# taz.de -- Deutscher Naturschutztag: Korridore für Luchs und Otter | |
> Schutzgebiete vorzuschreiben, ist das eine, sie einzurichten, etwas | |
> anderes. In Magdeburg suchen Tierschützer nach einer Strategie. | |
Bild: Luchse profitieren von den Schutzgebieten | |
MAGDEBURG taz | Wenn ehrenamtliche und professionelle Umweltschützer auf | |
dem Deutschen Naturschutztag eine Woche lang miteinander reden, geht es | |
natürlich darum, wie man die Ökokrise angeht. Thema dieses Mal: | |
„Naturschutz und Landnutzung“. „Ein Weiter-so und eine Intensivierung darf | |
es nicht mehr geben“, sagt Hans-Werner Persiel vom Bundesverband | |
Beruflicher Naturschutz (BBN). Stattdessen fordert er „deutliche | |
Verbesserungen zum Schutz der Natur“. | |
Alle zwei Jahre stemmt der BBN die wichtigste Veranstaltung für rund 600 | |
Umweltbehörden- und Verbandsvertreter. In Magdeburg geht am heutigen | |
Freitag die 33. Auflage zu Ende. In der Abschlusserklärung fordern die | |
Akteure „die rechtliche und tatsächliche Sicherung der | |
Natura-2000-Gebiete“. | |
Natura 2000? Über diesen Plan eines europäischen Naturschutznetzwerks | |
berichteten die Medien viel zu wenig, sagt Uwe Riecken vom Bundesamt für | |
Naturschutz (BfN). Der Begriff sei kaum eingebürgert, die dazugehörige | |
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) noch weniger. | |
Dabei zwingt diese die EU-Staaten schon seit 1992 dazu, Lebensräume für | |
gefährdete Tiere und Pflanzen unter Schutz zu stellen. In Deutschland haben | |
inzwischen – zumindest auf dem Papier – etwa 9 Prozent der Landesfläche den | |
Status eines FFH-Gebiets, 6 weitere Prozent sind als EU-Vogelschutzgebiete | |
ausgewiesen. Geht es nach den Plänen der Brüsseler, sollen alle diese | |
Flächen zum Natura-2000-Netz verknüpft werden. | |
## Seeadler, Kraniche und Wölfe wären sonst chancenlos | |
Fachleute sagen, der Schutz habe bereits Millionen Zugvögeln das Leben und | |
Naturparadiese vor der Zerstörung gerettet. Seeadler, Kraniche und Wölfe | |
wären sonst chancenlos. | |
Für betroffene Kommunen sind allerdings schon die drei Buchstaben ein | |
Reizthema. Viele Bürgermeister erlebten immer noch „erhebliche | |
Schrecksekunden, wenn sie von FFH hörten, und wetterten furchtbar dagegen“, | |
sagt der ehemalige Leiter der EU-Umweltkommission, Karl Falkenberg. Denn | |
Schutzgebiete bedeuten vor Ort viel Aufwand und Ärger, lange Verhandlungen. | |
Und Kosten. | |
Zuständig für die Umsetzung der Vorgaben sind die Landkreise. Deren Untere | |
Naturschutzbehörden sind aber heillos überfordert. Denn der Kahlschlag in | |
den Amtsstuben macht sich auch bei der Ausweisung und Überwachung der | |
Schutzgebiete bemerkbar. „Es fehlt das Fachpersonal“, sagt BBN-Vorsitzender | |
Persiel. Und wo bereits ein Managementplan entsteht, fühlen sich | |
Grundstückseigentümer und -nutzer eingeschränkt. Zwar dürfen sie ihren | |
Boden weiter bewirtschaften. Doch es gilt ein „Verschlechterungsverbot“ | |
sowohl für den Zustand des Lebensraums als auch den der geschützten Arten. | |
Bislang führen die meisten der 5.299 nach Brüssel gemeldeten Schutzgebiete | |
überdies ein isoliertes Inseldasein. „Diese Biotope müssen noch über | |
Wälder, Grünbrücken, Fließgewässer und Flure miteinander verbunden werden�… | |
sagt der Naturschutzbeamte Riecken. | |
## Wanderkorridore sind auch wichtig für Fischotter | |
Nur so können sich Wildkatzen, Luchse und Fischotter ausbreiten. Schon | |
annähernd realisiert sind solche Wanderkorridore auf dem Grünen Band, dem | |
1.393 Kilometer langen ehemaligen deutsch-deutschen Grenzstreifen, der | |
einen FFH-Anteil von 64 Prozent aufweist. | |
„Will man so einen Biotopverbund, fehlt halt immer noch der Schutzstatus“, | |
sagt Kai Frobel vom Umweltverband BUND. Und damit bleibe der Erhalt prekär. | |
Für maßgeschneidert hält Frobel die Kategorie Nationales Naturmonument. | |
Dazu auserkoren hat das Bundesumweltministerium kürzlich als Erstes die | |
tausendjährigen Eichen von Ivenack in Mecklenburg. | |
Warum nicht auch das Grüne Band? Zumindest für Thüringens Grenze werde das | |
vorbereitet, heißt es beim Umweltverband BUND. Die schwarz-rot-grüne | |
Landesregierung in Sachsen-Anhalt hat dieses Ziel sogar im | |
Koalitionsvertrag verankert. Doch nun hat das grenznahe Salzwedel | |
beschlossen, seinen besonders artenreichen Stadtwald, der teilweise zum | |
Grünen Band gehört, zu verkaufen. Der geplante Schutzstatus scheint in | |
Gefahr. „Wir bemühen uns, die wertvolle Fläche zu erwerben“, sagt | |
Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert, die Gastgeberin des | |
Naturschutztags ist. | |
Ist die aktuelle Forderung der Naturschützer also schon erhört? Die | |
Magdeburger Erklärung mache die Aktiven „sprechfähiger“, sagt BBN-Chef | |
Persiel. BfN-Mann Riecken hält dagegen eine „breite Imagekampagne für | |
dringend geboten“. In der Vergangenheit habe man „erhebliche Fehler“ in d… | |
Öffentlichkeitsarbeit gemacht. | |
16 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Tim Bartels | |
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