# taz.de -- CDU will Wolf schießen: „Kurti“ soll weg | |
> Der Wolf ist vor einer Weile nach Niedersachsen zurückgekommen. Nun | |
> fordert die CDU den Abschuss eines Tieres, weil es eine Stadt schaffrei | |
> machte. | |
Bild: Auch dieser Wolf könnte nach Beute suchen: Rufen, Klatschen oder wildes … | |
BREDDORF taz | Wer in ländlichen Regionen Niedersachsens, etwa im | |
idyllischen Ummelwald bei Breddorf in der Nähe des Teufelsmoors, spazieren | |
geht, trifft immer häufiger auf beunruhigende Hinweisschilder: „Auch in | |
diesem Wald suchen Wölfe nach Beute“, heißt es da zum Beispiel. Oder: | |
„Hunde bitte an der Leine führen und Kinder beaufsichtigen!“ | |
Diese Warnungen, zu lesen nicht nur in der Gegend zwischen Bremen und | |
Zeven, spiegeln die jahrhundertealte Angst des Menschen vor dem Wolf wider. | |
Schon 1850 galt Deutschland als weitgehend wolfsfrei. In der Bundesrepublik | |
steht der Jäger daher unter Naturschutz und 1998 siedelten sich erste Wölfe | |
in Sachsen an. Weitere zogen über Brandenburg und Sachsen-Anhalt bis nach | |
Niedersachsen. Auch in Nordrhein-Westfalen wurde Canis lupus sieben Mal | |
nachgewiesen. | |
Zwar gelten die Wildtiere üblicherweise als eher menschenscheu – oft | |
reichen Rufe, Klatschen oder wilde Gesten, um die Tiere zu vertreiben. Nach | |
diversen Schafsrissen aber wächst in der Lüneburger Heide, wo in der | |
Umgebung des riesigen Truppenübungsplatzes Bergen bei Munster mehrere | |
Wolfsrudel heimisch geworden sind, die Angst. | |
„Unsere Stadt ist mittlerweile schaffrei“, klagt etwa der | |
CDU-Landtagsabgeordnete Lutz Winkelmann aus Munster – die Halter hätten es | |
nicht mehr ertragen, ihre Tiere zerfleischt vorzufinden. Mehrere hundert | |
Risse durch Wölfe sollen nachgewiesen worden sein. | |
Im Fall des längst mit einem Sender versehenen Wolfes mit der Bezeichnung | |
MT6, von seinen Fans in sozialen Netzwerken liebevoll „Kurti“ getauft, will | |
Wenzels Ministerium jetzt handeln: Das Tier solle betäubt und in ein Gehege | |
nach Springe bei Hannover gebracht werden, verkündete Wenzels | |
Staatssekretärin Almut Kottwitz vor dem Umweltausschuss des Landtags. | |
„Kurti“ habe den angeleinten Hund einer Familie gebissen, hieß es zur | |
Begründung. Schon Mitte Februar soll der Wolf in Breloh im Heidekreis einer | |
Spaziergängerin mit Kinderwagen und Hund hinterhergelaufen sein. | |
Erste Anwohner zäunten ihre Hofstellen aus Angst um Kinder und Enkel ein – | |
erste Wölfe sollen vor einem Kindergarten gesichtet worden sein. Im Netz | |
kursieren Videos, die zeigen sollen, wie Wölfe über Dorfstraßen laufen. | |
Unklar bleibt, warum Nummer MT6 derart an den Menschen gewöhnt ist – | |
Experten halte es für denkbar, dass der Wolf gezielt angefüttert wurde und | |
so seine Scheu verloren hat. | |
„Ihre Wähler interessiert das nicht“, kritisierte Winkelmann bei der | |
Sitzung des niedersächsischen Landtags Mitte April den grünen | |
Landesumweltminister Stefan Wenzel. „Die wohnen alle in Städten wie | |
Hannover oder Braunschweig. Meine Wähler aber fühlen sich bedroht.“ | |
Der Grund für den Ärger des Abgeordneten: Wenzel verteidigt den | |
Naturschutz, hat gar ein Wolfsmanagement (siehe Kasten) ins Leben gerufen. | |
Für die Abwehr der Tiere, etwa durch Zäune, stehen bis Jahresende 450.000 | |
Euro bereit. Mit weiteren 50.000 Euro sollen Schäden durch Nutztierrisse | |
kompensiert werden. „Die Sicherheit des Menschen steht immer an erster | |
Stelle“, betonte Wenzel. | |
Die CDU will trotzdem kein „Risiko eingehen und das Tier töten“ lassen. | |
Dabei dürften die Christdemokraten auf den massiven Widerstand von | |
Tierschützern treffen: Erst im April überreichten sie Umweltminister Wenzel | |
eine Liste mit 70.000 Unterschriften gegen die Tötung einer anderen | |
auffälligen Wölfin in Goldenstedt bei Vechta. Auch der Naturschutzbund Nabu | |
hat sich bisher immer vehement gegen die Tötung von Wölfen ausgesprochen. | |
Ob die aber im Fall MT6 zu vermeiden ist, bleibt unklar: Die Haltung eines | |
in Freiheit geboren Wolfs in einem Gehege gilt nicht als artgerecht. | |
27 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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