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# taz.de -- Umweltaktivist über EU-Klimapolitik: „Costa Rica macht mehr“
> Die EU muss ihre Reduktionsziele verschärfen, wenn sie ihr Versprechen
> von Paris halten will. Deutschland ist zu still, sagt Oldag Caspar von
> German Watch.
Bild: Der Lago Poopó im April 2013 (l) und im Januar 2016 (r). Boliviens zweit…
taz: Herr Caspar, das Klimaziel der EU klingt ehrgeizig: Die
Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken. Warum
verlangen Sie mehr?
Oldag Caspar: Die 40 Prozent sind nicht sehr ambitioniert. Staaten wie
Brasilien, Marokko oder Costa Rica machen deutlich mehr, gemessen an dem,
was sie leisten können und müssen. Die EU ist beim Klimaschutz nicht der
Vorreiter, für den sie sich gern hält, sie ist eher so oberes Mittelfeld.
Was müsste Europa tun, um wieder Vorreiter zu sein?
Die EU hat ihre Vorreiterrolle verloren. Das zeigt der aktuelle Vorschlag
der EU-Kommission, die EU-Klimaschutzziele nicht anzuheben. Das Ziel für
2030 reicht schon kaum für die weltweit geforderte Begrenzung des
Klimawandels auf 2 Grad Celsius. Aber in Paris hat die EU freudig
mitbeschlossen, „deutlich unter 2 Grad“ zu bleiben, sogar „mit Blick auf
1,5 Grad“. Da reicht das mit den 40 Prozent längst nicht mehr. Wir brauchen
ein Ziel von minus 50 bis 55 Prozent bis 2030.
Nur so können wir gleichmäßig die Emissionen reduzieren, um bis 2050 bei
minus 80 bis minus 95 Prozent zu sein, was derzeit erklärtes EU-Ziel ist.
Bis 2030 müssen wir für das 40-Prozent-Ziel jedes Jahr den Ausstoß etwa um
1,4 Prozent reduzieren. Wenn das so bleibt, müssten wir ab 2030 das
Doppelte bis Dreifache leisten. Und das wird dann sehr schwer.
Wie soll ein schärferes Klimaziel erreicht werden? Schon das aktuelle wurde
gegen Länder wie Polen nur knapp durchgesetzt.
Das ist schwierig, keine Frage. Momentan sind andere Themen wie die
Flüchtlingskrise im Vordergrund, es geht um die Existenz der EU. Aber bis
2018 wird sich die Lage wieder ändern. Dann sollen die Klimaziele aus Paris
überprüft werden. Da braucht die EU ein starkes Signal. Wir werden dann
Energie eh effizienter nutzen, die Preise für Erneuerbare werden noch
weiter sinken. Dann wird auch der Lobbydruck aus der Wirtschaft für
Klimaschutz zunehmen, denn klare Regeln bedeuten Investitionssicherheit.
Bisher macht die Industrie Druck gegen Klimaschutz.
Wir erleben derzeit den Lobby-Endkampf der energieintensiven Industrie in
der EU. Der Arbeitnehmerverband BusinessEurope macht massiv Druck, dass bis
2030 alles so bleibt wie bisher geplant. Das aber hieße, dass dann nach
2030 Klimaschutz so drastisch werden muss, dass er wahrscheinlich wirklich
zu teuer wird. So sieht diese Strategie aus: jetzt bremsen, damit man
später mit dem Kostenargument noch mehr bremsen kann.
Leider machen die Umweltverbände ihre guten Argumente noch nicht deutlich
genug. Und von den Mitgliedstaaten kommt auch keine Hilfe. In Deutschland
etwa macht das Finanzministerium massiv Druck gegen eine Verschärfung des
EU-Klimaziels. Dabei könnte mehr Klimaschutz eine Investitionsoffensive und
mehr Steuereinnahmen auslösen.
Was fordern Sie von der Bundesregierung?
Deutschland müsste führen, hat aber keine Position und ist in Brüssel
still. Es müsste ein starkes Signal kommen, dass Deutschland Ziele für
Emissionen, Effizienz und Erneuerbare anheben will. Der Klimakommissar
fordert mehr Effizienz, bekommt aber aus Berlin keine Unterstützung. Wenn
Deutschland nichts tut, wird die Kommission weiter solche von Angst
getriebenen Papiere vorlegen.
Jede Verschärfung der EU-Ziele zwingt Deutschland, selbst mehr zu tun.
Für 2030 stimmt das nur etwas. Da ist das deutsche Ziel von 55 Prozent über
dem, was Deutschland für das aktuelle Ziel machen müsste. Langfristig muss
sich aber auch Deutschland mehr anstrengen. Da macht es Sinn, frühzeitig
anzufangen. Der Klimaschutzplan, mit dem Deutschland für 2050 die 80 bis 95
Prozent anpeilt, muss dann geändert werden. Deutschland muss mehr tun als
die EU, denn wir sind die größte Volkswirtschaft in der Union. Und es ist
auch gut für unsere Wirtschaft, in Effizienz und Erneuerbare zu
investieren.
Das 1,5-Grad-Ziel erfordert radikale Maßnahmen. Ist das überhaupt zu
vermitteln?
Keiner kann bisher beantworten, was die 1,5 Grad global bedeuten. Braucht
es dafür massiv die Speicherung von CO2 unter Erde oder Geo-Engineering,
die wir alle nicht wollen? Das werden wir 2018 besser wissen, wenn der
UN-Klimarat IPCC seinen Bericht dazu vorlegt.
Können wir so lange warten?
Am Anfang sind Maßnahmen für unter 2 und 1,5 Grad kaum unterschiedlich.
Auch mit dem Ziel „deutlich unter 2 Grad“ müssen wir jetzt schon massiv die
Emissionen senken. Alle haben zu wenig getan, alle müssen mehr machen. Und
die EU muss wieder vorangehen.
4 Mar 2016
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Klimaschutzziele
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CO2-Emissionen
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Narendra Modi
Klima
Erneuerbare Energien
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