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# taz.de -- Wahl in Island: Konservative weiterhin stärkste Kraft
> Nach der Wahl wird die Regierungsbildung schwierig. Den Wahlsiegern fehlt
> der Koalitionspartner, der Opposition die Mehrheit.
Bild: Das Wahlllokal im Rathaus von Reykjavik von Sonne beschienen
Bei der isländischen Parlamentswahl am Samstag hat das bisherige
Mitte-Rechts-Bündnis seine Mehrheit verloren. Nach der Auszählung aller
Stimmen am Sonntag ist aber auch klar: Mit dem zuvor als Favoriten
gehandelten Bündnis aus Links-Grünen, Sozialdemokraten und Piraten wird es
nichts. Sie kommen trotz Zugewinnen nicht auf die erforderlichen 32 Sitze
im Parlament Althingi.
Von den drei Koalitionspartnern der Regierung schaffte es die liberale
„Strahlende Zukunft“ gar nicht mehr ins Parlament, die „Renaissance“ ve…
mit 6,7 Prozent ein Drittel ihrer Stimmen. Die Parteienlandschaft spaltete
sich überdies weiter auf: Zwei neue Parteien – darunter eine
rechtspopulistische – werden ins Parlament Alþingi einziehen, womit dort
nun erstmals acht Parteien vertreten sein werden. Das lässt eine schwierige
Regierungsbildung erwarten.
Ihrem skandalbelasteten Parteivorsitzenden Bjarni Benediktsson zum Trotz
konnte die Selbständigkeitspartei ihre traditionelle Position als Islands
stärkste Partei behaupten. Mit 25,2 Prozent kam sie aber auf das
zweitschlechteste Resultat ihrer Geschichte. Stimmen kostete offenbar nicht
nur der Vergewaltigungsskandal, der im September zum [1][Zerbrechen der
Koalition und zur Ausschreibung der Neuwahl] geführt hatte. Anfang Oktober
war über geleakte Dokumente auch noch bekannt geworden, dass Benediktsson
im Finanzcrash 2008 nur Stunden vor dem Zusammenbruch und der
Verstaatlichung der Pleitebank Glitnir alle seine dortigen Fondsanteile
verkauft und damit Millionen für seine Familie gerettet hatte. Obwohl
seinerzeit Mitglied im parlamentarischen Wirtschafts- und Finanzausschuss,
bestreitet Benediktsson, Insiderwissen gehabt zu haben.
Die Geschichte schwelt bislang ungeklärt vor sich hin, weil die
Polizeibehörde von Reykjavik auf der Grundlage eines weithin als veraltet
kritisierten Gesetzes den isländischen Medien verbieten ließ, vor der Wahl
mehr Details zu diesem Thema zu veröffentlichen. Ein Gerichtsentscheid über
diesen beispiellosen Eingriff in die Pressefreiheit wird erst in den
nächsten Wochen erwartet.
Der Auftrag für die siebte Regierungsbildung in zehn Jahren dürfte zuerst
an den Vorsitzenden der stärksten Partei und damit an Benediktsson gehen.
Für eine Parlamentsmehrheit bräuchte er aber drei weitere Parteien. Die
traditionelle Koalitionspartnerin der Selbständigkeitspartei ist die
rechtsliberale Fortschrittspartei, die mit 10,7 Prozent auf ihr historisch
schlechtestes Wahlergebnis absackte. Neben ihre würde sich die erst vor
zwei Monaten gegründete national-populistische Zentrumspartei anbieten, die
auf Anhieb auf knapp 11 Prozent kam.
Mit Sigmundur Davíð Gunnlaugsson hat sie ebenfalls einen Vorsitzenden, den
Skandale offenbar nicht hindern, auch künftig eine führende Rolle in der
isländischen Politik spielen zu können. Er hatte 2016 als Regierungschef
zurücktreten müssen, weil in den Panama-Papieren eine Briefkastenfirma
gefunden wurde, in der seine Familie ihr Vermögen geparkt hatte. Zusammen
mit der liberalen „Renaissance“ hätte eine solche Vierer-Konstellation 35
der 63 Sitze im Alþingi.
Vom äußersten rechten Rand des Parteienspektrums schaffte es die
populistische Volkspartei („Flokkur Fólksins“) mit einer Verdoppelung ihrer
Stimmen auf 7 Prozent erstmals über die 5-Prozent-Hürde ins Parlament.
Aufgrund ihrer flüchtlingsfeindlichen Rhetorik dürfte sie von den übrigen
Parteien aber als nicht koalitionsfähig angesehen werden.
Katrin Jakobsdóttir, die Parteivorsitzende der Links-Grünen
(Vinstrihreyfingin – grænt framboð) zeigte sich noch in der Wahlnacht
schwer enttäuscht über das Abschneiden ihrer Partei. Zwar wurde sie mit
16,9 Prozent wie schon vor einem Jahr wieder zweitstärkste Partei – noch
vor wenigen Wochen hatten Umfragen ihr aber bis zu 8 Prozent mehr
vorhergesagt. Sie war bereits als mögliche neue Ministerpräsidentin einer
Koalition mit den Sozialdemokraten und der Piratenpartei gehandelt worden.
Die „Píratapartýið“ lebt in Island noch, verlor mit 9,2 Prozent aber ein
Drittel ihrer WählerInnen. Und auch die Sozialdemokraten sind wieder
auferstanden. Wäre die einstige 30-Prozent-Partei bei der Wahl 2016 mit 5,7
Prozent [2][fast aus dem Parlament geflogen], wurde sie nach einem
Austausch des Führungspersonals mit 12 Prozent nun immerhin wieder
drittstärkste Kraft. Zusammen kommen diese Parteien aber nur auf 24
Mandate. Chancen für eine hauchdünne Mehrheit von 32 Stimmen gäbe es nur,
wenn Jakobsdóttir zusätzlich die Fortschrittspartei für eine von ihr
geführte Regierung gewinnen könnte.
So spricht zunächst viel für eine Mitte-Rechts-Regierung – die mit einer
Ausnahme zwischen 2009 und 2013 in den letzten Jahrzehnten in Island
übliche Konstellation.
29 Oct 2017
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## AUTOREN
Reinhard Wolff
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