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# taz.de -- Internationaler Frauentag 2012: "Chef wird man auf dem Herrenklo"
> Quote oder keine: Wie kommen mehr Frauen in Chefsessel? Zwei Managerinnen
> debattieren über eine Quote von mindestens 30 Prozent.
Bild: Zugang zur Chefetage: Für Frauen kein Zutritt
taz: Feste Quote, Flexi-Quote – welche hätten Sie gern?
Monika Schulz-Strelow: Ich möchte eine feste Quote. Mindestens 25 Prozent
für Aufsichtsräte als Einstieg. Es muss endlich etwas passieren.
Marianne Heiß: Ich möchte kein Gesetz. Positive Botschaften sind
motivierender als Zwang. Mit der unternehmerischen Freiheit haben wir in
den letzten 50 Jahren einen unglaublichen Wohlstand erarbeitet. Gesetze
schränken diese Freiheit massiv ein. Ohnehin ist der Druck auf die Firmen
groß. Die Reputation leidet, wenn sie weiter ohne Frauen in den Topetagen
bleiben.
Schulz-Strelow: Diesen Druck haben wir mit der Forderung nach einer Quote
aufgebaut. Die Zahl der frauenfreien Vorstände und Aufsichtsräte der 160
börsennotierten Unternehmen ist im letzten Jahr zwar gesunken: von 76 auf
54. Aber sie berufen jetzt eine Frau, möglichst Ausländerin: Fertig ist das
Feigenblatt. Und das war es. Deshalb brauchen wir die festen Vorgaben.
Heiß: Bei BBDO beträgt der Frauenanteil 64 Prozent. Aber ich habe einige
Kolleginnen gesprochen, die eingestehen, dass sie nicht in die erste Reihe
wollen. Sie wollen ihr geregeltes Leben nicht gegen mein ungeregeltes
tauschen: um fünf aufstehen, um den ersten Flieger zu bekommen, und am
Montag nicht wissen, ob man am Mittwoch in Amsterdam, Athen oder Paris sein
wird. Haben wir genug Frauen, die so arbeiten wollen? Das glaube ich nicht.
Schulz-Strelow: Die kann ich Ihnen gern einzeln vorstellen. Das Problem
ist, dass wir in den Chefetagen oft noch den Typus des traditionellen
Mannes antreffen, der indirekt vermittelt: Frauen haben hier nichts zu
suchen. Ich setze mich besonders für die Frauen ab 45 ein, die qualifiziert
sind – aber bisher nicht die Chance bekommen, in die erste Reihe
aufzusteigen.
Frau Heiß, was stört Sie an der Quote?
Heiß: Jeder Frau, die aufsteigt, hängt dann das Stigma Quotenfrau an. In
einer Leitungsfunktion muss man sich durchsetzen können, da können Sie
nicht wegen einer Quote, also aus Protektion landen.
Schulz-Strelow: Es geht nicht nur um Durchsetzungsvermögen. Es geht darum,
dass Männer lieber Männer befördern.
Frau Heiß schreibt in ihrem Buch „Yes she can“: „Wenn im Kapitalismus
Leistung wirklich zählt, dann werden die Frauen es auch ohne Frauenquote
schaffen.“
Schulz-Strelow: Aber wir haben erfahren, dass es eben nicht nur um Leistung
geht. Ich selbst habe erlebt, dass meine gut ausgearbeiteten Planungen
wenig interessierten, als unser Unternehmen fusionierte. Ich hätte mich
geschickter positionieren und die Netzwerke besser nutzen müssen, anstatt
nur inhaltlich zu arbeiten. Und als ich dann zum Personalberater ging,
sagte der mir: „Sie als Exgeschäftsführerin sind nicht konzernkompatibel.
Sie machen sich besser selbstständig. Einen Mann mit Ihrem Profil, den
könnte ich eher unterbringen.“ Was hat das mit Leistung zu tun?
Heiß: Sie haben aber vorhin selbst gesagt, dass die Zahlen sich verbessert
haben. Es gibt natürlich auch irrationale Aspekte und Vorurteile. Daran
sind aber wir Frauen zum Teil selbst schuld. Wer in einen Vorstand will,
muss Stärke zeigen und Konkurrenz aushalten. Das steht im Widerspruch zu
unserem Frauenbild, das sozial und weich geprägt ist.
Sie unterwerfen sich ganz den männlichen Normen. Genau deshalb wollen ja
viele Frauen das Quotengesetz.
Heiß: Aber mit einem Gesetz können Sie doch keine tradierten Vorurteile
bekämpfen.
Schulz-Strelow: Aber natürlich: Gesetze setzen Normen. Letztes Jahr sprach
ich mit Manfred Gentz, den Aufsichtsratschef der Deutschen Börse, der ein
Quotengegner ist. Ich fragte: Was machen Sie, wenn ein Gesetz kommt? Er
sagte ganz ruhig: Dann werden wir es befolgen.
Frau Heiß, sind Ihnen unbewusste Vorbehalte gegen Frauen nie begegnet?
Heiß: Nein. Vielleicht habe ich sie nicht wahrgenommen. Vielleicht habe ich
auch eher männliche Eigenschaften. Ich habe mich immer auf meine Stärken
konzentriert.
Haben Sie ein Netzwerk von Frauen?
Heiß: Ich bin kein Freund von Frauennetzwerken. Wir brauchen gemischte
Netzwerke. Es muss normal werden, dass Frauen in den Club zur Zigarre
eingeladen werden.
So wie Sie?
Heiß: Ja, ich bin zwar Nichtraucherin, aber ab und an zu einem schönen Glas
Rotwein ein Zigarillo rauchen, das kann ein Genuss sein.
Schulz-Strelow: Frauennetzwerke allein reichen nicht aus. Sie fördern, aber
sie führen selten zur Be-Förderung. Diese Art von Seilschaft oder Vitamin B
finden Frauen leider häufig noch anrüchig.
Frau Schulz-Strelow, müssen Frauen sich den Männerritualen unterwerfen und
Zigarre rauchen, um ein ordentliches Netzwerk zu bekommen?
Schulz-Strelow: Ich würde sagen, nur solange der Spaßfaktor hoch genug ist.
Aber häufig werden ganz andere Gefilde aufgesucht, in die Frauen dann
wirklich nicht mit können.
Was meinen Sie damit?
Heiß: Von Thomas Sattelberger, dem Personalvorstand der Deutschen Telekom,
stammt der berühmte Satz: Karrieren werden beim Pinkeln gemacht.
Schulz-Strelow: Das ist die Frage: Wie kommen wir in den inner circle? Bis
vor einigen Jahren war das für Frauen überhaupt kein Thema.
Frau Heiß, wurden Sie schon mal von Beschlüssen ausgeschlossen, weil Männer
alles auf dem Klo ausgehandelt hatten?
Heiß: Nein, im Gegenteil. In vielen Meetings war ich die einzige Frau, da
war meine Meinung wichtig, weil ich eine andere Perspektive habe. Frauen
tun zu wenig, um oben mitzuspielen. Neulich zum Beispiel erzählte mir ein
Fernsehredakteur, der Talkshowgäste suchte: Die Männer sagen sofort zu und
fragen erst dann, worum es geht. Die Frauen zweifeln: Da bin ich nicht gut
vorbereitet, dann noch eine Livesendung, das traue ich mir nicht zu. Frauen
konzentrieren sich zu sehr auf ihre Schwächen statt auf die Stärken.
Schulz-Strelow: Es passiert oft, dass eine Frau in einer Männerrunde eine
Idee vorträgt, auf die die Reaktion bescheiden ist. Drei Männer weiter
trägt einer die gleiche Idee vor, und die Männer applaudieren: Superidee.
In solchen Fälle antworte ich: Das ist doch großartig, Herr XY, dass Sie
meine Idee aufgreifen. Solche Reaktionen sollten sich Frauen erarbeiten.
Also müssen sich Frauen männliche Verhaltensweisen abgucken?
Schulz-Strelow: Man muss sie nicht kopieren, aber man muss sie kennen.
Frau Heiß, ist das für Sie alles unbekannt?
Heiß: Männer und Frauen brauchen beides: Empathie und Stärke. Schwäche
hingegen kann sich niemand im Topmanagement leisten. Schwäche zu zeigen
kann in dieser Position dem Unternehmenswert schaden.
Teilzeitjobs für Manager kommen für Sie nicht infrage?
Heiß: Ich habe großen Zweifel, dass das funktioniert.
Dann geht es doch nicht ohne Quote, weil die Frauen dann erst eine neue
Arbeitskultur mitbringen?
Heiß: Es gibt genug Beispiele, die zeigen, dass es anders geht. Ursula von
der Leyen hat sieben Kinder.
Das ist wohl eher eine Ausnahme. Wenn „ganz normale“ Frauen – mit Kindern
und Karriereanspruch – es nicht nach oben schaffen, dann wird sich der
Frauenanteil an der Spitze nicht verändern.
Schulz-Strelow: Das Thema Vereinbarkeit ist wichtig, wird aber teils
überschätzt. Vor ein paar Tagen habe ich mit einer Gruppe junger
Juristinnen diskutiert, es ging auch um Führungsanspruch. Aber viele
wollten vor allem wissen, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut kriegen
– dabei hatten sie noch gar keine Kinder. Fangt doch erst mal an!, riet
eine von ihnen, und das stimmt.
Wer muss sich nun verändern: die Frauen oder die Unternehmen?
Heiß: Die Frage ist: Brauchen wir diese Präsenzkultur, wie wir sie heute
haben? Und bekommen wir endlich eine Kinderbetreuung auf europäischem
Niveau? Wenn da nichts passiert, haben wir ohnehin bald ganz andere
Probleme. Dann gibt es es nämlich keinen akademischen Nachwuchs mehr.
Eine Quote könnte den Kulturwandel in den Unternehmen fördern.
Heiß: Es ist eine Schande, dass wir in einem Land, das von einer Frau
regiert wird, über eine gesetzliche Quote diskutieren.
Schulz-Strelow: Durch Kanzlerin Merkel hat sich an den Rollenbildern leider
nicht viel geändert. Deshalb brauchen wir ja die Quote. Und wenn wir sie
haben, Frau Heiß, heißt es nicht mehr: Yes she can, sondern: Yes she does.
8 Mar 2012
## AUTOREN
H. Oestreich
S. Schmollack
## TAGS
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
Autobiografie
Telekom
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