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# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Berlin: Noch nicht so der große Wurf
> Die künftigen Regierungsparteien haben sich auf Eckpunkte beim Thema
> Gleichstellung geeinigt. Das Ergebnis bleibt hinter den Erwartungen
> zurück.
Bild: Beim Thema Gleichstellung ist auch in Berlin noch viel zu tun
Für AfD-WählerInnen ein Satz aus dem Gruselkabinett: „Gender Mainstreaming
wird konsequent auf allen Ebenen umgesetzt.“ Wie eine Präambel steht dieses
Bekenntnis ganz am Anfang einer langen Liste, in der die Linkspartei die
Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen zum Thema Frauen- und
Gleichstellungspolitik präsentiert.
Dass die Koalition eine auf Gleichstellung der Geschlechter abzielende
Politik verfolgen will – nichts anderes bedeutet der bei
RechtspopulistInnen zum Schimpfwort gewordene Begriff –, ist erst einmal
wenig überraschend. Interessant wird es im Detail: Wie wollen die künftigen
Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne das erreichen, und inwiefern
unterscheiden sich diese Pläne von denen der aktuell noch regierenden
Großen Koalition?
Zentral für das Thema Gleichstellung ist die Arbeitswelt. Hier springen
zwei Verabredungen besonders ins Auge: Die Koalition will den Anteil der
Frauen in Führungsfunktionen und Aufsichtsräten der Landesunternehmen auf
mindestens 50 Prozent steigern. Und sie will in den Bereichen, in denen
Frauen besonders unterrepräsentiert sind, die Hälfte der Ausbildungsplätze
für weibliche BewerberInnen reservieren.
Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Verabredungen allerdings als
weniger bahnbrechend, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn die
Vorschrift zum Frauenanteil in Führungspositionen ist nicht neu, sondern so
bereits im Landesgleichstellungsgesetz verankert. Und Berlin steht da auch
bereits gar nicht schlecht da: 40 Prozent beträgt der Frauenanteil bei den
Vorständen und Geschäftsführungen der Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung
des Landes, die vom Land zu besetzenden Posten in den Aufsichtsräten sitzen
46,6 Prozent Frauen.
Neu ist allerdings, dass im Landesgleichstellungsgesetz ein
Verbandsklagerecht festgehalten werden soll. Damit können künftig nicht
mehr nur Einzelpersonen, sondern auch anerkannte Frauenverbände gegen
Verstöße gegen die Vergaberegelung klagen – weil die Hemmschwelle zu klagen
für Betroffene oft hoch liegt, ist das ein wichtiges Instrument.
Beim Thema Ausbildungsplätze ist die 50-Prozent-Quote ebenfalls nicht der
große Durchbruch. Denn zum einen haben mehrere landeseigene Unternehmen wie
etwa die BVG diese Regelung bereits eingeführt, nun soll sie lediglich auf
mehr Unternehmen ausgeweitet werden – auf wie viele genau, ist nicht
festgehalten. Zweitens zieht dieses Instrument nur, wenn es auch genügend
Bewerberinnen gibt – falls nicht, werden die freien Plätze nach wie vor mit
Männern besetzt.
Gerade in den Sparten, um die es hier geht, ist das aber eher die Ausnahme.
„In Berlin ist es ja ein Riesenproblem, die Lehrstellen überhaupt besetzt
zu bekommen“, sagt Anja Kofbinger, die als frauenpolitische Sprecherin der
Grünen bei den Verhandlungen dabei war. Vom Ziel einer 50-50-Besetzung ist
man ihrer Einschätzung nach deswegen noch „recht weit entfernt“.
Wer mehr Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt will, kommt um ein
weiteres zentrales Thema nicht herum: die Kinderbetreuung. „Flexible
Kinderbetreuungsangebote werden ausgebaut und besser zugänglich gemacht“ –
so soll es im Koalitionsvertrag stehen. Insbesondere für Alleinerziehende,
in Berlin sind es zu 90 Prozent die Mütter, ist das ein entscheidender
Punkt. Denn wer ohne Partner zu Hause im Schichtdienst arbeitet, hat ein
Problem, wenn die Kita um 17 Uhr schließt.
Zwar bieten laut den Zahlen der Senatsverwaltung für Bildung rund 500
Tagesmütter auch eine Betreuung in den Randzeiten an – aber der
tatsächliche Bedarf sei weitaus höher, sagt Ella Pop vom Mobilen
Kinderbetreuungsservice. „Wir schätzen, dass die Zahl der
Alleinerziehenden, die einen solchen Betreuungsbedarf haben, im
dreistelligen Bereich liegt.“ Das im September gegründete Modellprojekt der
Senatsbildungsverwaltung befindet sich gerade im Aufbau, ab 2017 soll es
als zentrales Netzwerk BetreuerInnen in die Familien vermitteln. „Wir
wollen 30 bis 40 Vermittlungen bis Ende 2017 schaffen“, sagt Pop.
40 Vermittlungen bei einem Bedarf im dreistelligen Bereich: „Eine
Gesamtkonzeption ‚Alleinerziehende stärken‘ entwickeln“ will die Koaliti…
erarbeiten. Eine vage Überschrift – unter der das Thema Kinderbetreuung
eine sehr konkrete Herausforderung wird.
1 Nov 2016
## AUTOREN
Malene Gürgen
Anna Klöpper
## TAGS
Gleichstellung
Koalitionsverhandlungen
Berliner Senat
Volksentscheid Fahrrad
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Sexismus
Gleichberechtigung
BVG
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