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# taz.de -- Regierung in Island zebricht: Kindesmissbrauch kippt die Koalition
> Nur kurz regierte eine bröckelige Koalition in Island. Nun endete sie,
> weil sich der Vater des Regierungschefs sich für einen Vergewaltiger
> einsetzte.
Bild: Hat seine Mehrheit verloren: Ministerpräsident Bjarni Benediktsson
Stockholm taz | Rekordlange hatte es gedauert, bis die isländischen
Parlamentsparteien sich Mitte Januar und zweieinhalb Monate nach den
Parlamentswahlen endlich auf eine neue Regierung verständigt hatten. Nach
gerade einmal acht Monaten ist sie nun wieder am Ende. So schnell hatte das
in der Geschichte des Landes bislang noch keine Mehrheitsregierung
geschafft.
In der Nacht zum Freitag hatte die rechtsliberale „Strahlende Zukunft“ die
Koalition unter Regierungschef Bjarni Benediktsson, dem Vorsitzenden der
konservativen Selbständigkeitspartei aufgekündigt. In einem
Zweisätze-Statement wird als Grund ein „schwerer Vertrauensbruch in der
Regierung“ genannt. Konkret geht es um den Umgang mit verurteilten
Sexualstraftätern.
Personen, die wegen schwerer Straftaten verurteilt werden und damit im
Strafregister landen, können nach isländischem Recht bestimmte Berufe – wie
die des Anwalts – nicht mehr ausüben und verlieren das passive Wahlrecht.
In einem „uppreist æru“ („wiederhergestellte Ehre“) genannten Verfahren
können die Taten aber nach zwei bis 5 Jahre im Strafregister wieder
gelöscht und die Sanktionen damit aufgehoben werden. Voraussetzung dafür
ist, dass nahe Freunde oder Kollegen für den Betreffenden eine Art
„Ehrenbürgschaft“ abgeben, in dem sie bezeugen, dass dieser sich „makell…
führe und nicht zu erwarten sei, dass er wieder straffällig werden würde.
In den letzten Jahren hatte es mehrfach öffentliche Kontroversen über
derart „wiederhergestellte Ehre“ gegeben und es wurde der Vorwurf von
Vetternwirtschaft laut. Im Sommer kochte diese Debatte neu hoch, nachdem
öffentlich bekannt wurde, dass mehreren Sexualstraftätern das Strafregister
gesäubert worden war, obwohl von „makelloser Führung“ offenbar nicht die
Rede sein konnte. So einem 2004 wegen Kindesmissbrauch zu fünfeinhalb
Jahren Haft Verurteilten. Er hatte seine Stieftochter 12 Jahre lang nahezu
täglich vergewaltigt und belästigt sie nach eigener Aussage noch heute in
Form von Telefonanrufen und anderen Kontaktversuchen. Die ihm gewährte
„uppreist æru“ sei „surreal“, beklagte sie sich.
Was dann am Donnerstag bekannt wurde: Der Vater des Ministerpräsidenten
hatte eine „Ehrenbürgschaft“ für den wegen Missbrauchs Verurteilten
abgegeben, Bjarni Benediktsson und die seiner Partei angehörende
Justizministerin Sigríður Á. Andersen wussten das seit Monaten, hatten
diese Information aber nicht im Kabinett weitergegeben. In den Augen von
„Strahlende Zukunft“ ein Vertrauensburch, der eine weitere Zusammenarbeit
unmöglich mache.
Auch „Renaissance“, die dritte Koalitionspartei, sieht die Regierung
gescheitert und fordert Neuwahlen. Dem schlossen sich in ersten
Stellungnahmen die meisten Oppositionsparteien an. Ministerpräsident
Benediktsson hatte sich bis Freitagnachmittag nicht öffentlich geäussert.
Es wurde aber erwartet, dass er dem Präsidenten den Rücktritt seiner
Regierung erklärt.
15 Sep 2017
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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