# taz.de -- Frauen an der Spitze: Die Berlin-Quote | |
> Wie steht es um die Gleichberechtigung in der Stadt? Schlecht - das zeigt | |
> die taz-Analyse. | |
Bild: Nicht allein an der Spitze: RBB-Intendantin Dagmar Reim (ganz l.) bei ein… | |
„Frauen an die Spitze“ – so lautet der Titel einer Erklärung, die | |
Frauensenatorin Dilek Kolat (SPD) und der Präsident der Industrie- und | |
Handelskammer, Eric Schweitzer, am Mittwoch unterzeichneten. Das Ziel: | |
Bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen. Laut Kolat steht Berlin beim | |
Thema Gleichstellung allerdings schon sehr gut da – sowohl im öffentlichen | |
Dienst als auch in den Unternehmen gebe es bereits viele Frauen. Mithilfe | |
der Erklärung soll deshalb vor allem verhindert werden, dass der | |
Frauenanteil wieder sinke, so Kolat. | |
Zum Frauentag also Applaus? Mitnichten: Zwar werden die prominenten | |
Beispiele wie die Vorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe, Sigrid | |
Nikutta, oder die Chefin der Berliner Stadtreinigung, Vera Gäde-Butzlaff, | |
oft als Beweis dafür herangezogen, dass Frauen in Berlin besser Karriere | |
machen können als anderswo. Jenseits dieser Beispiele sieht es allerdings | |
weit weniger rosig aus. | |
Das macht unter anderem der gestern veröffentlichte Gender-Datenreport für | |
Berlin deutlich: Zwar sind immer mehr Frauen erwerbstätig, müssen sich | |
jedoch oft mit schlecht bezahlten und befristeten Stellen zufrieden geben, | |
heißt es dort. Auch die von der taz recherchierten Zahlen zeigen: Ob in | |
Unternehmen oder Hochschulen, im Kultur- oder Politikbetrieb – Frauen sind | |
fast immer unterrepräsentiert, besonders in der Führungsetage. | |
Dass im Präsidium von Hertha BSC nur eine und bei Union gar keine Frau | |
sitzt, mag vielleicht nur wenige überraschen – schließlich gilt Fußball | |
immer noch als Männerdomäne. Doch auch bei Vattenfall oder der S-Bahn: | |
keine Frau im Vorstand, nirgends. Und selbst in den Betrieben mit mehr | |
weiblichen Führungskräften steht deren Anzahl meist in keinem Verhältnis | |
zum Frauenanteil unter den Angestellten. | |
Diese „gläserne Decke“ fällt besonders bei den medizinischen Einrichtungen | |
ins Auge: Während insgesamt deutlich mehr Frauen als Männer beschäftigt | |
sind, ist der Frauenanteil beim leitenden Personal viel geringer. „Das | |
liegt vor allem daran, dass Frauen wegen der Familie häufiger Teilzeit | |
arbeiten und deshalb länger für die Karriere brauchen als ihre männlichen | |
Kollegen“, heißt es dazu bei Vivantes. Auch die Sprecherin der Charité | |
sieht dieses Missverhältnis als Ausdruck der unzureichenden Vereinbarkeit | |
von Beruf und Familie. | |
Bei der S-Bahn heißt es, der geringe Frauenanteil sei vor allem „historisch | |
bedingt“, da Frauen in dieser Branche traditionell wenig vertreten seien. | |
Das wolle das Unternehmen zwar ändern, eine Quote sei jedoch nicht das | |
richtige Mittel. Die BVG sieht das anders: Vorsitzende Nikutta spricht sich | |
klar für eine Quote aus. Ihre Berufserfahrung habe ihr gezeigt: „Ohne Quote | |
geht es nicht“. | |
Ein ziemlich verheerendes Bild bietet der Kulturbetrieb: Keines der großen | |
Theater und Opernhäuser wird von einer Frau geleitet. Die Situation an den | |
Unis ist da etwas besser: Immerhin jede vierte Professur hat eine Frau | |
inne, mehr als in jedem anderen Bundesland. | |
Zwischen den Parteien gibt es deutliche Unterschiede: Während die Linke den | |
höchsten Frauenanteil in der Fraktion und unter den Mitgliedern aufweist, | |
sieht es bei der CDU schwarz aus: Gerade mal vier von 38 Abgeordneten sind | |
weiblich – das unterbietet nur die Piratenpartei mit einer Frau bei 15 | |
Abgeordneten. | |
Die parteilose Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (für die CDU) ist | |
klar gegen eine Frauenquote und setzt lieber auf die Selbstverantwortung | |
der Betriebe. Auch die IHK hält eine Quote nicht für angebracht: Es sei | |
wichtiger, „das richtige Bewusstsein zu schaffen“, so Sprecher Bernhard | |
Schodrowski. Senatorin Kolat ist einer Quote gegenüber zwar prinzipiell | |
aufgeschlossener – bei den landeseigenen Unternehmen gebe es dafür aber | |
keine Notwendigkeit. Berlin sei ohnehin auf einem guten Weg. | |
Das sehen die Grünen anders: Zum Frauentag fordert die Fraktion, „endlich | |
die Benachteiligung von Frauen in den Spitzen von öffentlichen Unternehmen | |
zu beenden.“ Landesvorsitzende Bettina Jarrasch betont: „Die Quote ist | |
dafür das beste Mittel.“ | |
In Berlin ist Gleichstellungspolitik jedenfalls nicht gerade Chefsache – | |
zumindest, was den Frauenanteil in den Senatsverwaltungen angeht: Die | |
wenigsten Frauen, nämlich gerade mal ein Drittel, sind ausgerechnet in der | |
Senatskanzlei von Klaus Wowereit (SPD) beschäftigt. | |
8 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Malene Gürgen | |
## TAGS | |
Gleichstellung | |
RBB | |
Schwerpunkt Feministischer Kampftag | |
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