# taz.de -- Akzeptanz für Raubtiere im Norden: Wölfe reißen sich um Schafe | |
> Die Zahl der Wölfe in Norddeutschland wächst, die der Angriffe auf | |
> Nutztiere auch – aber nicht im gleichen Maße. Nabu sorgt sich um Ruf der | |
> Tiere. | |
Bild: Nur ein kleiner Snack: Ein Wolf im Tierpark Nordhorn frisst ein Küken | |
HAMBURG taz | Die Zahl der Nutztiere, die von Wölfen angefallen werden, hat | |
sich in den vergangenen Jahren in Norddeutschland drastisch erhöht: von 48 | |
im Jahr 2008 auf 369, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine | |
Anfrage der Links-Fraktion zum Vorkommen und Verhalten von Wölfen | |
hervorgeht. | |
Die Bremer Bundestagsabgeordnete Birgit Menz fordert deshalb, den Schutz | |
von Schafen, Ziegen und Kälbern zu verbessern: „Herdenschutz ist auch | |
Wolfsschutz“, sagt die Sprecherin für Natur- und Tierschutz der Linken im | |
Bundestag, „nur so wird der Wolf die Akzeptanz finden, die zu seiner | |
dauerhaften Ansiedlung notwendig ist.“ | |
Die nackten Zahlen wirken in der Tat alarmiernd. Danach wurden in den drei | |
norddeutschen Flächenländern im vorigen Jahr 316 Schafe bei nachgewiesenen | |
Wolfsattacken verletzt oder getötet sowie 39 Stück Gatterwild (Rehe, | |
Damwild), acht Kälber, fünf Ziegen und ein Fohlen (siehe Kasten). 2007, im | |
ersten Jahr, in dem Wölfe nachweislich in Norddeutschland jagten, waren es | |
lediglich 24 Schafe in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. 2008 wurden erstmals | |
in den alten Bundesländern Opfer gezählt: sieben Schafe in Niedersachsen. | |
Es seien einfach immer noch zu viele Tiere ungeschützt, schließt Ulrich | |
Thüre, Sprecher des Naturschutzbundes (Nabu) in Niedersachsen, aus diesen | |
Zahlen: „Es geht nicht um die Frage ‚Wolf oder nicht‘, sondern wie mit dem | |
Wolf gelebt werden kann.“ In den vergangenen zehn Jahren, seit Wölfe im | |
Nordwesten heimisch wurden, sei zwar die absolute Zahl der Angriffe von | |
Wölfen auf Nutztiere gestiegen, aber nicht so rasch, wie die Zahl der | |
Wölfe. Damit habe sich „relativ gesehen das Verhältnis der verlorenen | |
Nutztiere pro Rudel mehr als halbiert“, hat Thüre errechnet. | |
Nach Angaben der Bundesregierung leben zur Zeit sechs Rudel sowie zwei | |
Paare und ein einzelnes Tier in Niedersachsen. In Schleswig-Holstein sowie | |
Bremen und Hamburg werden nur gelegentlich herumstreifende Wölfe | |
registriert. Insgesamt dürften es 60 bis 70 Tiere sein. Der weit | |
überwiegende Teil der Population lebt mit 40 Rudeln und etwa 300 Tieren | |
weiterhin in Ostdeutschland. Auch dort zeigt sich über die Jahre hinweg | |
eine Zunahme von Angriffen auf Weidetiere, die unzureichend geschützt sind. | |
Blutiger Höhepunkt war die Attacke eines einzelnen Wolfes im April 2015 in | |
Rodenbek unweit der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel. 20 | |
Schafe und 32 Lämmer fielen dem durchziehenden Rüden zum Opfer, die | |
Diskussionen über die Gefährlichkeit der unter Artenschutz stehenden und | |
streng geschützten Wölfe auch für Menschen nahmen an Heftigkeit zu. Wohl | |
auch deshalb erteilte ein Jahr später das niedersächsische | |
Umweltministerium eine Ausnahmeerlaubnis, einen „Kurti“ genannten | |
„Problemwolf“ abzuschießen, der sich mehrfach ohne Scheu Menschen genähert | |
hatte. | |
Im Juli 2015 hatte Niedersachsen mit dem Wolfsbüro einen zentralen | |
Ansprechpartner für Geschädigte eingerichtet, der unter anderem Anträge auf | |
Entschädigung bearbeitet. Besitzer von Schafen, Damwild oder Rindern, deren | |
Tiere nachweislich von Wölfen gerissen wurden, erhalten freiwillige | |
Zahlungen vom Land. | |
Auch in Schleswig-Holstein vereinbarte der grüne Umweltminister Robert | |
Habeck mit Schafhaltern, Jägern und Naturschützern ein Wolfsmanagement und | |
Entschädigungen für gerissene Tiere. Damit sei „eine breit akzeptierte | |
Grundlage für den Umgang mit dem Wolf“ geschaffen worden, sagt Habeck. | |
Aus Sicht des Nabu und der Links-Abgeordneten Menz ist das allerdings noch | |
viel zu wenig. Notwendig seien „wirksame Herdenschutzsysteme und | |
bundesweite Standards für Zucht und Ausbildung von Herdenschutzhunden“, | |
fordert Menz. Ulrich Thüre vom Nabu kritisiert zudem, dass die Förderung | |
von Zäunen und anderen Schutzmaßnahmen pro Tierhalter auf 15.000 Euro in | |
drei Jahren begrenzt sei. Viel zu wenig, findet Thüre: „Wir müssen den Wolf | |
betrachten wie ein Naturereignis, das unvorhersehbare Schäden verursachen | |
kann.“ | |
3 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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