# taz.de -- Toter Luchs im Bayerischen Wald: Gewildert, aber nicht verurteilt | |
> Ein Jäger soll im Bayerischen Wald einen Luchs getötet haben. Nun wurde | |
> das Verfahren eingestellt. Der WWF ist enttäuscht. | |
Bild: Schicke Ohren: Luchs | |
REGENSBURG taz | Die Stimmung im Gerichtssaal des Landgerichts Regensburg | |
war angespannt, als der Richter das [1][Urteil in Sachen illegale | |
Luchstötung] verkündete. Bis zu diesem dritten Verhandlungstag war das | |
Ergebnis des Berufungsprozesses völlig offen gewesen. Am Ende kippte der | |
Richter am Freitagnachmittag das Urteil in erster Instanz aus Mangel an | |
Beweisen – und stellte das Verfahren ein. | |
Damit habe der Angeklagte jedoch „keinen Freispruch“ bekommen, wie Richter | |
Johann Piendl betonte. Zudem sei das Verfahren eine Warnung an alle, die | |
„meinen, ihre Eigeninteressen auf kriminelle Weise über das Gemeinwohl | |
stellen zu dürfen.“ | |
Der WWF zeigte sich von diesem Ausgang enttäuscht. „Das ist ein Schlag ins | |
Gesicht all derer, die den Wilderern in Deutschland die Stirn bieten“, so | |
Diana Pretzell, Leiterin der Abteilung Biodiversität beim WWF. | |
„Ermittlungsbehörden müssen in Zukunft in die Lage versetzt werden, solche | |
Straftaten besser zu verfolgen und aufzuklären.“ | |
Vor gut fünf Monaten war ein 54-jähriger Landwirt und Jäger vom Amtsgericht | |
Cham zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt worden. Der Tatvorwurf: | |
Nachstellen und Töten mindestens eines Luchses in der Zeit vor dem 1. Juni | |
2014, außerdem der Besitz illegaler Waffen. Das Urteil war aufgrund von | |
Indizien und Zeugenaussagen gefällt worden. Danach war die Verteidigung in | |
Revision gegangen, um einen Freispruch zu erwirken. Auch die | |
Staatsanwaltschaft hatte Rechtsmittel eingelegt: Sie hatte die Strafe für | |
zu milde befunden. | |
## Seit Jahren tote Luchse im Bayerischen Wald | |
Das große Interesse, das das Verfahren bundesweit erregt, hat zum einen | |
damit zu tun, dass [2][seit Jahren Luchse im Bayerischen Wald illegal] | |
getötet werden. Zum anderen damit, dass die bayerische Justiz diesen Fall | |
von Artenschutzkriminalität mit nie dagewesener Akribie verfolgt hat. | |
So hatten die Ermittler das Haus des Verdächtigten durchsucht – und dabei | |
Luchsohren und -krallen entdeckt. Deren DNA wurde mit der von vier | |
abgetrennten Luchspfoten verglichen, die man im Jahr zuvor unweit des | |
Anwesens des Angeklagten gefunden hatte. Diese Befunde wurden abgeglichen | |
mit der tschechischen Luchs-Datenbank. | |
Außerdem gab es ein ballistisches Gutachten zu den Geschosspartikeln. Zwar | |
konnte damals kein Zusammenhang zum Angeklagten hergestellt werden, dafür | |
hatten die Ermittler bei der Durchsuchung diverse verbotene Waffen entdeckt | |
sowie eine im Revier des Angeklagten versteckte Eisenfalle. Schmauchspuren | |
an ihr hatten mit den unerlaubten Waffen übereingestimmt. | |
Der Hauptzeuge war 2016 in den Landkreis Cham gefahren, um dort Rotwild zu | |
jagen. Dort habe der angeklagte Landwirt ihm sein Revier präsentiert und | |
damit geprahlt, hier könne man auch den Luchs jagen, so der Zeuge. Der | |
Landwirt habe auch erzählt, wie er selbst Luchse gefangen und getötet habe, | |
eben in jener Metallfalle im Wald. | |
Der Angeklagte beharrte indes, dies sei nur „Jägerlatein“ gewesen. Den | |
Eisenkäfig habe sein inzwischen verstorbener Vater als „Fuchsfalle“ | |
betrieben. Das hatte ihm damals der Chamer Richter nicht geglaubt, da | |
erstens die Falle für Füchse viel zu groß gewesen war, und zweitens der | |
Vater zur fraglichen Zeitraum beinamputiert im Rollstuhl saß. In dem | |
Eisenkäfig hatte die Polizei Rehhaare und Rehknochen gefunden gehabt – nach | |
Überzeugung der Anklage als Köder gedacht. | |
## Dünne Beweisdecke | |
Letztlich war die Beweisdecke zu dünn, um die Schuld des Angeklagten | |
zweifelsfrei zu beweisen. Auch, so der Regensburger Richter, ließe sich ein | |
Tatzeitpunkt nicht mehr feststellen. Damit könnte eine eventuelle Straftat | |
schon verjährt sein. Und so entschied er „in dubio pro reo“ – im Zweifel | |
für den Angeklagten. Lediglich für den unerlaubten Waffenbesitz erhielt der | |
Angeklagte eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro. | |
Trotz der Enttäuschung werteten Naturschützern es als Erfolg, dass | |
überhaupt eine intensive Strafverfolgung stattfand. „Sie ist ein klares | |
Signal, dass Naturschutzkriminalität kein Kavaliersdelikt ist“, so Norbert | |
Schäffer, Vorsitzender des Landesbund für Vogelschutz, der bayerische | |
Parterverband des NABU. | |
„Wer in Bayern ein geschütztes Wildtier vorsätzlich tötet, der muss damit | |
rechnen, dass bei ihm um sechs Uhr morgens die Polizei zur Hausdurchsuchung | |
anrückt.“ Ein positiver Effekt zeigt sich bereits: Seit Beginn der | |
Ermittlungen sind im Bayerischen Wald die illegalen Tötungen an Luchsen | |
zurückgegangen. | |
8 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Margarete Moulin | |
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