# taz.de -- TV-Lizenzen in Griechenland: Syriza muss umschalten | |
> Die Syriza-Regierung versteigerte Sendelizenzen für das Privatfernsehen. | |
> Ein Gericht entschied nun, dass dies verfassungswidrig ist. | |
Bild: Es ist kompliziert: Tsipras und das Fernsehen | |
ATHEN taz | Es war schon nach elf Uhr am Mittwochabend, als das oberste | |
Athener Verwaltungsgericht (STE) nach seiner fünften Sitzung die Sache | |
abschloss. Die 25 Richter fällten ihr Urteil – per Abstimmung. Das | |
Ergebnis: 14 Stimmen dafür, 11 dagegen. „Das Gesetz ist | |
verfassungswidrig!“, katapultierte prompt ein halbes Dutzend von | |
Gerichtsreportern draußen auf der Straße vor laufenden Kameras in die | |
Mikrofone. Seither herrscht in Griechenland noch weniger Eintracht als | |
zuvor. | |
Der Stein des Anstoßes: Das Gericht kippte das Gesetz Nr. 4339/2015. Die | |
Links-rechts-Regierung unter Alexis Tsipras hatte es im vorigen Herbst | |
verabschiedet. Die Federführung hatte Athens Sonderminister Nikos Pappas, | |
engster Weggefährte von Tsipras. Das Ziel des „Gesetzes Pappas“: Nach 27 | |
Jahren endlich Ordnung zu schaffen im hellenischen Privat-TV. Das | |
Syriza-Narrativ: Die privaten Fernsehsender hätten bisher ohne formal | |
wasserdichte Lizenzen Informationsprogramme ausgestrahlt. Alle | |
Vorgängerregierungen hätten „provisorische Betriebsgenehmigungen“ | |
verlängert. Immer wieder: 15-mal in 27 Jahren. | |
Und genau dies sei die Geburtsstunde einer sündhaften Dreiecksbeziehung | |
zwischen omnipotenten Fernsehsendern und ihren kapitalkräftigen | |
Eigentümern, korrupten Bankern und der Politik gewesen. | |
Bisher strahlen neben der öffentlich-rechtlichen ERT landesweit acht | |
private Fernsehsender solche Programme aus. Die Regierung Tsipras startete | |
Ende August eine höchst umstrittene Auktion. Nach 66 Stunden stand fest, | |
wer die strikt auf vier begrenzten Sendelizenzen ergatterte: zwei „alte“ | |
Medienmogule sowie zwei „neue“. Sie boten 255 Millionen Euro, für eine | |
Lizenzdauer von nur zehn Jahren. Die Summe war in drei Raten fällig. Die | |
erste Rate sofort, der Rest bis September 2018. Zwar warf einer der neuen | |
TV-Akteure schnell das Handtuch, weil er die erste Rate nicht fristgerecht | |
bezahlen konnte. Doch ein anderer Bewerber rückte nach. Alles schien seinen | |
Lauf zu nehmen. | |
## Wer darf das Fernsehen neu ordnen? | |
Doch nun machen die obersten Verwaltungsrichter der Regierung Tsipras einen | |
Strich durch die Rechnung. Hintergrund: In Griechenland existiert bis heute | |
kein Verfassungsgericht. Wer Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen | |
will, ruft daher die höchsten Verwaltungsrichter vom STE an. In der Causa | |
„Gesetz Pappas“ taten dies alle bisher ausstrahlenden Fernsehsender. | |
Konkret wollten sie wissen, wer das Privat-TV neu ordnen darf: die | |
Regierung – wie in diesem Fall geschehen – oder nur der Nationale Fernseh- | |
und Rundfunkrat (ESR) – wie von der Verfassung ausdrücklich | |
festgeschrieben. Das Urteil: Nur der ESR dürfe Sendelizenzen vergeben, | |
keine Regierung. | |
Doch seit etwa einem Jahr gibt es keinen ESR. Der Grund: Die Regierung und | |
die Opposition können sich nicht auf die Mitglieder einigen. Dafür ist eine | |
breite Vierfünftelmehrheit im Parlamentspräsidium nötig, auch nach dem | |
STE-Urteil kein leichtes Unterfangen. | |
Unstrittig ist hingegen, dass das Urteil für die Regierung Tsipras eine | |
Blamage ist. Medienpolitisch, aber auch politisch. Die Meistbieter müssten | |
nun das bisher schon gezahlte Geld für den Erwerb der Sendelizenzen | |
zurückerstattet bekommen – immerhin fast 90 Millionen Euro. Zudem bleiben | |
die zwei neuen TV-Akteure nun plötzlich außen vor, während die bisher acht | |
TV-Sender weitersenden könnten. | |
Doch die Regierung Tsipras geht nun aufs Ganze. Noch in der Nacht griff | |
Athens Regierungssprecherin Olga Gerovasili die STE-Richter scharf an. Es | |
sei „das gleiche Gericht, das die Sparpolitik und die Schließung des | |
Staatssenders ERT sowie den Schuldenschnitt zu Lasten von privaten | |
Gläubigern des griechischen Staats als verfassungskonform beurteilt“ habe. | |
„Nichts wird den Willen der Regierung verhindern, Ordnung in der | |
Fernsehlandschaft zu schaffen“, so Gerovasili. Das Gericht habe ein | |
„vorübergehendes Urteil“ gefällt. Bereits am Montag werde die Regierung e… | |
neues Gesetz ins Athener Parlament einbringen, ausdrücklich auf Grundlage | |
des „Gesetzes Pappas“. Nicht nur für das Gericht ein Affront. | |
27 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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