| # taz.de -- Landwirte gegen Wölfe: „Wölfe vermehren sich tüchtig“ | |
| > Warum sie meist gegen Massentierhaltung kämpfen, aber nun auch gegen die | |
| > wachsende Wolfspopulation, erklärt die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche | |
| > Landwirtschaft. | |
| Bild: Bauernschreck: Wer Tiere auf der Weide hält, fürchtet den Wolf | |
| taz: Herr Ilchmann, von über 14 Millionen Rindern und Schafen in | |
| Deutschland sind 618 bisher Opfer von Wölfen geworden – rechtfertigt diese | |
| Zahl Ihre Forderung, den Wolf zum Abschuss freizugeben? | |
| Ottmar Ilchmann: „Zum Abschuss freigeben“ ist übertrieben, aber Fakt ist: | |
| Wölfe vermehren sich tüchtig, die Population steigt – wir haben also mit | |
| einer Zunahme der Attacken zu rechnen. | |
| Bauern werden aber für gerissene Tiere entschädigt … | |
| Das Problem ist die grundsätzliche Bedrohung der draußen lebenden | |
| Weidetiere durch die Wölfe. In Ostfriesland beispielsweise haben wir | |
| flächendeckend Weidehaltung. Ich habe meine Kühe draußen und auch meine | |
| Kälber, die in der Sommersaison auch draußen geboren werden. Die Tiere sind | |
| mit einem einfachen Elektrozaun gesichert, sie sollen ja nicht ausbrechen. | |
| Aber das hilft in keinster Weise gegen Wolfsattacken. | |
| Können Sie die Elektrozäune nicht aufrüsten durch Maschendrahtzaun? | |
| Abgesehen davon, dass Wolfszäune gar nicht unbedingt helfen – es gibt | |
| Beispiele dafür, dass auch die unterwühlt oder übersprungen werden – | |
| handelt es sich hierbei nicht um ein einfaches Nachrüsten. Ich habe 40 | |
| Hektar Weideland, die ich komplett schützen müsste, das wären ungefähr 5,9 | |
| Kilometer Zaun, die ich bauen müsste. Alle fünf Meter ein Pfosten und | |
| Maschendrahtzaun, der auch noch 30, 40 Zentimeter in die Erde eingegraben | |
| werden muss. Nur für meinen Betrieb würde der Aufwand einige zehntausend | |
| Euro kosten. | |
| Aber auch das würden Sie doch bezahlt bekommen, oder? | |
| Ja, es gibt einen Topf für solche Zaunbauten. Aber der reicht nur, solange | |
| in wenigen Fällen neue Zäune tatsächlich nötig sind. Wir gehen aber von | |
| einer flächendeckenden Ausbreitung des Wolfes aus – das würde einen Aufwand | |
| von vielen, vielen Millionen Euro betragen. Das könnte der Staat gar nicht | |
| mehr tragen. In meinen Augen ist es blauäugig, davon auszugehen, dass das | |
| machbar ist. | |
| Was ist mit Möglichkeiten wie Vergrämungsmaßnahmen, Herdenschutzhunden oder | |
| Einstallung über Nacht? | |
| Ich habe vier Herden, die 24 Stunden am Tag draußen sind. Wie viele teuer | |
| und aufwendig ausgebildete Hunde bräuchte ich da? Auch das funktioniert | |
| doch nur bei punktuellen Problemen mit Wölfen. Und zur Einstallung: Die | |
| Weidehaltung ist die vom Verbraucher erwünschteste Form der Haltung. Sie | |
| ist auch für Tiere und die Umwelt gut. Und jetzt sollen auf einmal die | |
| Tiere über Nacht in den Stall? Das kann keine Lösung sein. | |
| Also geht es um das Dilemma zwischen dem Wunsch nach Weidehaltung und dem | |
| Schutz des Wolfes? | |
| Ganz genau. Ein industrieller Betrieb, der seine Tiere niemals nach draußen | |
| lässt, hat kein Problem mit der Rückkehr des Wolfes. Wir vertreten aber | |
| Landwirte, die kleine Betriebe mit Weidehaltung haben. | |
| In diesem Punkt sind Sie sich auch einig mit Umweltschutzverbänden und den | |
| Grünen – scheitert Ihr gutes Verhältnis jetzt an Ihrer unterschiedlichen | |
| Haltung zum Wolf? | |
| Ich bin Vertreter von Bauerninteressen und muss mich als solcher nicht | |
| stark machen für die Rückkehr des Wolfes. Das machen die Umweltverbände, da | |
| machen die auch eine gute Lobbyarbeit. Aber unsere weidehaltenden Kollegen | |
| freuen sich nicht, wenn die Wolfspopulation wächst. Ich warne einfach | |
| davor, allzu blauäugig abzuwarten und zu sagen: Ach, das kriegen wir schon | |
| hin. Wir plädieren dafür, bereits jetzt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. | |
| Wie hilfreich ist es dafür, wenn AbL-Sprecher Eckehard Niemann sagt, der | |
| Wolf habe keinerlei ökologische Bedeutung? | |
| Wir hatten 200 Jahre lang keine Wölfe in Deutschland – unsere | |
| Kulturlandschaft hat sich seitdem sehr verändert. Dass der Wolf übermäßige | |
| Populationen von Rehen und Damwild kurz halten kann, mag wohl sein, aber | |
| ich kann mir auch vorstellen, dass er den bequemeren Weg vorzieht und sich | |
| den zahmen Schafen eher zuwendet als den scheuen und schnellen Rehen. | |
| Früher hatte der Wolf auch noch natürliche Feinde wie den Braunbär. Das hat | |
| sich geändert. Es gibt sicher Regionen, wo eine Koexistenz mit dem Wolf | |
| ganz gut möglich ist, aber in den intensiven Weidehaltungsgebieten wird es | |
| sehr, sehr schwer – meiner Meinung nach sogar unmöglich. Da muss man sich | |
| überlegen, wie man den Wolf fernhält oder vergrämt. | |
| Wenn Herr Niemann sagt, die Artenschutzliste müsse geändert und der Wolf | |
| ins Jagdrecht aufgenommen werden, heißt das aber abschießen. | |
| Ja, aber das ist heute ja auch schon möglich, beispielsweise bei | |
| sogenannten „Problemwölfen.“ Noch ist der Wolf auch sicher eine bedrohte | |
| Art, aber das kann sich aufgrund seiner schnellen Vermehrung ändern – und | |
| warum sollte es verboten sein, darüber nachzudenken, was dann getan werden | |
| kann? | |
| 16 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schnase | |
| ## TAGS | |
| Landwirtschaft | |
| Ökologie | |
| Bauernverband | |
| Wolfsmanagement | |
| Wölfe | |
| Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft | |
| Landwirtschaft | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Landwirtschaft | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Artenschutz | |
| Naturschutz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Konsens zum Umgang mit dem Wolf: Schutz für Wölfe und Schäfer | |
| Erstmals formulieren Landwirte und Umweltschützer gemeinsame Grundsätze. | |
| Für den Umgang mit dem Raubtier ist Geld nötig. | |
| Wölfe in Deutschland: Er kommt uns näher, immer näher | |
| Die Rückkehr des Wolfs ist ein Erfolg für den Naturschutz. Aber wollen wir, | |
| dass hier Raubtiere leben, die Menschen töten können? | |
| Streit unter Tierschützern: Landwirte fordern Wolfsjagd | |
| Hier sind die Fronten nicht mehr klar: Geschützte Wölfe machen Jagd auf | |
| Schafe, Lämmer und Kälber. Bauern verlangen drastische Maßnahmen. | |
| Akzeptanz für Raubtiere im Norden: Wölfe reißen sich um Schafe | |
| Die Zahl der Wölfe in Norddeutschland wächst, die der Angriffe auf | |
| Nutztiere auch – aber nicht im gleichen Maße. Nabu sorgt sich um Ruf der | |
| Tiere. | |
| Artenschutz in Deutschland: Immer mehr Wolfsrisse | |
| Die Zahl der Opfer von Wölfen ist seit 2002 um mehr als das 20-Fache | |
| gestiegen. Betroffen ist ausgerechnet die artgerechte Weidehaltung. | |
| Chefin des Naturschutzamts über Wölfe: Gehört der Wolf zu Deutschland? | |
| Der Wolf hat schon immer zu Deutschland gehört, sagt Beate Jessel, | |
| Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz. Ihr Tipp: Ruhe bewahren! |