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# taz.de -- Debatte Banken und Finanzmärkte: Werdet wieder Sparkassen!
> Die Krise ist noch nicht vorbei. Die Banken haben die härtesten Zeiten
> noch vor sich. Das zeigt sich besonders am Beispiel der Deutschen Bank.
Bild: Uff! Wenigstens diese Bank ist sicher
Es ist seltsam: Die deutsche Wirtschaft wächst, aber die deutschen
Großbanken wanken. Die Commerzbank hat am vergangenen Donnerstag verkündet,
[1][dass sie weitere 9.600 Stellen streicht] – und bei der Deutschen Bank
[2][wird sogar spekuliert], dass sie demnächst Staatshilfe benötigen
könnte. Was ist passiert?
Um bei der Deutschen Bank zu beginnen: Sie ist nur noch der berühmte
„Schatten ihrer selbst“. Innerhalb von einem Jahr hat sich der Wert der
Aktie halbiert und notiert jetzt nur noch bei knapp 11 Euro. Da fehlt nicht
mehr viel – und das Papier ist völlig wertlos.
Wie dramatisch die Lage ist, zeigt auch eine andere Rechnung: An der Börse
sind alle Aktien der Deutschen Bank nur noch knapp 15 Milliarden Euro wert.
In der Bankbilanz prangt aber immer noch ein offizielles Eigenkapital von
62 Milliarden Euro. Übersetzt: Die Börsianer gehen davon aus, dass 76
Prozent dieses Geldes bereits aufgezehrt sind – und dass die Bank fast gar
keine Reserven mehr hat.
Die Deutsche Bank bräuchte also dringend neues Kapital und hohe Gewinne –
doch stattdessen droht neues Ungemach. Wie in dieser Woche bekannt wurde,
könnten die USA Strafzahlungen von 14 Milliarden Dollar fordern, weil das
Institut vor der Finanzkrise windige Hypothekenpapiere gebastelt und
vertrieben hat.
## Zockerbude statt Kreditinstitut
Übrigens ist es durchaus fair, dass die USA gern 14 Milliarden Dollar
kassieren würden. Denn es ist nur dem Weißen Haus zu verdanken, dass die
Deutsche Bank die Finanzkrise 2008 ohne deutsche Staatshilfe überstehen
konnte. Die US-Regierung beschloss damals, den Versicherungskonzern AIG zu
retten, was auch die Deutsche Bank indirekt sanierte: Sie erhielt knapp 12
Milliarden Dollar, weil sie ihre Ramschpapiere mit
Kreditausfallversicherungen von AIG abgesichert hatte.
Doch so fair Strafzahlungen an die USA wären: Die Deutsche Bank hat
schlicht keine 14 Milliarden Dollar, die sie überweisen könnte. Diese
desolate Lage ist natürlich auch im Weißen Haus bekannt, weswegen die Summe
am Ende deutlich niedriger ausfallen wird. Börsianer rechnen mit etwa 2,6
Milliarden Dollar. Bleibt nur ein Problem: Selbst diese Minisumme kann die
Bank kaum stemmen.
Wieder genügt ein Blick in die Bilanz, um das Kernproblem der Deutschen
Bank auszumachen: Es handelt sich nicht um eine Bank, sondern um eine
„Zockerbude“. Wie das Synonym „Kreditinstitut“ schon sagt, sind Banken
eigentlich dazu gedacht, Kredite zu vergeben, damit Firmen investieren und
Häuslebauer ihr Eigenheim finanzieren können.
Doch Darlehen an normale Kunden sind bei der Deutschen Bank eher ein
Nebengeschäft. Die reine Spekulation ist deutlich wichtiger. Besonders ein
Posten sticht heraus: 516 Milliarden Euro hat die Deutsche Bank in Derivate
investiert – die auch einen Großteil der Gewinne beitragen.
## Aberwitzig viele Derivate
Derivate sind Wettgeschäfte und dienen fast immer der Spekulation: Es wird
auf die künftige Kursentwicklung von Währungen, Rohstoffen, Aktien und
Anleihen gesetzt.
Dieses Geschäft ist zwar sehr lukrativ für die Investmentbanken – aber auch
riskant. Zudem lässt es sich kaum noch ausdehnen, weil es schon aberwitzig
viele Derivate gibt und das Limit erreicht ist.
Während die Spekulationsgewinne im besten Fall stagnieren, steigen aber die
Kosten. Auf Neudeutsch heißt das Problem „Compliance“. Die Banken müssen
jetzt einen Wust von gesetzlichen Vorschriften beachten, und es vergeht
kein Tag, an dem sie nicht über die „Regulierung“ klagen würden. Der
Subtext ist dabei stets, dass völlig ahnungslose Politiker harmlose
Kreditinstitute in einen brutalen Würgegriff genommen hätten.
## Selbst schuld
Das ist natürlich Quatsch. Stattdessen sind die Banken selbst schuld, dass
die Regulierung so umfangreich geraten ist. Noch mal zur Erinnerung: 2008
gab es eine Finanzkrise, die weltweit Billionen an Schäden hinterlassen
hat. Es ist etwas seltsam, dass die Banken erwarten, sie könnten ungestört
die gleichen Geschäfte betreiben wie vorher.
Aber genau diesen Ansatz verfolgt die Deutsche Bank: Sie behandelt die
Finanzkrise wie einen bedauerlichen Betriebsunfall und will ansonsten
schnell zu den alten Gewinnmodellen zurückkehren.
Dieses Konzept muss scheitern, wie sich an einem weiteren Stichwort zeigt,
das die Banken derzeit quält: der „Niedrigzins“. Weltweit drücken alle
wichtigen Zentralbanken die Zinsen gen null, um die Wirtschaft zu beleben.
Für die Banken brechen damit automatisch die Gewinnmargen weg: Wenn selbst
zehnjährige Darlehen nur noch 1,6 Prozent Zinsen bringen, dann lassen sich
die Verwaltungskosten kaum decken. Auch deswegen sieht sich die Commerzbank
nun gezwungen, ihre Stellen zu reduzieren.
## Feindbild EZB
Die Banken tun nun so, als wäre es eine böse Intrige der Zentralbanken,
dass die Zinsen so niedrig sind. Die Institute gerieren sich, als gäbe es
ein „Menschenrecht auf Zinsen“, von dem dann bitte vor allem die Banken zu
profitieren hätten. Diese schräge Sicht haben sich auch einige
Unionspolitiker zu eigen gemacht, weswegen der Chef der Europäischen
Zentralbank, Mario Draghi, am Donnerstag in den Bundestag zitiert wurde und
sich für seine Geldpolitik rechtfertigen musste.
Dabei ist es simpel: Realzinsen können nur gezahlt werden, wenn die
Wirtschaft wächst. Doch die meisten Industrieländer dümpeln – was erneut
die Schuld der Banken ist. Starinvestor George Soros hat das Kernproblem
sehr anschaulich beschrieben: Seit 1980 haben die Banken eine „Superblase“
aufgepumpt, indem sie ständig neue Kredite vergaben, die durch Derivate
maskiert wurden.
Dieser Schuldenberg erdrückt nun die Realwirtschaft. Selbst die Finanzkrise
hat diese „Superblase“ nur ein wenig angestochen, aber keineswegs
abgelassen. Die Blase ist noch immer bis zum Zerreißen gespannt, so dass
ein neuer Crash jederzeit möglich ist.
Die Banken haben die harten Zeiten nicht etwa hinter sich, sondern noch vor
sich. Ihr freier Fall wird erst enden, wenn sie wieder dort angekommen
sind, wo sie 1980 waren: wenn sie wieder normale Sparkassen sind. Es werden
noch viele Jobs wegfallen, nicht nur bei der Commerzbank.
3 Oct 2016
## LINKS
[1] /Commerzbank-streicht-tausende-Stellen/!5344762/
[2] /Kommentar-Deutsche-Bank/!5339525/
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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