
„dramatisch, dass nur mit diesen Voraussetzungen das Klimaziel zu schaffen | |
sein soll“. Nach seiner Einschätzung würde nur die zusätzliche Abschaltung | |
von Kohlekraftwerken helfen. | |
Das sieht die Europäische Umweltagentur (EEA) für die gesamte EU so. Im | |
gleichzeitig veröffentlichten Report „Umbau des EU-Kraftwerkssektors“ warnt | |
die Behörde davor, eine Kohle- und Gasinfrastruktur festzuschreiben, die | |
die europäischen Klimaziele (ebenfalls minus 40 Prozent, aber erst bis | |
2030) gefährden könnte. Nach der „Energy Roadmap“ könne das Ziel | |
„kosteneffizient“ erreicht werden, die Emissionen bis 2050 fast vollständig | |
zu stoppen – aber dafür brauche es einen „fundamentalen Wandel in Europas | |
Elektrizitätssektor“. | |
Die Gelegenheit für diese Dekarbonisierung, also den Ausstieg aus Kohle, Öl | |
und Gas, ist nach Meinung der EEA günstig: Viele Kohlekraftwerke kommen | |
gerade ans Ende ihrer geplanten Laufzeit. Doch wenn die Pläne für längere | |
Laufzeit oder Neubauten umgesetzt würden, werde die Kapazität der | |
Kraftwerke für fossile Brennstoffe von 323 Gigawatt auf 411 Gigawatt | |
zunehmen. Das wäre eine „Kollision mit den EU-Klimazielen“, führe zu teur… | |
Überkapazitäten und mache 30 Gigawatt, also etwa 50 Kraftwerksblöcke, zu | |
„gestrandeten Investments“, in denen private und öffentliche Investoren ihr | |
Geld verlieren. | |
11 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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