# taz.de -- Internationaler Frauentag 2012: Ich passe nicht ins Bild | |
> Du brauchst fünfmal so viele Argumente. Du bist raus, wenn du nicht mit | |
> klettern gehst. Oder sie wollen dich "schützen". Schon bist du | |
> hintendran. Erfahrungen einer Ingenieurin. | |
Bild: Wenn man als Frau nicht in den Männerseilschaften hängt, bleibt man auf… | |
Ich bin Ingenieurin und in der Fahrzeugentwicklung tätig. Nach meinem | |
Studium kam ich in dieses Unternehmen und wurde nach ein paar Jahren | |
Projektverantwortliche. Dann habe ich ein Kind bekommen. Ich war zwei Jahre | |
weg, und als ich zurück kam, war ein Kollege, der vorher unter mir stand, | |
Projektverantwortlicher. Der klassische Karriereknick, definitiv. | |
In meinem Studiengang waren 300 Männer und drei Frauen. Du bist von | |
vornherein ein Exot. Wenn du dann anfängst, zu arbeiten, ist es sehr | |
schwierig. Erstens weil du jung bist, zweitens eine Frau. Eine Kombination, | |
bei der man dir nichts zutraut. Es ist schnell klar, dass du bei fachlichen | |
Besprechungen fünfmal so viele Argumente brauchst wie ein männlicher | |
Kollege. Wenn ein Mann sagt, die Maschine ist so und so, muss er es nicht | |
beweisen, vermessen und zehnmal erklären. Als Frau wird erst mal geschaut, | |
ob da nicht irgendein Chef oder Vorgesetzter ist, der bestätigen kann, was | |
du sagst. | |
In meiner Abteilung sind 4 von 33 Leuten Frauen. In den meisten Abteilungen | |
gibt es gar keine. Es gibt keine Frau im Vorstand, keine Bereichsleiterin, | |
und bei den oberen Führungskräften sind vielleicht eine oder zwei. Meine | |
Kollegen hätten definitiv ein Problem damit, wenn ich als Frau über ihnen | |
stehen würde. Das passt nicht in ihr Weltbild. Weil sie sich für geeigneter | |
halten. Ich finde die Medienwelt aber noch schlimmer. Da gibt es ja genug | |
Frauen, trotzdem sitzen in den Chefsesseln vor allem die Männer. | |
## Klettern mit dem Chef | |
Sieben Wochen nach der Geburt meiner Tochter habe ich eine Ausbildung im | |
Medienbereich gemacht. Ich wollte mich umorientieren, in einer Branche | |
anfangen, wo Frauen mehr Chancen haben. Doch während meiner Ausbildung habe | |
ich überhaupt kein Verständnis erfahren. Ich habe die Elternzeit dafür | |
genutzt, obwohl meine Tochter noch so klein war. Einmal musste ich morgens | |
in die Notaufnahme, weil die Kleine Fieber hatte. Da habe ich viel Ärger | |
bekommen. | |
Zum Ressortleiter einer großen überregionalen Tageszeitung sagte ich | |
einmal: Wenn du als Frau nicht in diesen Männerseilschaften drin bist, | |
kommst du nicht voran. Er erwiderte, das glaube er nicht. Ich habe mich | |
geärgert, dass er es so hinstellt, als würde ich mir das nur einbilden. Ich | |
bin dann wieder zurückgegangen in meinen ursprünglichen Beruf, auf meine | |
alte Stelle. | |
Das mit den Seilschaften ist ziemlich offensichtlich, vor allem in meinem | |
Betrieb: Du arbeitest mit Leuten in einem Projekt, die sind auf der | |
gleichen Ebene. Die gehen dann gemeinsam mit dem Chef Mountainbiken, | |
Klettern oder Skifahren, vielleicht abends was trinken. | |
Drei Jahre später sind die alle Abteilungs- oder Gruppenleiter, alle wurden | |
nach oben geschossen. Und das sind keine Überflieger, du merkst, die ziehen | |
sich gegenseitig hoch. Ich mache bei solchen Aktivitäten nicht mit, ich | |
habe ein Kind und keine Lust, einen Urlaubstag zu nehmen, um mit Chef und | |
Kollegen den Tag zu verbringen. Da musst du schon anders gestrickt sein. | |
Die haben zwar auch alle Kinder, alle. Aber da sitzt die Frau daheim und | |
passt auf. | |
## Bloß nicht fraulich! | |
Als Frau musst du dich ganz offiziell um Jobs bewerben, zusammen mit vielen | |
anderen. Du wirst nicht einfach so mitgezogen. Einmal habe ich mich als | |
Testfahrerin beworben. Die fahren in der ganzen Welt, Afrika, Asien etc. | |
Ich bin qualifiziert und habe alle Führerscheine, die man dazu braucht. Und | |
im Bewerbungsgespräch sagte mir der Mann, er könne sich das total gut | |
vorstellen. Aber er könne mich bei meinem Aussehen nicht wochenlang mit so | |
vielen Männern wegschicken. Das vorgeschobene Argument war, er müsse mich | |
vor der wild gewordenen Meute schützen. Absolut absurd! | |
Das wäre damals eigentlich ein Grund gewesen, zum Betriebsrat zu gehen, | |
aber ich war so geschockt, dass ich gar nicht reagieren konnte. Ich hätte | |
mir gewünscht, dass er mich anlügt. Dass er gesagt hätte, von der | |
Qualifikation her passt das nicht, oder wir haben noch fünf andere | |
Bewerber, vielen Dank! Aber wenn dir ins Gesicht gesagt wird, es geht | |
nicht, weil du ’ne Frau bist, was willst du da machen? Das Problem ist, du | |
hast da immer solche sitzen, deshalb werden weiterhin 100 Männer da hin | |
fahren und nie eine Frau. | |
Wahrscheinlich hättest du schon mal größere Chancen, wenn du von vornherein | |
sagst, ich will definitiv keine Kinder. Die Frauen, die hier in meinem | |
Betrieb die höheren Posten haben, sind zwischen 40 und 50 und haben alle | |
keine Familie, keine Kinder. Du musst dich diesem „Mann-Sein“ anpassen, | |
bereit sein bis acht, neun, zehn zu hocken, ganz selbstverständlich, als | |
hättest du kein Privatleben. Verlangt wird die maximale Aufopferung. Wenn | |
du hier sagst, ich hab ein Privatleben, das mir wichtig ist, kommst du | |
nicht weiter. Auch Männer nicht. Du musst dich maximal unterwerfen. Ich | |
glaube aber, dass Männer weniger Probleme damit haben, das gehört für sie | |
mit dazu. Als Frau willst du durch deine Leistung überzeugen. | |
Es ist ein Kampf, du kannst ihn kämpfen, brauchst aber zehnmal mehr Energie | |
als ein Mann. Und ich habe auch noch ein Kind, ich brauche sowieso mehr | |
Energie. Und dann ist die Frage, wo deine Grenzen sind, ab wann du nicht | |
mehr kannst. Ich werde nicht weiterkämpfen bis zum Sankt Nimmerleinstag. | |
Ich werde mich umorientieren und gehen. Für das Unternehmen ist das | |
natürlich schädlich, wir haben in Deutschland ohnehin einen extremen Mangel | |
an Ingenieuren. | |
Aber in den Medien ist das Problem auch da, nur anders: Beim | |
Nachrichtenmagazin eines öffentlich-rechtlichen Senders habe ich das | |
erlebt. Da war der Chef der Oberchauvi, hatte viele Frauen um sich | |
versammelt. Die Folge: extremer Zickenterror. | |
## Wie weit gehst du? | |
Das gibt es bei uns nicht. Weil wir nicht so viele Frauen sind. Entweder | |
bist du solidarisch, oder du hast nichts miteinander zu tun. Aber dort gab | |
es Frauen, die auf den derben Spruch vom Chef noch einen drauf setzen, um | |
sich einzuschleimen. Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich kann es | |
aber auch nicht verurteilen. Denn wenn du irgendwie weiterkommen willst, | |
musst du dich auf jeden Fall anpassen. Die Frage ist, wie weit du gehst. | |
Du darfst nicht zimperlich sein. Fachlich hast du hier schon einiges | |
auszustehen. Wenn dich was trifft, hast du das gefälligst mit nach Hause zu | |
nehmen. Du musst dich schon an die männliche Arbeitsweise anpassen. Aber | |
ich bin eh vom Typ her so. In der Medienbranche gibt es Frauen, die wegen | |
Kleinigkeiten heulen. Wenn dir das hier passiert, dann bist du für immer | |
verbrannt. Da sagen die Kollegen, die fällt ja schon beim ersten Gegenwind | |
um. Fraulich darfst du hier nicht sein. Dann hast du nur Nachteile. | |
Wahrscheinlich hat mich meine Familie geprägt. Mein Vater hat immer gesagt, | |
Maschinenbau? Das kannst du gar nicht. Aber ich war trotzig und habe es | |
dennoch geschafft. Heute ist er der stolzeste Papa der Welt. Wenn du von | |
vornherein gewohnt bist, um dein Recht zu kämpfen, hast du es später | |
leicht. | |
Die Situation ändert sich nur durch künstliche Dinge, wie eine Frauenquote. | |
Es hat sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt, egal wie gut du bist, es | |
spielt keine Rolle, wenn die Männer es nicht müssen, werden sie dich nicht | |
weiterbringen. | |
8 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Sunny Riedel | |
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