# taz.de -- Ausstieg aus klimaschädlichen Energien: Berlin durchbricht die CO2… | |
> Das Land zieht sein Geld aus Kohle, Öl und Gas ab – die | |
> Divestment-Bewegung jubelt. Damit Berlin im Jahr 2050 klimaneutral ist, | |
> braucht es aber mehr. | |
Bild: Durchbruch geschafft: Seit fast zwei Jahren kämpft Fossil Free Berlin f�… | |
Man muss schon an bipolaren Wahrnehmungsstörungen leiden, um nicht zu | |
erkennen, dass Investitionen in dreckige Kohle-Unternehmen und Ausgaben für | |
den Klimaschutz einen Zusammenhang herstellen. Das hat jetzt auch das Land | |
Berlin verstanden. Es zieht seine Investitionen aus Kohle-, Öl, und | |
Gas-Unternehmen ab und verpflichtet sich dem sogenannten „Divestment“. Das | |
bedeutet, dass nicht investiert wird (siehe Kasten). Nicht nur für die | |
CO2-Bilanz, auch für die Finanzen Berlins könnte das eine clevere | |
Entscheidung gewesen sein. Damit die Stadt, wie es der Senat vorsieht, in | |
34 Jahren klimaneutral ist, muss allerdings noch mehr passieren. | |
Mit den Stimmen aller fünf Fraktionen wurde am vergangenen Donnerstag im | |
Abgeordnetenhaus beschlossen, öffentliche Gelder aus „Unternehmen, deren | |
Geschäftsmodell dem Ziel der Klimaneutralität widerspricht, innerhalb der | |
nächsten fünf Jahre“ abzuziehen. Der Beschluss setzt eine Empfehlung der | |
Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ um und geht auf einen Antrag | |
der Opposition der Linken und Grünen im Abgeordnetenhaus zurück. | |
## Neue Anlagerichtlinien | |
Der Abzug der Investitionen betrifft auch die Versorgungsrücklage des | |
Landes, die für Pensionen von BeamtInnen und Angestellte angelegt ist. Rund | |
80,5 Millionen Euro legt Berlin davon im Aktiensegment an – das entspricht | |
10 Prozent der gesamten Rücklage. Neue Anlagerichtlinien sollen bis Anfang | |
2017 von einem Finanzdienstleister entwickelt werden, der momentan über | |
eine Ausschreibung der Finanzverwaltung gesucht wird. | |
Die neuen Richtlinien sollen nicht nur Investitionen in fossile Energien, | |
sondern auch in die Atomenergie, Waffen und weitere Geschäftsfelder | |
begrenzen. Was das für einzelne Unternehmenswerte bedeutet, „lässt sich | |
derzeit nicht genau vorhersagen“, sagt Jens Metzger, stellvertretender | |
Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen gegenüber der taz. | |
Klar sei aber, dass Unternehmen des fossilen Brennstoffsektors wie Eon, | |
RWE, Total und Basf, von dem Investitionsstopp betroffen seien, sagt Clara | |
Herrmann, die haushaltspolitische Sprecherin der Grünen, die den Antrag mit | |
erarbeitet hatte. Insgesamt 10,5 Millionen Euro investiert das Land in | |
Unternehmen wie diese – rund 1,34 Million Euro sind davon laut | |
Finanzverwaltung in Eon und 0,44 Million Euro in RWE angelegt. | |
Keine riesigen Summen – weder für den öffentlichen Haushalt noch für die | |
Energiekonzerne. Trotzdem sei es ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz, | |
sagt Herrmann. Damit Berlin klimaneutral wird, müsse allerdings noch mehr | |
passieren. | |
Im Jahr 2050 soll Berlin klimaneutral sein, das bedeutet, dass die CO2 | |
Emissionen bis dahin auf rund 4,4 Millionen Tonnen reduziert werden müssen, | |
also um 85 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 (siehe Kasten). So steht es im | |
Berliner Energiewendegesetz, das im April 2016 in Kraft getreten ist. Zwar | |
konnte Berlin seine CO2-Emissionen bereits reduzieren. Der Emissionstrend | |
zeigt allerdings nach oben (siehe Grafik). | |
## Klimaneutralität möglich | |
Trotzdem kann das Ziel erreicht werden – hat die Machbarkeitsstudie | |
„Klimaneutrales Berlin“ bereits im Jahr 2014 gezeigt, die unter Leitung des | |
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Auftrag der | |
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durchgeführt wurde. Konkrete | |
Instrumente zur Zielerreichung sind im Berliner Energie- und | |
Klimaschutzprogramm benannt.Die Umstellung der städtischen | |
Energieversorgung ist eine der größten Herausforderungen. | |
Wichtig dabei sei, dass der dezentrale Ausbau erneuerbarer Energien schnell | |
angegangen werde, sagt Fritz Reusswig vom PIK. Zudem seien | |
Kraft-Wärme-Kopplungen ein effizientes Instrument für eine | |
klimafreundlichere Energieversorgung. Das Prinzip dieser Anlagen ist | |
einfach: Wenn Strom erzeugt wird, entsteht auch Wärme. Wer diese nicht | |
verpuffen lässt sondern damit heizt, verwendet die Energie doppelt und | |
somit effizient. Außerdem müsse „die Ergrünung der Fernwärme“ angegangen | |
werden und die Gebäudeeffizienz durch Gesetzgebung und finanzielle | |
Förderung sozial flankiert werden. | |
Seit fast zwei Jahren kämpft die Organisation Fossil Free Berlin für den | |
Abzug der öffentlichen Investitionen aus der Brennstoffindustrie. „Wenn es | |
falsch ist das Klima zu zerstören, ist es auch falsch die Zerstörung zu | |
finanzieren“, sagt Mathias von Gemmingen, Sprecher der Bewegung, die Teil | |
der international tätigen Organisation 350.org ist. Berlin ist nach Münster | |
die zweite deutsche Stadt. Weltweit haben bereits 64 Städte zugesagt, ihr | |
Geld aus dem fossilen Sektor abzuziehen – darunter Stockholm, Paris und | |
Melbourne. | |
Im Unternehmenssektor ist der Konzern Allianz vorgeprescht und kündigte im | |
November 2015 als einer der weltweit größten Vermögensverwalter an, aus dem | |
Kohle-Geschäft auszusteigen. Klimaschädliche Investitionen würden sich | |
künftig nicht mehr lohnen. | |
## Ökologisch und ökonomisch sinnvoll | |
Damit das internationale Klimaziel die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen | |
erreicht werden kann, müsste der Großteil der heute bekannten Reserven an | |
fossilen Rohstoffen in der Erde bleiben. Momentan passiert das aber nicht. | |
Bei den Spekulations-Geschäften an den Finanzmärkten findet die Endlichkeit | |
von Kohle, Öl und Gas kaum Beachtung. KlimaaktivistInnen, wie die der | |
Divestment-Bewegung, argumentiert daher, dass eine Spekulationsblase drohe | |
– eine sogenannte CO2- Blase. | |
Für Berlin ist der Investitionsstopp „nicht nur gut fürs Klima sondern auch | |
für den Haushalt“, sagt Herrmann von den Grünen und verweist auf das | |
finanzielle Risiko der Kohle-Geschäfte und jüngste Rekordverluste von | |
Energieriesen wie RWE. | |
„Wissenschaftliche Studien beweisen, dass sich nachhaltige Geldanlagen | |
positiv auf die Rendite auswirken“ sagt auch Claudia Tober, | |
Geschäftsführerin des Forums für Nachhaltige Geldanlagen. „Wir sehen hier | |
eine Breitenwirkung, die von der Bundeshauptstadt ausgehen kann“, so Tober. | |
Das Forum begrüßt die Entscheidung des Abgeordnetenhauses: Dass Berlin sein | |
Geld umschichte, habe Leuchtturmcharakter. | |
29 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Sophie Schmalz | |
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